Fünf Gründe, warum uns die Schliessung des Lagers M’Poko interessieren sollte

À l’apogée de la crise, 100000 personnes vivaient dans ce camp. Ceux qui ne pouvaient trouver refuge parmi les ruines de vieux avions s’étaient rassemblés dans des entrepôts vides ou tout ce qui pouvait leur servir de toit.

Zentralafrikanische Republik4 Min.

Die schwere Krise, in der sich die Zentralafrikanische Republik seit langer Zeit befindet, hat wenig internationale Beachtung gefunden.

Einzige Ausnahme ist vielleicht ein Foto. Es zeigt Tausende Vertriebene, die in alten Flugzeugen, Lagerhallen oder aus Schrott gebauten Unterkünften lebten – und zwar direkt neben dem Rollfeld des internationalen Flughafens M’Poko in der Hauptstadt Bangui. Bis zu 100’000 Menschen flohen vor der Gewalt in das improvisierte Lager.
Nach drei Jahren wurde das Camp geschlossen, und die meisten der 20'000 Bewohner kehrten nach Hause zurück.
Doch bedeutet die Schliessung des Lagers wirklich eine Verbesserung der Lage im Land? Hier sind fünf Gründe, weshalb wir uns mit der Schliessung beschäftigen sollten:

Weil es nicht vorüber ist

Die Schliessung des M’Poko-Vertriebenenlagers ist eine gute Nachricht: Sie ist ein Zeichen für die Stabilisierung der Lage in der Zentralafrikanischen Republik. Allerdings ist sie vor allem symbolisch: Die Menschen kehren dorthin zurück, wo sie hergekommen sind, finden dort jedoch kaum etwas vor. Es herrschen prekäre Sicherheitsverhältnisse, es gibt so gut wie keine Infrastruktur, und viele Häuser sind zerstört. Ein Viertel der Bevölkerung ist immer noch auf der Flucht.
Das Lager sollte schon seit drei Jahren geschlossen werden. Nach einem relativ ruhigen Jahr wohnten im September 2015 beispielsweise noch knapp 6’000 Menschen dort. Die Teams von MSF bereiteten sich darauf vor, die Aktivitäten im Lager einzustellen. Doch nur ein paar Tage vor dem geplanten Abzug flammte der Konflikt erneut auf. Wieder kamen Tausende in den relativ sicheren Flughafen und die Zahl der Behandlungen pro Tag stieg abrupt von 250 auf 400 an. In der Zentralafrikanischen Republik ist die Zukunft leider weiterhin sehr ungewiss.

Weil M’Poko zumindest für etwas Aufmerksamkeit sorgte

Die Bilder des M’Poko-Vertriebenenlagers haben bewirkt, dass erstmals mehr über die humanitäre Krise berichtet wurde. Die Vertriebenen waren buchstäblich das erste, was man bei der Ankunft im Land sah. Weil das Bereisen des Landes fast unmöglich war, wurde für Journalisten und ihre Leser weltweit vor allem der M’Poko-Flughafen zum Inbild der vergessenen Krise.
Heute ist das symbolträchtige Lager geschlossen. Jedoch sind die Probleme, mit denen das Land zu kämpfen hat, nicht einfach verschwunden. Die Hälfte der Bevölkerung ist weiterhin auf die Arbeit von Hilfsorganisationen angewiesen. Dabei erhielten weder das Lager noch das Land insgesamt internationale Hilfe in einem Masse, wie sie für andere Lager auf der Welt bereitgestellt wird. Nach wie vor steht die Situation in der Zentralafrikanischen Republik trotz der grossen Not ganz unten auf der internationalen Agenda – von den Militär-Ressourcen einmal abgesehen.

Weil es sich auch um eine internationale Angelegenheit handelte

Am 4. Dezember 2013 entschieden der UNO-Sicherheitsrat und Frankreich unabhängig voneinander, dass man dem brutalen Konflikt ein Ende setzen müsse. Nur einen Tag danach eskalierten die Kämpfe in Bangui und die Menschen begannen, sich auf dem M’Poko-Flughafen zu verschanzen. Sie erhofften sich Schutz durch die dort stationierten Truppen der Vereinten Nationen und Frankreichs. Der Ruf dieser internationalen Truppen ist jedoch stark durch Anschuldigungen des sexuellen Missbrauchs beschädigt, die bis heute nicht aufgeklärt wurden. Die grosse Not der Bevölkerung findet international kaum Beachtung. Kaum jemand ist bereit, zu helfen.

Weil die Situation im Lager nicht (nur) aussichtslos war

Unsere Teams waren von Anfang an im Lager aktiv und waren mit den Folgen furchtbarer Gewalttaten wie etwa Verstümmelungen konfrontiert. Die Lebensbedingungen dort waren für die Tausenden traumatisierten Menschen sehr schwierig. Trotz allem versuchten sie, ein Mindestmass an Würde zu erhalten.
Mehr als 5’800 Babys kamen in unserem Spital zur Welt. Im Lager konnten auch Menschen von Ausserhalb behandelt werden, die teilweise Stunden zu Fuss liefen, um uns zu erreichen. Nirgendwo sonst hatten sie Zugang zu kostenloser medizinischer Betreuung. Zuletzt kamen rund zwei Drittel unserer Patienten von Ausserhalb. Diese Menschen sind nun wieder abhängig vom schwachen öffentlichen Gesundheitssystem.

Weil Sie mit Ihrer Spende etwas Gutes bewirkt haben

Das M’Poko-Lager war ein besonderes Projekt für MSF. In nur wenigen Tagen haben unsere Teams ein provisorisches Spital mit 60 Betten errichtet – und das mitten in einem brutalen gewaltsamen Konflikt. Unsere Teams arbeiteten tausend Tage lang rund um die Uhr. Neben internationalen Mitarbeitenden gab es auch viele mutige einheimische Helferinnen und Helfer. Alle zentralafrikanischen Kollegen hatten mit ihren Familien immens unter dem Konflikt zu leiden, manche von ihnen hatten alles verloren und lebten selbst im Vertriebenenlager. Unsere Teams haben insgesamt 440’000 Sprechstunden abgehalten, 46’000 medizinische Eingriffe in der Notaufnahme und 11’000 Einweisungen in unser Spital durchgeführt.
All das wurde dank der Hilfe privater Spenderinnen und Spender weltweit möglich gemacht. Im Namen aller Patienten bedanken wir uns herzlich dafür!
Die Krise in der Zentralafrikanischen Republik ist nicht zu Ende. Ärzte ohne Grenzen liefert mit 17 Projekten weiterhin einen wichtigen Beitrag zur medizinischen Versorgung des Landes, unter anderem mit einem chirurgischen Programm und einer Geburtsklinik in Bangui.