Videounterstützte Behandlung zur Verbesserung der Therapietreue

19. Dezember 2018, Karasuu, Kirgisistan

Kirgisistan3 Min.

Die 33-jährige Aida* hat zwei Söhne im Alter von 6 und 10 Jahren. 2016 wurde bei ihr multiresistente Tuberkulose (MDR-TB) diagnostiziert. Nach einem viermonatigen Spitalaufenthalt wurde Aida in die ambulante Behandlung entlassen, die täglichen Fahrten mit dem öffentlichen Verkehr waren aufgrund der Nebenwirkungen der Medikamente jedoch sehr beschwerlich für sie. Als Alternative wurde Aida die videounterstützte Behandlung vorgeschlagen, damit sie nicht mehr täglich zur MSF-Klinik fahren musste. Nachdem sie knapp zwei Jahre gegen MDR-TB gekämpft hatte, erfuhr Aida am 28. November 2018, dass sie geheilt war. Neue Therapieformen wie videounterstützte Behandlungen sollen die Therapietreue der TB-Patientinnen und -Patienten verbessern.

«Die Behandlung gegen MDR-TB war mit extremen Nebenwirkungen verbunden. Es fühlte sich so an, als wollte mein Körper die Medikamente abstossen. Ich hatte Kopf- und Bauchschmerzen und musste mich oft übergeben. Nachdem ich in die ambulante Behandlung entlassen wurde, musste ich jeden Tag mit dem öffentlichen Verkehr zur direkt überwachten Medikamentenabgabe (DOT) fahren, wo ich meine Medikamente bekam.

Ich erkannte nicht einmal mehr mein eigenes Haus

Nach der DOT wurde mir im öffentlichen Verkehr manchmal schwindelig, ich erkannte bekannte Gesichter nicht und verlor meinen Orientierungssinn. Es kam vor, dass ich meine Haltestelle verpasste und nicht mehr wusste, wo ich war. Ich verlor langsam den Verstand. Ich erkannte nicht einmal mein eigenes Haus wieder.

Ich beschloss, mit der Behandlung aufzuhören. Ich teilte meinem Arzt mit, dass es so nicht gehe, dass ich das nicht jeden Tag durchmachen könne. Ich sagte ihm, dass ich lieber zu Hause in Frieden sterben wolle als in irgendeinem Zug oder Bus. Mein Arzt fragte mich, ob ich stattdessen die videounterstützte Behandlung ausprobieren wolle und ich willigte ein.

Ich beschloss, mit der Behandlung aufzuhören. Ich teilte meinem Arzt mit, dass es so nicht gehe, dass ich das nicht jeden Tag durchmachen könne. Ich sagte ihm, dass ich lieber zu Hause in Frieden sterben wolle [...].

Aida*, TB-Patientin
27. Februar 2017, Karasuu, Kirgisistan

Eine MSF-Ärztin und eine kirgisische Ärztin, die vom Gesundheitsministerium angestellt ist, betrachten die Röntgenaufnahmen eines TB-Patienten (rechts im Bild).

© Joosarang Lee/MSF

Die videounterstützte Behandlung

MSF gab mir ein Smartphone, auf dem WhatsApp installiert war. Die Medikamente erhielt ich wöchentlich von einer Pflegefachfrau. Jeden Tag rief ich sie per Videoanruf an und zeigte ihr, dass ich die Medikamente einnahm. Langsam fühlte ich mich besser. Ich musste nicht mehr jeden Tag aus dem Haus gehen und mit dem öffentlichen Verkehr zur Behandlung fahren. Ich nahm die Medikamente ein, ass ordentlich und ruhte mich danach etwas aus. 

Mit der videounterstützten Behandlung wurde es einfacher. Ich hatte zwar noch Nebenwirkungen von den Medikamenten, sie waren aber weniger stark. Und ich konnte besser mit ihnen umgehen. Ich fühlte mich endlich in der Lage, die Behandlung abzuschliessen. Ich sagte mir, dass ich gesund werden und die Krankheit besiegen müsse.

Mein neues Leben

Als mir mein Arzt mitteilte, dass ich geheilt war, weinte ich vor Freude. Als ich es meinen Kindern erzählte, waren sie so glücklich. Sie umarmten mich fest und sagten: ‹Endlich!› Jetzt, wo ich wieder gesund bin, bemühe ich mich, meine Kinder mehr zu unterstützen. Die Lehrerin meines Sohnes meinte, er habe sich sehr verändert. Sie fragte mich sogar, ob er Nachhilfestunden nehme. Ich kann jetzt meine Kinder besser unterstützen und mich mehr um sie kümmern.

Ich lege bei der Hausarbeit Hand an und versuche, eine bessere Mutter zu sein. Ich habe so viel verpasst, aber jetzt kann ich den Kindern bei den Hausaufgaben helfen – endlich kann ich etwas tun.

Jetzt, wo ich nicht mehr krank bin, habe ich viel vor. Als Erstes muss ich ganz gesund werden und mich über den Winter weiter erholen. Ich werde mich um meine Kinder kümmern, für sie da sein. Im Frühling werde ich anfangen zu arbeiten.»

* Der Name wurde zur Wahrung der Vertraulichkeit geändert.