«Hier gibt es keine Helden, nur Opfer» – medizinische Hilfe in West-Mossul

De nombreux personnels de santé font partie des 200000 civils pris au piège dans Mossoul Ouest.

Irak5 Min.

Mitarbeitende von MSF in den Notaufnahmen in Mossul und Umgebung leiden selbst unter dem Konflikt im Irak. Viele haben Familienmitglieder, die in den vom sogenannten Islamischen Staat (IS) kontrollierten Gebieten in West-Mossul festsitzen. Hier schildern sie, wie es ist, über lange Zeit unter grosser Gefahr zu arbeiten oder, wie unser Mitarbeiter Ahmed*, selbst verletzt zu werden und Angehörige zu verlieren. Sie erzählen auch, dass Mediziner in vom IS kontrollierten Gebieten in medizinischen Einrichtungen festgehalten wurden.

Als Ahmed* im provisorischen Spital von Médecins Sans Frontières/Ärzte ohne Grenzen (MSF) im Süden der irakischen Stadt Mossul ankam, brachen viele der Mitarbeitenden in Tränen aus. Ahmed war ihr Kollege. Jahrelang hatte er sich als Krankenpfleger um die Kranken und Verletzten in West-Mossul gekümmert. Jetzt war er selbst Patient. Zwei Tage zuvor waren er und seine Familie ins Kreuzfeuer geraten, als sie aus West-Mossul flohen. Ahmed wurde mehrere Male getroffen, seine Frau und seine Eltern wurden schwer verletzt. Sein jüngster Sohn starb in seinen Armen.
«Als wir wegrannten, drehte ich mich um und sah, dass mein Sohn schwer atmete», sagt er. «Er hatte mehrere Schussverletzungen im Rücken und in der Brust. Als Krankenpfleger wusste ich, dass mein Sohn sterben würde. Ich konnte nichts tun, um ihn zu retten.» Auch Ahmeds zwei ältere Söhne waren im Spital. Sie waren körperlich unversehrt, doch sichtbar traumatisiert.

Chirurgen in Spitälern eingesperrt

Unsere irakischen Mitarbeitenden erzählen, dass die Spitäler in Mossul vor Juni 2014 alle sehr gute medizinische Versorgung leisten konnten. Dann, als der IS die Kontrolle übernahm, wurde die medizinische Versorgung schlechter.
Dr. Yasser* arbeitet seit zwei Monaten für uns als Chirurg in Mossul. Er erzählt, dass sich viele Mitarbeitende trotz der Risiken entschlossen, in Mossul zu bleiben, um den Bewohnern weiterhin zu helfen. «Alle Medikamente und medizinischen Güter wurden aus den öffentlichen Spitälern geholt und in die wenigen gebracht, die vom IS kontrolliert wurden. So konnten viele der Spitäler kaum noch die Arbeit aufrechterhalten. Wenn jemand schwer krank war, musste er um Erlaubnis bitten, Mossul für die Behandlung verlassen zu dürfen. Wenn er gehen durfte, wurde im Gegenzug ein Verwandter festgehalten, um ihn zur Rückkehr zu zwingen.»
Als im Oktober vergangenen Jahres die Kämpfe um Mossul begannen, hielt der IS viele medizinische Mitarbeitende in den Spitälern fest, sodass verletzte IS-Kämpfer behandelt werden konnten. «Vor allem Chirurgen wurden eingesperrt und durften die Spitäler nicht verlassen», sagt Dr. Wassim*, der für MSF arbeitet. «Verwundeten Zivilisten wurde kaum geholfen. Stattdessen wurden IS-Kämpfer immer zuerst behandelt.»

