De nombreuses personnes entassées sur des véhicules dans le Darfour-Nord.
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Des personnes arrivant à Tawila après avoir fui la ville d'El Fasher, Darfour-Nord. Soudan. 2024.
© Jérôme Tubiana/MSF

Ärzte ohne Grenzen verurteilt massive Gräueltaten in Al-Faschir und warnt vor weiterer Gewalt

Ärzte ohne Grenzen verurteilt die schrecklichen Gräueltaten und Morde, die vergangene Woche in und um Al-Faschir einen neuen Höhepunkt erreicht haben. Sie erfolgten wahllos und waren ethnisch motiviert.

Die medizinische Hilfsorganisation befürchtet, dass sich eine hohe Zahl von Menschen weiterhin in großer Gefahr befindet und von den Rapid Support Forces (RSF) und ihren Verbündeten daran gehindert wird, sicherere Gebiete wie Tawila zu erreichen, wo Ärzte ohne Grenzen tätig ist. Die Teams in Tawila bereiteten sich auf einen massiven Zustrom von Vertriebenen und Verletzten vor, als Al-Faschir, die 60 Kilometer entfernte Hauptstadt des Bundesstaates Nord-Darfur, am 26. Oktober nach 17 Monaten zermürbender Belagerung und Angriffen von den Rapid Support Forces eingenommen wurde. In den vergangenen Monaten flohen nach jeder größeren Eskalation der Gewalt in Al-Faschir eine große Anzahl von Menschen nach Tawila, wo laut UN Ende August noch 260.000 Menschen lebten [1]. In den vergangenen fünf Tagen gelang es jedoch laut Angaben von Hilfsorganisationen vor Ort nur etwas mehr als 5.000 Menschen, sich nach Tawila durchzuschlagen [2]. Sie berichten von Massakern und sprechen von Menschen, die in Al-Faschir und den benachbarten Städten sowie entlang der Fluchtrouten gestrandet sind und dort Folter, Entführungen gegen Lösegeld, sexualisierter Gewalt und Hinrichtungen ausgesetzt sind. 

Die Zahlen der Ankommenden steigen nicht in dem Maße an wie die Berichte über groß angelegte Gräueltaten zunehmen. Wo sind all die vermissten Menschen, die bereits monatelang Hunger und Gewalt in Al-Faschir überlebt haben? Basierend auf den Angaben der Patient:innen ist die wahrscheinlichste, wenn auch erschreckende Antwort, dass sie getötet, gejagt oder festgehalten werden, wenn sie versuchen zu fliehen.

Michel Olivier Lacharité, Leiter der Notfalleinsätze bei Ärzte ohne Grenzen

„Wir fordern dringend die RSF und ihre verbündeten bewaffneten Gruppen auf, Zivilpersonen zu verschonen und ihnen eine Flucht in Sicherheit zu ermöglichen. Wir rufen auch alle diplomatischen Akteure, einschließlich des ‚Quad‘, bestehend aus den USA, Saudi-Arabien, den Vereinigten Arabischen Emiraten und Ägypten, dazu auf, ihren Einfluss geltend zu machen, um das Blutvergießen zu stoppen“, fügt Lacharité hinzu. 

Zwischen dem 26. und 28. Oktober wurden neu Ankommende aus Al-Faschir, überwiegend Frauen, Kinder und ältere Menschen mit Mangelernährung in katastrophalem Ausmaß, mit Lastwagen gebracht. Andere, darunter Schussverletzte, waren zu Fuß unterwegs. Sie versteckten sich tagsüber und gingen nachts, um den Bewaffneten auf den Hauptstraßen zu entgehen. 

Unter den neu Eintreffenden am 27. Oktober waren alle 70 Kinder unter fünf Jahren akut mangelernährt, wobei 57 % von ihnen unter schwerer akuter Mangelernährung litten. Am folgenden Tag untersuchte das Team von Ärzte ohne Grenzen 120 Männer aus Al-Faschir, 20 % von ihnen litten an schwerer akuter Unterernährung. Diese erschütternden Zahlen verdeutlichen das enorme Leid der Menschen in Al-Faschir und den umliegenden Lagern. Die Region ist vor mehr als einem Jahr offiziell von einer Hungersnot betroffen und ist seitdem zunehmend vom Zugang zu Nahrungsmitteln und lebensrettenden Hilfsgütern abgeschnitten, sodass die Menschen auf Tierfutter angewiesen sind, um zu überleben. 

Mehrere Augenzeugen berichteten den Teams von Ärzte ohne Grenzen von einer Gruppe von 500 Zivilist:innen sowie Soldaten der Sudanese Armed Forces und der Joint Forces, die am 26. Oktober zu fliehen versuchten. Die meisten wurden jedoch von der RSF und ihren Verbündeten getötet oder gefangen genommen. Überlebende berichten, dass Personen nach Geschlecht, Alter oder wahrgenommener ethnischer Zugehörigkeit getrennt wurden, viele blieben in Gefangenschaft gegen Lösegeldforderungen zwischen 5 und 30 Millionen sudanesischen Pfund (7.000 bis 43.000 Euro). Ein Überlebender sagte, er habe 24 Millionen sudanesische Pfund (34.000 Euro) an seine Entführer gezahlt, um sein Leben zu retten und zu entkommen. Ein anderer berichtete von extrem grausamen Szenen, bei denen Kämpfer mehrere Gefangene mit ihren Fahrzeugen zerquetschten

Zwischen dem 26. und 29. Oktober haben wir 396 verletzte Personen aufgenommen und über 700 neue Patient:innen aus Al-Faschir in einer speziell eingerichteten Notaufnahme des Krankenhauses behandelt. Die Hauptverletzungen der derzeit im Krankenhaus behandelten Personen sind Schusswunden, Knochenbrüche und andere Verletzungen durch Schläge und Folter. Einige leiden an infizierten Wunden oder Komplikationen von Operationen, die bereits in Al-Faschir unter verzweifelten Bedingungen durchgeführt wurden und bei denen praktisch kein Zugang zu medizinischen Materialien und Medikamenten bestand

Dr. Livia Tampellini, stellvertretende Leiterin der Notfalleinsätze bei Ärzte ohne Grenzen

Ärzte ohne Grenzen hat einen Gesundheitsstützpunkt am Eingang von Tawila eingerichtet und die Versorgung mit Notfallmedizin, chirurgischer Versorgung und weiteren medizinischen Diensten im Krankenhaus ausgebaut. Die meisten sudanesischen Mitarbeiter:innen der Organisation in Tawila haben in der vergangenen Woche Angehörige in Al-Faschir verloren. Vertriebene, die bereits in der Stadt sind, treffen die neu Ankommenden in der Hoffnung, unter den hungernden und traumatisierten Menschen ein bekanntes Gesicht zu erkennen oder Nachrichten über ihre vermissten Angehörigen zu erhalten. 

„Angesichts des Zustands der Menschen, die entkommen und schwer gezeichnet in Tawila angekommen sind, ist klar, dass sie dringend medizinische und ernährungstechnische Versorgung, psychosoziale Unterstützung, Unterkunft, Wasser und humanitäre Hilfe im Allgemeinen benötigen“, sagt Tampellini. Die anderen Überlebenden brauchen rasch Hilfe – sie müssen in sicherere Gebiete gelangen und lebensrettende Hilfe erhalten. 


[1] https://news.un.org/en/story/2025/08/1165731 

[2] https://www.rescue.org/eu/press-release/darfur-irc-warns-civilians-trapped-or-fleeing-el-fasher-ris…