Westafrika: Ein Epidemiologenteam in Dakar unterstützt die Cholera-Bekämpfung in der Region

10/08/2019, Pitoa, Cameroun

Kamerun6 Min.

Von Dakar aus unterstützt ein Epidemiologenteam die Projekte von Ärzte ohne Grenzen/Médecins Sans Frontières (MSF) in der Region bei der Bekämpfung von Epidemien. Seit einigen Wochen ist in West- und Zentralafrika die Regenzeit zurück und mit ihr eine Reihe saisonaler Krankheiten. Im Norden Kameruns wurden bereits erste Fälle von Cholera gemeldet, weshalb das Team die Lage genauestens beobachtet. Frank Ale, regionaler Epidemiologe, beschreibt die Herausforderungen dieser Arbeit.

In Kamerun verzeichnen wir seit Anfang März 2019 wieder Cholera-Fälle. Diese sind höchstwahrscheinlich noch auf die letzte Epidemie zurückzuführen, die sich dort 2018 ausgebreitet hat und nie offiziell für beendet erklärt wurde. Mit den ersten Regenfällen Anfang Mai war dann eine starke Zunahme an Infizierten mit einer hohen Sterblichkeitsrate zu beobachten. Das Gesundheitsministerium hat Gegenmassnahmen eingeleitet und auch unsere Teams vor Ort, die die kamerunischen Behörden in den Gesundheitsbezirken Garoua, Pitoa und Kaélé (Regionen Nord und Extrême-Nord) unterstützen, sind in Alarmbereitschaft. In der gesamten Region, vor allem in dem im Nordosten Nigerias gelegenen Bundesstaat Borno sowie in den an den Norden Kameruns grenzenden Bezirken des Tschads ist erhöhte Wachsamkeit angezeigt.

Können Sie uns etwas mehr über die Cholera-Epidemien erzählen, die es 2018 in der Region gab? 

In Ländern wie dem Niger, Nigeria oder Kamerun ist Cholera endemisch und kehrt regelmässig mit der Regenzeit zurück. In der Region rund um den Tschadsee sind die Bedingungen für die Ausbreitung der Krankheit besonders günstig, sodass es seit 1971 immer wieder Epidemien gab. Es wurde viel unternommen, um dagegen vorzugehen: von grenzübergreifender Zusammenarbeit über eine stärkere Überwachung in den einzelnen Ländern bis hin zur Implementierung von Gegenmassnahmen unter der Beteiligung verschiedener Akteure des Gesundheitswesens.

Mittlerweile verfügen wir über die notwendigen medizinischen Mittel und ein öffentliches Gesundheitssystem, um eine solche Epidemie in einem Gebiet, in dem Kommunikation und Aufklärungsmassnahmen möglich sind, aufzuhalten. Komplizierter wird es hingegen, wenn mehrere erschwerende Umstände hinzukommen, wie Bevölkerungsvertreibungen, unzulängliche Hygieneverhältnisse und fehlender Zugang zu Trinkwasser. Dann gilt es, Krankheitsausbrüche schnellstens zu ermitteln und sich trotz der heiklen Sicherheitsbedingungen Zugang zu den Gebieten zu verschaffen, damit rasch interveniert werden kann.

01/02/2019, Dakar, Sénégal

Franck Ale, regionaler Epidemiologe für MSF in Dakar, Senegal.

© Pape Cire Kane/MSF

Wie kann man solche Epidemien noch besser bekämpfen?

Nach Schätzungen der «Regional Cholera Platform in West and Central Africa» entfallen allein 30 bis 40 Prozent der Cholera-Fälle auf West- und Zentralafrika. Die verschiedenen Parteien der betroffenen Region sollten alles daransetzen, sich bei der Erkennung und raschen Bestätigung von Cholera-Ausbrüchen besser zu organisieren und auf diese Weise vor allem in Konfliktgebieten effizienter vorzugehen. So sind beispielsweise Schutzimpfungen in der unmittelbaren Umgebung eines Epidemiegebiets äusserst wichtig  und zwar sowohl für Vertriebene als auch für die ansässige Bevölkerung –, um die Gefahr einer Ausbreitung zu minimieren. Dafür braucht es aber einen Notfallplan, bei dem z. B. im Voraus ausgehandelt wird, wie der Impfstoff in das Gebiet gelangt und zugänglich gemacht wird. Impfungen sind ein effizientes Mittel, um Cholera-Epidemien aufzuhalten, allerdings nur, wenn die gefährdeten Gebiete schnellstmöglich ermittelt werden.

