Covid-19: MSF startet bisher grössten Einsatz in Belgien

MSF eröffnete ein Zentrum für Menschen ohne Unterkunft, die positiv auf Corona getestet wurden. Dort können sie isoliert werden und erhalten medizinische Versorgung.

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Mit bisher etwas mehr als 1000 Todesfällen bei 11 Millionen Einwohner*innen liegt Belgien dicht hinter Italien und Spanien als eines der am stärksten von der Coronavirus-Pandemie betroffenen Länder. Wir unterstützen Spitäler bei der Infektionskontrolle und helfen in Alters- und Pflegeheimen sowie bei der Versorgung gefährdeter Gruppen wie Obdachlosen und Migranten.

Man könnte annehmen, dass Belgien, das ein sehr fortschrittliches Gesundheitssystem hat, keine externe Hilfe für die Bewältigung einer Gesundheitskrise benötigt. Aber trotz der vielen gut ausgestatteten Spitäler war Belgien – wie viele andere europäische Länder – auf den Ausbruch einer solchen Pandemie nicht gewappnet. Wir helfen deshalb dort, wo nun Versorgungslücken entstehen , und bringen unser Fachwissen ein.

MSF bringt Know-how im Umgang mit Epidemien ein

«Die Spitäler in Belgien brauchen uns nicht, um eine qualitativ hochwertige Versorgung zu gewährleisten», sagt Meinie Nicolai, Geschäftsführerin der belgischen Sektion von Ärzte ohne Grenzen. «Was wir hingegen einbringen, ist unser Fachwissen – gewonnen aus den Erfahrungen mit Krankheiten wie Cholera, Ebola oder der Pest – darüber, wie man ein Krankenhaus und die Patientenströme organisiert, um weitere Infektionen zu verhindern. Damit stellen wir sicher, dass die Menschen unter den bestmöglichen Bedingungen behandelt werden können.»

In zwei der am stärksten betroffenen Gebiete – Mons und Antwerpen – sind unsere Teams bereits in Spitälern im Einsatz. Im Universitätsspital in Mons helfen wir beispielsweise medizinisch und schulen das Gesundheitspersonal im Umgang mit persönlicher Schutzausrüstung – vor allem, wenn diese Mangelware ist. Ausserdem unterstützen wir die Massnahmen zur Infektionskontrolle. Wir helfen zum Beispiel dabei, Covid-19-Patienten innerhalb des Spitals besser von anderen Patienten zu trennen. Unser Team bietet auch psychologische Unterstützung für das medizinische Personal, das seit Wochen unter sehr schwierigen Umständen arbeiten muss.

Rasche Hilfe in besonders betroffenen Gebieten

«Schon als wir ankamen, gab es sehr viele Erkrankte, und täglich werden es mehr», sagt Stephan Goetghebuer, Covid-19-Koordinator von Ärzte ohne Grenzen in Mons. «Unsere Zusammenarbeit mit dem Spital funktioniert sehr gut. Wir hoffen, dass uns diese Erfahrung in einem stark vom Ausbruch betroffenen Spital ermöglichen wird, auch in anderen Krankenhäusern rasch zu helfen.» Unseren Ansatz wollen wir dokumentieren, damit er in anderen Einrichtungen wiederholt werden kann – auch ohne die direkte Unterstützung durch unsere Teams.

Schutz vor dem Coronavirus in Altersheimen

Das neuartige Coronavirus tötet unverhältnismässig viele ältere Menschen. Mehr als 93 Prozent der Menschen, die in Belgien an Covid-19 starben, waren über 65 Jahre alt. Da das medizinische Personal aufgrund der Überlastungssituation die Versorgung in Altersheimen aktuell nicht mehr überall abdecken kann, unterstützen wir mehr als 150 Heime in Brüssel mit mobilen Teams.

Die Teams testen die Bewohnerinnen und Bewohner dieser Heime auf das Coronavirus, isolieren die Infizierten so gut wie möglich und sorgen für eine optimale medizinische Versorgung, wenn keine regelmässigen Arztbesuche stattfinden können. Ausserdem unterstützen und schulen wir das Personal bei der Desinfektion potenziell kontaminierter Bereiche und bei der optimalen Verwendung von Schutzausrüstung, wenn diese knapp ist.

Unterstützung von besonders gefährdeten Gruppen

Obdachlosigkeit ist ein grosses Problem in Belgien. Das Coronavirus hat die Situation zusätzlich verschärft, da mehrere Zentren für Obdachlose und Menschen ohne geregelten Aufenthaltsstatus geschlossen wurden. Sich zu Hause zu isolieren, wie empfohlen wird, ist für diese Menschen nicht möglich. Deshalb haben wir unter anderem ein Zentrum für Menschen ohne Unterkunft, die positiv auf das Coronavirus getestet wurden, eröffnet. Hier werden sie medizinisch versorgt und können in ein Spital überwiesen werden, wenn sich ihre Symptome verstärken. Das Zentrum bietet Platz für 50 Betten und kann bei Bedarf auf 150 Betten erweitert werden.

Systematische Tests nötig

Insgesamt sind wir in Belgien mit 115 Mitarbeitenden im Einsatz gegen Covid-19 und stehen, wie das Gesundheitspersonal im ganzen Land, vor verschiedenen Herausforderungen. Dazu zählt etwa der Mangel an Schutzausrüstung wie Schutzkleidung und Masken. «Das medizinische Personal, das in Belgien an vorderster Front gegen das Coronavirus kämpft, sollte systematischer getestet werden, damit Spitäler und Kliniken nicht selbst zu Brennpunkten neuer Infektionen werden», betont Meinie Nicolai.

Nur wenn ausreichend und systematisch auf eine Infektion mit dem Coronavirus getestet wird, können wir Übertragungsketten unterbrechen und eine angemessene Versorgung sicherstellen.