Libanon: Chronische Krankheiten bedrohen Gesundheit syrischer Flüchtlinge

Maladies chroniques : Les réfugiés syriens vivant au Liban sont particulièrement exposés à ces «tueurs silencieux», car beaucoup n'ont pas accès aux soins de santé.

Libanon4 Min.

Chronische Krankheiten beginnen unbemerkt. Die Symptome zeigen sich oft erst nach Jahren. Bis sie sich bemerkbar machen, können sie lebensbedrohlich sein, wenn sie nicht behandelt werden. Syrische Flüchtlinge im Libanon sind von diesen Krankheiten besonders gefährdet. Wenn bei ihnen Bluthochdruck, Diabetes oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen festgestellt werden, kann es bereits zu spät sein. Andere wissen um ihre chronischen Krankheiten, können sich die Behandlung aber nicht leisten.

«Wir haben einen syrischen Patienten – einen 35-jährigen Mann – der seit seiner Kindheit Diabetes hat», berichtet der MSF-Arzt Marc Gerhard, der im Libanon in der Bekaa-Ebene arbeitet und dort syrischen Flüchtlingen kostenlose Gesundheitsversorgung anbietet. «Während vieler Jahre war sein Diabetes schlecht eingestellt. Mit dem Ergebnis, dass sein Fuss amputiert werden musste und seine Nieren versagten. Er brauchte dringend eine Dialyse, doch das Spital schickte ihn fort, weil er nicht in der Lage war, die Behandlung zu bezahlen. Als er in unserem Spital in Baalbek ankam, war sein Zustand sehr schlecht.»
Dr. Gerhard gibt zu, dass die Geschichte dieses Patienten dramatischer ist als die meisten anderen. «Die Mehrheit unserer Patienten befinden sich in einem stabilen Zustand – dank der regelmässigen Kontrolluntersuchungen, die sie in den vergangenen drei Jahren in unserer Klinik erhalten haben.»

Arztgebühren für Flüchtlinge kaum erschwinglich

Gegen 365'000 Flüchtlinge leben in der libanesischen Bekaa-Ebene, meist in zeltartigen Siedlungen ohne fliessendes Wasser oder Strom. Die medizinische Versorgung ist im Libanon grösstenteils privat und nur wenige Flüchtlinge können sich die Arztgebühren leisten, insbesondere für chronische Leiden, die eine längerfristige Behandlung erfordern.
Das Spital, in dem Dr. Gerhard tätig ist, ist eines von vier von MSF betriebenen Zentren, die in der Bekaa-Ebene kostenlos medizinische Grundversorgung und Schwangerschaftsbetreuung anbieten. «Etwas mehr als ein Viertel der Behandlungen betrifft Patienten mit chronischen Leiden», erklärt Dr. Gerard. Dazu gehören Asthma, Epilepsie, Schilddrüsenunterfunktion und chronisch obstruktive Lungenerkrankungen sowie Bluthochdruck, Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
Viele Patienten sind von mehreren chronischen Leiden betroffen. «Ich bin Diabetikerin und leide zugleich an Bluthochdruck», erzählt die fünfzigjährige Naema, die aus der syrischen Stadt Homs geflüchtet ist und jetzt im Dorf Duris in der Bekaa-Ebene lebt. Die letzten drei Jahre kam sie regelmässig zur Behandlung ins MFS-Spital in Baalbek. «Ich versuche, alle Termine wahrzunehmen, denn ohne Behandlung würde ich sterben», so Naema.

Gesunde Lebensmittel sind schwer erhältlich

Doch für die Syrerin ist es schwierig, die Empfehlungen des Arztes vollständig zu befolgen. Um gesund zu bleiben und ihre Krankheiten unter Kontrolle zu halten, muss sie sich gesund ernähren. Doch an die richtige Nahrung zu gelangen, ist kein einfaches Unterfangen. Die billigsten und am besten erhältlichen Nahrungsmittel sind Kohlenhydrate wie Brot, Reis und Kartoffeln, während Früchte, Gemüse und Fleisch im Vergleich dazu teuer sind. «Ich kann die Ratschläge zur Ernährung nicht immer befolgen», erzählt sie. «Manchmal sind die entsprechenden Nahrungsmittel nicht verfügbar oder ich kann sie mir nicht leisten. Also esse ich das, was ich bekomme.»
Für viele Flüchtlinge ist es schwierig, einen gesunden Lebensstil zu pflegen. «Sie leben in Zelten und allgemein unter sehr schwierigen Umständen», beschreibt Dr. Gerhard die Situation. «Zudem haben sie zahlreiche andere Sorgen und Probleme, die eigene Gesundheit rückt da manchmal in den Hintergrund.»

Das MSF-Team weiss darum. «Als Arzt sagen Sie Ihren Patienten unter normalen Umständen, dass sie die Kohlenhydratzufuhr begrenzen und sich bewegen sollen. Aber wie erklären wir das den Flüchtlingen?», fragt sich Dr. Gerhard. «Wir versuchen, ihnen zu sagen, dass sie nicht zu viele Kohlenhydrate essen und etwas Sport betreiben sollen, obwohl das schwierig ist für sie, da sie keine entsprechende Kleidung haben und oft nicht sehr motiviert sind, sportliche Aktivitäten aufzunehmen.»

Blutzuckermessgeräte für zu Hause

Die MSF-Teams tun, was sie können, um den Flüchtlingen die Behandlung zu erleichtern. Kürzlich begannen sie damit, Diabetes-Patienten in der Bekaa-Ebene mit Blutzuckermessgeräten auszustatten, damit diese ihre Blutzuckerwerte zu Hause messen können und dafür nicht ins Spital reisen müssen. Die Patienten halten ihre Messungen in einem Blutzuckertagebuch fest und beim nächsten Besuch im MSF-Spital kann der Arzt die Menge des benötigten Insulins anpassen.

Bei regelmässiger Behandlung sind chronische Krankheiten kontrollierbar und nicht lebensbedrohlich. Syrer im Libanon sehen sich mit einer Vielzahl von Problemen konfrontiert. Die MSF-Spitäler in der Bekaa-Ebene sorgen dafür, dass Flüchtlinge mit chronischen Krankheiten eine Sorge weniger haben.
MSF bietet im Libanon in 13 Spitälern medizinische Grundversorgung an und betreibt drei Mutter-Kind-Zentren. Die MSF-Teams in der Bekaa-Ebene führen pro Monat rund 11'000 ambulante Konsultationen durch.