Place des Nations
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© Gregory Cossy/MSF

Wir fordern Ausstieg aus der Verwendung schädlicher Kunststoffe im Gesundheitswesen

Vom 5. bis 14. August fand in Genf die Fortsetzung der fünften Verhandlungsrunde über ein internationales Abkommen gegen Plastikverschmutzung statt. Ärzte ohne Grenzen/Médecins Sans Frontières (MSF) rief die teilnehmenden Staaten dazu auf, entschlossene und wissenschaftlich fundierte Schritte zu unternehmen, um auf den Einsatz gefährlicher Kunststoffe im Gesundheitswesen zu verzichten – insbesondere auf Polyvinylchlorid (PVC), das trotz sicherer Alternativen weiterhin für eine Vielzahl von Medizinprodukten verwendet wird.

Kunststoffe sind in der modernen Medizin unverzichtbar. Doch Kunststoff ist nicht gleich Kunststoff. PVC ist wegen seiner geringen Kosten und Vielseitigkeit weit verbreitet. Es birgt allerdings erhebliche Gesundheits- und Umweltrisiken. Seine Herstellung und Nutzung erfordern den Einsatz giftiger chemischer Zusatzstoffe wie Phthalate – insbesondere DEHP (der Weichmacher in PVC) – die bei medizinischen Anwendungen in den Körper der Patient:innen gelangen können.

Ein besonderes Risiko stellen diese für ohnehin bereits gefährdete Patientengruppen wie Neugeborene, Menschen in intensivmedizinischer Behandlung sowie Personen dar, die Bluttransfusionen erhalten oder auf Infusionen und Ernährungssonden angewiesen sind.

Dr. Maria Guevara, internationale medizinische Leiterin von Ärzte ohne Grenzen

Die Gefahren gehen aber weit über das Krankenbett hinaus. Bei der Herstellung, Verbrennung und Entsorgung von PVC werden langlebige Giftstoffe freigesetzt. Oft geschieht das in ärmeren Regionen, in denen Ärzte ohne Grenzen tätig ist und wo es kaum Regeln für die Entsorgung medizinischer Abfälle gibt. So entstehen zusätzliche Klima- und Umweltbelastungen, die jene Gemeinschaften treffen, für die sich Ärzte ohne Grenzen einsetzt.

Für viele gängige Einwegprodukte gibt es bereits PVC-freie Alternativen. Bei Ärzte ohne Grenzen und in Gesundheitssystemen in Industrieländern kommen zum Beispiel bereits PVC-freie Infusionsbeutel zum Einsatz. Für andere Produkte fehlen jedoch weiterhin Alternativen oder diese sind wegen fehlender Massenproduktion noch zu teuer. So gibt es zwar für Blutbeutel noch keine gleichwertigen Alternativen, doch die meisten anderen Produkte können problemlos ersetzt werden.

Der Zugang zu sichereren Alternativen darf kein Privileg sein. Er muss weltweit zur Norm werden. Ein Gesundheitswesen ohne PVC ist realisierbar und dringend nötig – im Interesse der Patient:innen, der Gesundheitsversorgung und der Umwelt.

Stephen Cornish, Generaldirektor von Ärzte ohne Grenzen Schweiz

Ärzte ohne Grenzen fordert, pauschale Ausnahmen für den Gesundheitssektor abzulehnen und stattdessen gezielte, evidenzbasierte Reformen umzusetzen. Konkret soll das Abkommen folgende Punkte regeln:

  • zeitlich begrenzte, wissenschaftlich fundierte Ausnahmen nur für medizinisch unverzichtbare Produkte, für die es keine gleichwertige Alternative gibt,
  • schrittweiser Ausstieg aus der Nutzung risikoreicher PVC-Produkte,
  • verbindliche vollständige Offenlegung der verwendeten Materialien, um eine risikofreiere Beschaffung zu ermöglichen,
  • Öffentliche Investitionen in Forschung, Entwicklung und den Ausbau sicherer, nachhaltiger Alternativen.

Ärzte ohne Grenzen ruft die Verhandlungspartner dazu auf, klare Ziele für den Ausstieg aus der Verwendung schädlicher Kunststoffe im Gesundheitswesen zu formulieren. Der Gesundheitsschutz muss über den gesamten Kunststofflebenszyklus – von der Herstellung bis zur Entsorgung – an erster Stelle stehen.