Diese Familie ist gerade 20 Kilometer von der sudanesischen Grenze in Jerbana angekommen. Ihr gesamtes Hab und Gut transportieren sie auf einem Eselskarren. Die meisten Geflüchteten, die die Grenze zum Südsudan überqueren nutzen dieses Transportmittel.
i
Diese Familie ist gerade 20 Kilometer von der sudanesischen Grenze in Jerbana angekommen. Ihr gesamtes Hab und Gut transportieren sie auf einem Eselskarren. Die meisten Geflüchteten, die die Grenze zum Südsudan überqueren nutzen dieses Transportmittel.
© Diego Menjíbar

Südsudan: Eskalierende Gewalt und ein Gesundheitssystem vor dem Kollaps

Ein neuer Bericht von Ärzte ohne Grenzen zeigt die katastrophale Lage im Land. Während die Gewalt im Südsudan einen neuen Höchststand erreicht, bleiben internationale Hilfen für die Bevölkerung zunehmend aus. Die Folgen sind verheerend. Der heute vorgestellte Bericht Left Behind in Crisis: Escalating Violence and Healthcare Collapse in South Sudan beruht auf medizinischen Daten aus den Projekten von Ärzte ohne Grenzen / Médecins Sans Frontières (MSF) sowie auf Augenzeugenberichten aus den Monaten September bis November 2025. Er zeigt: Die humanitäre und medizinische Lage hat sich 2025 noch einmal deutlich verschlechtert.

Die Gewalt der bewaffneten Gruppen im Land hat dieses Jahr das höchste Ausmass seit 2018 erreicht – dem Jahr, in dem die Konfliktparteien einen Friedensvertrag unterzeichneten. Laut den Vereinten Nationen sind seit Januar 320'000 Menschen vor der Gewalt im Land geflohen, 2000 Menschen starben. Unter den Verletzten, die von den Teams von Ärzte ohne Grenzen behandelt wurden, waren immer wieder Frauen und Kinder mit Schusswunden.

Die Gewalt richtet sich auch gegen medizinische Einrichtungen. 2025 erlebten die Teams von Ärzte ohne Grenzen acht Angriffe auf Einrichtungen sowie Mitarbeitende und musste deshalb die Spitäler in Ulang und Old Fangak verlassen. Zuletzt trafen am 3. Dezember Luftangriffe über Pieri Town im Bundesstaat Jonglei eine Einrichtung von Ärzte ohne Grenzen. Für die Bevölkerung wird es immer schwieriger, medizinische Hilfe zu bekommen:

Das Gesundheitssystem im Südsudan steht vor dem Kollaps. Überall, wo Ärzte ohne Grenzen arbeitet, beobachten wir enorme medizinische Versorgungslücken. Gesundheitseinrichtungen sind entweder gar nicht funktionstüchtig oder es fehlt massiv an Personal und Ausrüstung. In der Folge sterben Menschen an vermeidbaren oder leicht behandelbaren Krankheiten

Sigrid Lamberg, Landeskoordinatorin von Ärzte ohne Grenzen im Südsudan

Durch Mangelernährung sind viele Menschen geschwächt. Insbesondere für Kinder steigt durch die schlechte Ernährungslage die Gefahr, an Infektionskrankheiten zu sterben. Gleichzeitig haben Überschwemmungen – bedingt und verstärkt durch den Klimawandel – die ohnehin schwierige humanitäre Lage verschärft und zum schlimmsten Cholera-Ausbruch in der Geschichte des Landes beigetragen.

Darüber hinaus bleibt Malaria eines der grössten Gesundheitsrisiken im Land. Zwischen Januar und September haben Teams von Ärzte ohne Grenzen im Südsudan 6680 Menschen behandelt, die mit schwerer Malaria stationär aufgenommen werden mussten.

Obwohl es eine massive Aufstockung internationaler Hilfen bräuchte, fahren viele Geber ihre Unterstützung zurück – darunter die USA. Sie hatten 2024 noch über die Hälfte (55 Prozent) der humanitären Hilfe für den Südsudan finanziert und Anfang 2025 angekündigt, fast alle Hilfsprojekte auszusetzen.

Unser Spital in Old Fangak im Südsudan, nach dem gezielten Bombenangriff am 3. Mai 2025.

Unser Spital in Old Fangak im Südsudan, nach dem gezielten Bombenangriff am 3. Mai 2025.

© MSF

Auch im medizinischen Bereich gab es harte Einschnitte, etwa bei dem sehr wichtigen Health Sector Transformation Project. Es wird von der südsudanesischen Regierung gemeinsam mit der WHO, UNICEF und anderen Partnern geführt und sollte ursprünglich mehr als 1150 Gesundheitseinrichtungen im Land unterstützen. Inzwischen reichen die Mittel nur noch für etwas mehr als 800 Einrichtungen und auch ihnen fehlt es an Personal und Medikamenten.

Ärzte ohne Grenzen fordert die internationalen Geber auf, ihre Unterstützung für den Südsudan aufzustocken, statt zu kürzen. Besonders dringend braucht es jetzt Lieferungen lebenswichtiger Medikamente und weiterer Hilfsgüter. Gleichzeitig sollten internationale Zusagen – etwa für das Health Sector Tranformation Project – eingelöst werden. Hiervon ist man bisher weit entfernt.

Die Regierung des Südsudan sollte der Abuja-Erklärung entsprechend ihr nationales Gesundheitsbudget auf 15 Prozent der Steuerreinnahmen erhöhen. Derzeit fliessen nur 1.3 Prozent in das Gesundheitswesen. 

Was die Menschen brauchen, ist Unterstützung vor Ort, nicht auf dem Papier. Die Lage ist katastrophal. Sie erfordert koordiniertes Handeln und echte internationale Solidarität. Die Welt darf nicht wegsehen, besonders jetzt nicht.

Sigrid Lamberg, Landeskoordinatorin von Ärzte ohne Grenzen im Südsudan

 

Der 32-jährige Arual Manyok und seine dreijährige Tochter Adit Ayuel, die eine Malariabehandlung (MDA) erhalten haben, unterhalten sich mit unseren Mitarbeitenden vor ihrem Tukul.

Der 32-jährige Arual Manyok und seine dreijährige Tochter Adit Ayuel, die eine Malariabehandlung (MDA) erhalten haben, unterhalten sich mit unseren Mitarbeitenden vor ihrem Tukul. «Wenn man die Situation vor und nach der Malariamedikamentenverteilung vergleicht, ist der Unterschied enorm. Alle Kinder, die das Medikament erhalten haben, sind nicht mehr erkrankt. Nur die Kinder, die das Medikament nicht erhalten haben, werden krank», erklärt Arual.

© Paula Casado Aguirregabiria/MSF