Covid-19: Unregulierter Markt für Schutzausrüstung gefährdet Menschenleben

Unser Arzt Louis Fonsny mit und ohne Schutzausrüstung vor dem Besuch der Covid-19-PatientInnen in Brüssel. 6. Mai 2020.

Covid-193 Min.

Die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen/Médecins Sans Frontières (MSF) fordert dringend eine Regulierung des ausser Kontrolle geratenen weltweiten Marktes für Schutzausrüstung. Seit Beginn der Covid-19-Pandemie hat die Konkurrenz auf dem Markt für medizinische Ausrüstung ein nie dagewesenes Ausmass erreicht, und in vielen Ländern wurden Ausfuhrverbote und andere protektionistische Massnahmen erlassen. Das hat zu hohen Preisen und Lieferengpässen insbesondere für Schutzausrüstung für Gesundheitsmitarbeitende geführt. Die Verteilung muss transparent und gerecht erfolgen.

«Im Moment ist der Markt für Schutzausrüstung intransparent. Es ist unklar, was wo in welcher Qualität produziert wird, wie hoch die Lagerbestände sind und wie sie verteilt werden», sagt Thierry Allafort-Duverger, Geschäftsführer von Ärzte ohne Grenzen in Frankreich. «Länder, die mit Lieferengpässen zu kämpfen haben, wurden nur bruchstückhaft und einmalig unterstützt. Das sorgt für Unsicherheit, Chaos und ungerechte Verteilung. Dabei brauchen die Gesundheitssysteme in Zeiten von Covid-19 Berechenbarkeit mehr denn je.»

In vielen Ländern gelingt es den Gesundheitsbehörden und anderen medizinischen Anbietern kaum, eine verlässliche Versorgung mit Schutzausrüstung für medizinisches Personal sicherzustellen, dazu gehören unter anderem FFP2-Masken, Schutzbrillen und Kittel. Auch Ärzte ohne Grenzen hat Schwierigkeiten, die Versorgung mit Schutzausrüstung für die Projekte weltweit zu planen. Das behindert nicht nur den Kampf gegen Covid-19, sondern auch andere medizinische Hilfe wie etwa Operationen oder die Behandlung von Infektionskrankheiten wie Masern oder Tuberkulose.  

«Wir müssen unbedingt verhindern, dass Spitäler die Epidemie noch befeuern», sagt Christine Jamet, Leiterin der Projektabteilung von Ärzte ohne Grenzen in Genf.

Deshalb muss das medizinische Personal effektiv geschützt werden, auch dort, wo sich das Virus bislang noch nicht stark ausgebreitet hat. Zu viele Mitarbeitende des Gesundheitswesens sind derzeit weltweit Covid-19 schutzlos ausgeliefert.

Leiterin der Projektabteilung von Ärzte ohne Grenzen in Genf

Wenn sich Spitäler zu Zentren für die Ausbreitung der Krankheit entwickeln, dann wird eine Mischung aus Angst, Erkrankungen des Gesundheitspersonals und einem Zusammenbruch auf organisatorischer Ebene die reguläre Gesundheitsversorgung der Menschen zum Erliegen bringen. In einigen Einsatzländern ist dies schon der Fall. Im Jemen nimmt etwa das Unfallkrankenhaus von Ärzte ohne Grenzen in Aden immer mehr Patienten auf, nachdem andere Kliniken schliessen mussten. In Kenia muss Ärzte ohne Grenzen womöglich in einigen Wochen die lebensrettende Hilfe in einigen der ärmsten Slum-Gebiete Nairobis beenden, wenn die Teams keine Schutzausrüstung bekommen können. 

Seit Beginn der Pandemie haben unter anderem die Vereinten Nationen, die G20 und die Weltgesundheitsorganisation Initiativen lanciert, die den Zugang zu dringend benötigter Schutzausrüstung erleichtern sollen. Auf dem Papier sind diese Massnahmen, die einzelnen Ländern und Herstellern persönlicher Schutzausrüstung auferlegt werden, begrüssenswert - jedoch werden diese ohne Massnahmen zur Regulierung des Markts wenig Wirkung haben,

Nebst einer möglichst effizienten Verteilung der persönlichen Schutzausrüstung wird es nötig sein, die Produktion auszuweiten, um den gestiegenen Bedarf decken zu können. Zudem wäre hier ein Regulierungsmechanismus unerlässlich, damit die erforderlichen Qualitätsstandards eingehalten werden.

«Wir und unsere Partner weltweit versuchen unser Bestes, unter schwierigsten Umständen weiterhin lebensrettende Behandlungen anbieten und auf Covid-19 reagieren zu können», sagt Allafort-Duverger. «Aber dazu müssen wir Transparenz und Gerechtigkeit in den derzeit ausser Kontrolle geratenen Markt für Schutzausrüstung zurückbringen - und wir können nicht darauf zählen, dass die Staaten oder der Markt dies freiwillig tun.»