Gaza: Tausende durch Militäroffensive in Rafah zur Flucht gezwungen

 Vertriebene Palästinenser:innen verlassen nach dem Evakuierungsbefehl der israelischen Armee am 6. Mai Rafah im südlichen Gazastreifen.

Palästinensische Autonomiegebiete3 Min.

Tausende Menschen sind durch den israelischen Evakuierungsbefehl zur Flucht aus dem östlichen Rafah gezwungen. Die Offensive der israelischen Streitkräfte und deren Übernahme der Kontrolle über den Grenzübergang unterbrechen lebensrettende Hilfslieferungen in den Gazastreifen, kritisiert Ärzte ohne Grenzen / Médecins Sans Frontières (MSF). Die Organisation fordert den Schutz der Zivilbevölkerung und die Wiedereröffnung des Grenzübergangs Rafah.

Die Schliessung dieses wichtigen Zugangs zum Gazastreifen gefährdet die humanitäre Hilfe, da die Vorräte an Nahrungsmitteln, Medikamenten, Wasser und Treibstoff auf ein extrem geringes Mass zurückgegangen sind und die Menschen inmitten der erneuten Kämpfe festsitzen. 

«Der Grenzübergang in Rafah ist ein lebenswichtiger humanitärer Zugangspunkt. Seine Schliessung hat verheerende Auswirkungen. Die Hilfe, die über diesen Grenzübergang kommt, ist eine Lebensader für den gesamten Gazastreifen», sagt Aurelie Godard, Medizinische Teamleiterin von Ärzte ohne Grenzen im Gazastreifen. «Nach sieben Monaten Krieg, der 1,7 Millionen Menschen zur Flucht gezwungen hat, verschlimmert die Schliessung des Grenzübergangs die ohnehin katastrophalen Lebensbedingungen der eingeschlossenen Menschen im Gazastreifen noch weiter.»

Am 6. Mai hatten die israelischen Streitkräfte die Evakuierung von 100 000 Menschen östlich von Rafah nach Al-Mawasi angeordnet. Es handelt sich dabei um eine Zone zwischen dem Westen von Rafah und Chan Junis. In Al-Mawasi sind Unterkünfte und Ressourcen ebenfalls äusserst knapp. Rafah war zuvor von den israelischen Streitkräften als sichere Zone für Zivilist:innen ausgewiesen worden. «Die Menschen werden erneut zur Flucht gezwungen und ziehen von behelfsmässigen Zelten zu einem anderen Ort ohne angemessene Unterkünfte, Nahrung, Wasser und medizinische Versorgung», sagt Godard. «Sie laufen Gefahr, weiter in die Tiefen einer humanitären Katastrophe abzurutschen, die bereits albtraumhafte Ausmasse angenommen hat.»

Durch die Offensive und den Evakuierungsbefehl wird der Zugang zur medizinischen Versorgung in einem zusammengebrochenen Gesundheitssystem weiter eingeschränkt. Den Menschen bleiben kaum Möglichkeiten, auch nur eine medizinische Grundversorgung zu erhalten.

Anfang dieser Woche mussten Personal und Patient:innen aus dem Al-Najjar-Spital evakuiert werden. Auch das Europäische Gaza Spital ist nicht mehr zugänglich. Während Ärzte ohne Grenzen weiter im Indonesischen Spital in Rafah tätig ist, haben die Teams damit begonnen, Patient:innen zu entlassen, bei denen dies möglich ist. Zudem musste die Organisation ihre Aktivitäten in der Al-Schabura-Klinik bis auf weiteres einstellen.

«Die Aktivitäten in einer Gesundheitseinrichtung aussetzen zu müssen, in dem unsere Teams allein im April 8 269 Konsultationen durchführten oder allein vergangene Woche 344 Verbände anlegten, ist katastrophal», sagt Paulo Milanesio, Notfallkoordinator von Ärzte ohne Grenzen in Rafah.

«Wo sollen schwangere Frauen, Kinder und Menschen mit chronischen Krankheiten auf einer kleinen Fläche wie dem Gazastreifen Hilfe suchen und sich weiter behandeln lassen? Nicht zu vergessen sind die Auswirkungen auf die psychische Gesundheit», sagt Milanesio.

Ärzte ohne Grenzen übergibt ausserdem seine Aktivitäten im Al-Emirati-Spital an das Gesundheitsministerium und verlegt sein Personal ins Nasser-Spital, um die Entbindungsstation in einem sichereren Gebiet weiter zu unterstützen.

«Damit mussten wir innerhalb von nur sieben Monaten nun elf Gesundheitseinrichtungen in Gaza verlassen. Dies verdeutlicht die Brutalität und Gesetzlosigkeit dieses Krieges», so Milanesio.