Libanon, 03.02.201
Libanon, 03.02.2016
© Abbass Salman/MSF

Nichtübertragbare Krankheiten, eine der Hauptursachen für vorzeitige Todesfälle

In einer Krise treffen nichtübertragbare, chronische Krankheiten wie Diabetes, hoher Blutdruck oder Asthma die Schwächsten hart. Den Patienten beizustehen ist die Aufgabe von MSF, denn ohne Behandlung sind diese Leben in Gefahr.

Zu den nichtübertragbaren Krankheiten (engl. non-communicable deseases – NCD) gehören Herz-Kreislauf-Erkrankungen (hoher Blutdruck, Schilddrüsenunterfunktion), Diabetes Typ 1 und 2 und chronische Atemwegerkrankungen (Asthma, chronische obstruktive Lungenerkrankung), die sich weltweit stark auf die Sterblichkeit auswirken.

Tatsächlich sind NCD laut Angaben der Weltgesundheitsorganisation weltweit jährlich für 36 Millionen Todesfälle verantwortlich. 90 Prozent der vorzeitigen Todesfälle betreffen Länder mit mittlerem oder geringem Einkommen. 

NCD entwickeln sich oft langsam und werden in Krisengebieten selten frühzeitig diagnostiziert, weil der Zugang zu medizinischer Betreuung und somit zu Tests zur Früherkennung und Analyse fehlen. Oft kommen die Menschen erst zur Behandlung, wenn ihre Krankheit schon fortgeschritten ist, z.B. wenn Schädigungen der Nerven oder Blutgefässe auftreten, die dann zu Erblindung oder einer Amputation führen können.

NCD-Patienten leiden auch häufig unter zahlreichen Begleiterkrankungen, was die Einnahme mehrerer Medikamente erfordert und das Risiko für Komplikationen erhöht. Um irreversible Komplikationen zu verhindern, ist eine frühzeitige Behandlung besonders wichtig. Die Massnahmen, die unsere Teams ergreifen, hängen davon ab, wie stark eine Krankheit verbreitet ist, welche Folgen sie auf das Leben der Patienten hat und welche Behandlungsmöglichkeiten in der gegebenen Situation mit eingeschränkten Mitteln zur Verfügung stehen.

Ein innovativer Ansatz und eine ganzheitliche Betreuung

In der Bekaa-Ebene im Libanon leistet MSF medizinische Betreuung für syrische Geflüchtete und die einheimische Bevölkerung, darunter 9‘000 Patienten, die unter chronischen Krankheiten wie Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen usw. leiden.

Die Bevölkerungsprofile in unseren Einsätzen haben sich im Verlauf der Zeit ziemlich verändert. Für unsere Organisation sind ein innovativer Ansatz und eine ganzheitliche Betreuung deshalb sehr wichtig.

Micaela Serafini, Leiterin der medizinischen Abteilung von MSF

In den meisten Projekten werden NCD in den Zentren für primäre Gesundheit behandelt. Der Patient kommt in die Sprechstunde und der Arzt bestätigt die Diagnose durch die Untersuchung und eine Analyse. Anschliessend wird der Patient einmal pro Monat kontrolliert. Nach der Stabilisierung finden die Kontrolluntersuchungen in der Regel vierteljährlich statt. Die Ziele von MSF sind eine vereinfachte Diagnose und die Verfügbarkeit der wichtigsten Medikamente, die Übertragung gewisser Aufgaben von den Ärzten auf das Pflegepersonal bzw. von diesem auf die lokalen Gesundheitshelfer sowie der aktive Einbezug der Patienten und deren Umfeld in die Überwachung der Krankheit. Dazu sind neben der medizinischen Behandlung in der Sprechstunde die gleichzeitige Aufklärung und die Förderung des Bewusstseins für einen gesunden Lebensstil von grösster Bedeutung. In Kursen zur Gesundheitsförderung oder in individuellen Besprechungen lernen die Patienten, ihre Krankheit besser zu verstehen und warum es für sie so wichtig ist, Verantwortung zu übernehmen und die Behandlung einzuhalten. Sie lernen auch, wie man beispielsweise ein Blutzuckermessgerät, eine Insulinspritze oder einen Inhalator anwendet.

NCD sind Krankheiten, die lautlos töten. Wir haben es uns zur Aufgabe gemacht, diese zu bekämpfen und das damit verbundene Leid zu lindern. Die Betreuung in einem frühen Stadium der Krankheit kostet sehr viel weniger als eine Behandlung zu einem Zeitpunkt, wenn der Patient bereits Komplikationen aufweist. Mit einer regelmässigen Behandlung können Komplikationen vermieden oder verzögert und Leben gerettet werden.

Dr. Philippa Boulle, Expertin für nichtübertragbare Krankheiten bei MSF

Doch für Vertriebene oder Geflüchtete, die unter schwierigen Bedingungen in Zelten oder behelfsmässigen Behausungen leben, ist es eine tägliche Herausforderung, die Empfehlungen zu befolgen oder ihre Behandlung einzuhalten. Oft ist es schwierig, geeignete Lebensmittel zu finden, denn Kohlenhydrate (Brot, Reis, Kartoffeln) sind billiger und einfacher erhältlich als Früchte und Gemüse, die zu einem ausgewogenen Ernährungsplan gehören, wie er für Diabetiker oder Personen mit hohem Blutdruck empfohlen wäre.

Die Betreuung umfasst also auch die Schwierigkeiten und Einschränkungen der Patienten sowie ihre psychische Verfassung und die Behandlung von Traumata. Die psychische Gesundheit nimmt einen grossen Stellenwert ein, denn eine ängstliche oder depressive Person kann keine aktive Rolle in ihrer Behandlung übernehmen. Es ist deshalb von entscheidender Bedeutung, sich der Situation und vor allem auch der Kultur der Patienten anzupassen und die Vorgehensweise stets auf die Patienten auszurichten.