«Patient in West-Mossul zu sein, ist eine Katastrophe»

Viele der medizinischen Mitarbeiter gehören zu den geschätzten 200’000 Zivilisten, die weiterhin in West-Mossul festsitzen. «Es gibt nur noch wenige Spitäler in West-Mossul», erzählt Ahmed von seinem Spitalbett aus. «Ich habe die letzten zwei Wochen in einem davon gearbeitet. Ich war der einzige auf der Station. Auf jeder der Stationen arbeitete nur noch eine Person. Vorher waren es zehn.»
Als während der Kämpfe Gesundheitseinrichtungen angegriffen wurden, versteckten sich manche der medizinischen Mitarbeiter und behandelten Patienten Zuhause.
«Wir wussten, dass es zum Krieg kommen würde und haben uns alle monatelang darauf vorbereitet», sagt Dr. Wassim. «Ich habe eine Zeit lang Medikamente und medizinisches Zubehör gesammelt. In der Nachbarschaft gab es viele Ärzte, und jeder von ihnen musste einen Häuserblock oder eine Gegend übernehmen. Wir hatten Schmerzmittel und Antibiotika, aber kaum lebensrettendes Zubehör wie zum Beispiel Drainageschläuche. Wir mussten improvisieren. Bei einem Luftangriff stürzte ein Pfeiler auf das Bein eines Patienten und er war unter den Trümmern gefangen. Der Chirurg musste das Bein vor Ort amputieren mit nichts als Morphium gegen die Schmerzen. Aber er rettete so das Leben des Patienten.»
«Patient in West-Mossul zu sein, ist eine Katastrophe», sagt Ahmed. «Die meisten Patienten, die intensive medizinische Hilfe brauchten, sind gestorben. Viele andere sind gestorben, weil sie das Spital nicht rechtzeitig erreicht haben.»

«Wir sind nicht aus Stein»

Während der Kämpfe um Mossul wurden viele der medizinischen Mitarbeitenden selbst Opfer der Gewalt oder sahen, wie Verwandte, Freunde oder Kollegen verstümmelt oder getötet wurden. Concetta Feo arbeitet als Psychologin für uns und bietet Einzel- oder Gruppensprechstunden für die irakischen Mitarbeitenden an. Gleichzeitig bildet sie sie in psychologischer Erster Hilfe aus.
«All unsere irakischen Kollegen fragen nach psychologischer Hilfe», sagt Concetta. Sie haben Traumatisches erlebt und sagen, dass sie diese Unterstützung dringend benötigen. Vor allem das medizinische Personal sieht sich ständig mit den Auswirkungen des schlimmen Konflikts konfrontiert. Seit Monaten oder sogar Jahren riskieren sie ihr Leben, um andere zu retten.»
«Wenn verletzte Patienten ankommen, ist das erste, was wir fragen: ‹Woher kommt ihr?›», sagt Dr. Wassim. «Denn auch unsere Familien leben in West-Mossul. Die schlimmste Vorstellung war, eines Tages meine eigene Familie in der Notaufnahme zu sehen. Manchmal können wir nicht mehr professionell sein, die Emotionen sind zu stark. Wir sind nicht aus Stein.»

«Ich bin Arzt, es ist meine Pflicht»

«Aber vielen unserer Mitarbeitenden hilft die Arbeit auch: So können sie konkret etwas tun, um den eingeschlossenen Menschen auf der anderen Seite zu helfen», meint Concetta.
Auf die Frage, ob sein Einsatz in Mossul heldenhaft ist, antwortet Dr. Wassim: «Hier gibt es keine Helden, nur Opfer. Wir hatten einfach keine Wahl. Manchmal wenn ich mich draußen um Verwundete kümmerte, musste ich um mein Leben fürchten. Aber dann bin ich kurz in mich gegangen und dachte: ‹Wenn ich nicht gehe, wird dieser Mann sterben – und es ist meine Schuld, weil ich nicht geholfen habe. Ich bin Arzt, es ist meine Pflicht.›»
MSF-Teams leisten lebensrettende Nothilfe für Männer, Frauen und Kinder, die in den Kämpfen um Mossul verwundet werden. Gleichzeitig stocken unsere Teams ihre Arbeit auf, um die Lücken in der durch den Krieg geschwächten Gesundheitsversorgung zu füllen. Unsere Teams arbeiten zurzeit in sechs Gesundheitseinrichtungen in Mossul und Umgebung. Sie bieten medizinische Grundversorgung, Hilfe für mangelernährte Kinder und psychologische Hilfe in den vor Kurzem eingerichteten Lagern für Flüchtende aus Mossul. Um ihre Unabhängigkeit zu wahren, nimmt MSF für Projekte im Irak keine Gelder von Regierungen oder internationalen Akteuren an und finanziert diese ausschliesslich über private Spenden.
*Alle Namen wurden geändert.