Regenzeit und noch mehr Gewalt in Burkina Faso: Lage der Vertriebenen spitzt sich zu

Mit vereinten Kräften schieben Vertriebe das Motorrad mitsamt seiner Ladung über die überschwemmte Strasse. Es enthält die Hygienesets, die Ärzte ohne Grenzen verteilt.

Burkina Faso4 Min.

In der Region Centre-Nord in Burkina Faso hat sich die Zahl der Vertriebenen fast verdoppelt. Angesichts der zunehmenden Unsicherheit und Gewalt in dem Land leben viele dieser 386 000 Menschen in entlegenen Regionen in behelfsmässigen Unterkünften, wo sie schutzlos der Witterung ausgesetzt sind.

In Pissila, rund dreissig Kilometer entfernt von Kaya, erinnert sich Nabonswendé an den ersten Regen im Mai. «Der Regen durchnässte alle Zelte, so dass wir die ganze Nacht kein Auge zumachten», erzählt er. «Wenn wir schon nicht nach Hause zurückkehren können, dann wollen wir wenigstens unsere Zelte reparieren, damit das Wasser nicht weiter hineinlaufen kann. Ansonsten wird diese Regenzeit für uns sehr schwierig.» 

In der Gemeinde Pensa sehen sich die Vertriebenen mit einer ähnlich schwierigen Situation konfrontiert, was die Unterkünfte betrifft. Die Zelte und Latrinen halten den extremen Wetterbedingungen nicht stand und durch die katastrophalen hygienischen Bedingungen kommt es vermehrt zu Krankheiten wie Malaria, Cholera und Ruhr. Besonders anfällig sind die Kinder.

Viele Eltern haben nicht die finanziellen Mittel, um eine medizinische Konsultation zu bezahlen, da sie durch ihre Flucht jede Einkommensquelle verloren haben. «Wenn unsere Kinder krank sind, müssen sie ins Spital. Auch wenn das bedeutet, dass wir uns verschulden, weil wir kein Geld dafür haben. Dass die Behandlungen von Ärzte ohne Grenzen kostenlos sind, bedeutet für uns eine grosse Sorge weniger», so Nabonswendé. In Pissila arbeitet Ärzte ohne Grenzen in einem Gesundheitszentrum und betreibt mobile Kliniken, um die Menschen in den Peripherie-Regionen zu betreuen. 
 

Zwei Kinder sind im Vertriebenenlager von Pissila unterwegs.

Vertriebenenlager von Pissila, 1. Juni 2020

© MSF

«Nicht genug Platz für alle»

Trotz der Präsenz mehrerer Organisationen vor Ort bleibt der Hilfsbedarf enorm. Die wenigen verfügbaren Ressourcen in Kombination mit der zunehmenden Zahl vertriebener Menschen erschwert die Situation auch für die dort ansässige Bevölkerung und nährt die latenten Spannungen. 

Ein Bewohner der Stadt Bourzanga erzählt: «Hier lebten bereits viele Menschen, bevor die neuen Vertriebenen ankamen. Es ist eine grosse Herausforderung, alle diese Menschen mit Trinkwasser zu versorgen. Mit den Regenfällen wird sich auch die Wasserqualität verschlechtern, was das Risiko für Krankheiten erhöht. Weitere Probleme haben wir mit Lebensmitteln, Unterkünften und Latrinen. Wir haben den Vertriebenen gezeigt, wo man Unterkünfte abseits der Überschwemmungsgebiete aufbauen kann, aber der Platz reicht nicht für alle.» Die Teams von Ärzte ohne Grenzen haben Hygienekits, Güter des täglichen Bedarfs und Trinkwasser verteilt. 
 

Eine Pflegefachfrau misst den Oberarmumfang eines Kindes, um seinen Ernährungszustand festzustellen.

Im Gesundheitszentrum von Kaya misst eine Pflegefachfrau den Oberarmumfang eines Kindes, um seinen Ernährungszustand festzustellen. 30. Mai 2020

© MSF

Bevorstehende Höchststände bei Malaria und Mangelernährung

Während der Regenzeit kommt es in Burkina Faso immer auch zu einem Anstieg der Malariakranken, da sich Mücken in stehenden Gewässern vermehren. 2019 war Malaria die meist diagnostizierte Krankheit bei unseren Patienten in der Region Centre-Nord. Auch dieses Jahr wird dies nicht anders sein. Bis jetzt wurden bereits 7231 Malariakranke behandelt.

An der Wasserstelle füllen Frauen ihre Plastikkanister auf.

Wasserstelle im Lager von Kongoussi, 3. Juni 2020

© MSF

«Mehr als 60 Prozent der Vertriebenen in Centre-Nord sind Kinder. Sie sind am anfälligsten für Malaria», erklärt Maïyaki. Die rechtzeitige Diagnose und eine angemessene Behandlung sind nötig, um die Zahl der Todesfälle zu reduzieren. Doch der Zugang zu Gesundheitsversorgung in der Region ist seit Ende Mai erschwert; mindestens 21 Gesundheitseinrichtungen mussten schliessen und 38 weitere sind nur begrenzt funktionsfähig. Die regionalen Gesundheitsbehörden konzentrieren sich auf die Prävention und die Beseitigung von Bedingungen, die der Verbreitung von Moskitos und anderen Krankheitsüberträgern förderlich sind. 

Eine weitere Gesundheitsbedrohung ist die Mangelernährung, die durch die Regenzeit und die damit zusammenfallende saisonale «Hungerperiode» noch verschärft wird. Zwischen Januar und Juni 2020 versorgte Ärzte ohne Grenzen 1580 mangelernährte Kinder mit therapeutischer Nahrung. Diese Zahl dürfte in den kommenden Wochen zunehmen, wenn die Menschen noch weniger zu essen haben.

 

In Burkina Faso leben gemäss Schätzungen der Vereinten Nationen derzeit mehr als 921 000 Vertriebene. Die medizinischen Teams von Ärzte ohne Grenzen in Centre-Nord leisten grundlegende Gesundheitsversorgung und betreiben mobile Kliniken für die medizinische Betreuung der Bevölkerung in den Peripherie-Regionen.