Eine weitere Herausforderung stellt die schnelle Laborbestätigung einer Erkrankung dar, vor allem in Gebieten, in denen Unsicherheit herrscht oder keine entsprechenden Einrichtungen vorhanden sind. Die Bereitstellung von Schnelltests, mit denen Fälle rasch erkannt werden können, ist eine Lösung für dieses Problem. Denn es braucht bestätigte Fälle, um eine Epidemie offiziell ausrufen und die erforderlichen Mittel zu deren Bekämpfung zur Verfügung stellen zu können.

Welche Aufgabe hat die Epidemiologie bei einer derartigen Epidemie?

Mit epidemiologischen Untersuchungen lassen sich die Ursachen einer Epidemie ermitteln und die entsprechenden Gegenmassnahmen koordinieren. Entscheidende Instrumente sind einerseits die Überwachung – mit der ein Ausbruch der Krankheit rasch erkannt und der Verlauf in den jeweiligen Regionen verfolgt werden kann – und andererseits die Untersuchung von Fällen, bei der es darum geht, herauszufinden, wie sich die einzelnen Personen angesteckt haben und von welchen Gruppen oder Orten (z. B. Quellen mit verunreinigtem Wasser) ein Risiko ausgeht. Dadurch lässt sich gezielt intervenieren, beispielsweise mit Impfungen, aber auch durch Aufklärungsarbeit oder Massnahmen zur Verbesserung der sanitären Verhältnisse.

 

10/08/2019, Pitoa, Cameroun

Alphonse Elogo, Leiter des Bereichs Wasser und Abwasser bei MSF, diskutiert mit Bewohnern eines Viertels im Gesundheitsbezirk von Pitoa, im Norden von Kamerun.

© Hadidjatou Bidisse/MSF

Ein Teil dieser Arbeit wird von Epidemiologen vor Ort und in Zusammenarbeit mit den Gesundheitsbehörden verrichtet. Unser Team leistet dann zusätzliche Unterstützung, indem wir die Lage aus regionaler Sicht beurteilen und den Verlauf von Epidemien auch über Staatsgrenzen und über unsere Projekte hinaus verfolgen. Dabei stützen wir uns auf die Daten, die uns die Staaten oder andere vor Ort tätige Akteure zur Verfügung stellen. So konnten wir im vergangenen Jahr durch die Beobachtung des Ausbruchs in Nigeria unsere Teams in Kamerun vor ersten Cholera-Fällen im Norden des Landes, wo wir nicht dauerhaft im Einsatz sind, warnen und dementsprechend schnell reagieren. Durch unseren Austausch von Cholera-Informationen mit den Betreibern der Cholera-Plattform tragen wir von Dakar aus zudem dazu bei, dass schneller grossangelegte Gegenmassnahmen ergriffen werden können. Es ist wichtig, dass die unabhängige Stimme von Ärzte ohne Grenzen in die Gespräche miteinbezogen wird, damit die tatsächlichen Gegebenheiten vor Ort Berücksichtigung finden.

 

2018 wurden in West- und Zentralafrika mehrere Cholera-Epidemien gemeldet. Kamerun, der Niger und Nigeria waren mit 45 000 Infizierten und 900 Toten besonders stark betroffen. In dieser Region und insbesondere am Tschadsee, wo Armut und durch Konflikte verursachte Bevölkerungsvertreibungen die Ausbreitung begünstigen, ist Cholera endemisch. Unsere Teams haben die Gesundheitsbehörden dieser drei Länder bei der Behandlung von fast 30 000 Personen sowie bei der Schutzimpfung von über 550 000 Personen unterstützt. Von Dakar aus findet eine permanente epidemiologische Überwachung der endemischen Krankheiten wie Cholera, Masern oder Meningitis statt. Dies ist ein wichtiger Beitrag zur Arbeit unserer Teams vor Ort.