Zentralafrikanische Republik: Auf eine Krise folgt die nächste

José Antonio Bastos

4 Min.

MSF fordert eine stärkere Beteiligung der UNO und von NGOs, um die dringendsten Bedürfnisse der Bevölkerung abzudecken. In der Vergangenheit eingegangene Verpflichtungen, dem Land zu helfen, sollen jetzt wahrgenommen werden.

Jose Antonio Bastos, Präsident von MSF Spanien, ist gerade von einem Besuch in der Zentralafrikanischen Republik, einem der ärmsten Länder der Welt, zurückgekehrt. Dort wurde im März durch einen Staatsstreich der oppositionellen Koalition Séléka die Regierung von François Bozizé verdrängt. Nicht nur die Medien, sondern auch die internationale Gemeinschaft scheinen das Land bereits wieder vergessen zu haben. Dies, obschon sich während der Zeit des Umbruchs der ohnehin problematische Zustand des Landes wegen Raubüberfällen, Plünderungen und Kämpfen weiter verschlechtert hat.

Wie hast du die Hauptstadt Bangui diesmal erlebt?

Ich war zuvor im Jahr 2011 dort. Bangui erschien mir damals eine arme, träge Stadt. Jetzt herrscht ein Klima der Angst. Das Bild ist geprägt von schwer bewaffneten jungen Männern, die in Lastwagen auf den Strassen patrouillieren. Die Situation ist immer noch sehr unberechenbar, und niemand kann vorhersagen, was in der nahen Zukunft passieren wird.

Was war der Grund für deinen Besuch?

Ich war dort, um die neue Séléka-Regierung zu treffen und unsere Erfahrungen mit anderen humanitären Akteuren zu teilen. Ich hatte unter anderem die Chance, den neuen Gesundheitsminister, den Innenminister und Michael Djotodia, den neuen Präsidenten der Übergangsregierung, zu treffen. Wir haben unsere Besorgnis über die massiven Plünderungen ausgedrückt, die alle humanitären Organisationen und NGOs betreffen. Wir sprachen auch über die Unsicherheit, die einige unserer Teams zur Evakuierung von Projekten zwang, sowie über die Angriffe gegen das Gesundheitswesen. Aber unser Hauptanliegen gilt der Bevölkerung, die schon vor dem Staatsstreich sehr verletzlich war.

Was sind die Befürchtungen von MSF in Bezug auf die Bevölkerung?

Wir haben erlebt, wie Menschen vertrieben wurden oder fluchtartig ihre Dörfer verliessen, um sich im Busch zu verstecken, wo sie den Moskitos ausgesetzt waren. Mit der beginnenden Regenzeit erwarten wir daher Höchstwerte bei den Malaria-Fällen. Viele Patienten mussten ihre HIV- oder Tuberkulose-Therapie unterbrechen, was sehr gefährlich ist. Vermeidbare Krankheiten wie Masern sind in einem Land mit sehr niedrigen Impfraten ebenfalls Anlass zur Sorge. Die Menschen waren nicht in der Lage, sich um ihre Ernten zu kümmern, weil sie Angst hatten, auf ihre Felder zu gehen. Saatgut, Lebensmittelvorräte und Arbeitswerkzeuge wurden geplündert, so dass wir auch eine Nahrungsmittelknappheit und zunehmende Mangelernährung befürchten. Wir sprechen hier von einer Krise, die die bereits bestehende Krisensituation noch weiter verschärft, denn die Zentralafrikanische Republik war bereits vor dem politischen Umbruch in einer prekären Situation. Die Lebenserwartung liegt bei nur 48 Jahren, die Malaria ist weit verbreitet, die Sterblichkeitsraten liegen deutlich über dem Wert, ab dem man von einer Notfallsituation spricht, und das Gesundheitssystem ist in der Regel sehr schlecht.

Wie kommen die Teams von MSF mit der Situation zurecht?

Ich bin sehr beeindruckt von den Teams. In Bangui mussten einige unserer Mitarbeiter die Projekte in Kabo und Batangafo im Norden aufgrund von Sicherheitsvorfällen evakuieren. Obwohl sie noch unter Schock waren, war ihr einziger Gedanke, so schnell wie möglich zurückzukehren (was sie mittlerweile gemacht haben). Denn die beiden Projekte decken ein Gebiet mit mehr als 130’000 Menschen ab, die nach dem Abzug von MSF ohne fachärztliche Versorgung waren.
Als Anfang Jahr die politischen Unruhen ausbrachen, hat MSF sofort begonnen, die Aktivitäten aufzustocken: Wir eröffneten Notfallprojekte in Damara und Sibut, in der Nähe der Frontlinie. Zudem haben wir gerade ein weiteres Notfallprojekt in Bossangoa eröffnet und das örtliche Spital mit antiretroviralen Medikamenten versorgt. Im Gemeindespital in Bangui haben wir einen weiteren Operationssaal eingerichtet. Wir haben schwere Verluste erlitten, da unsere Fahrzeuge gestohlen und unsere Lager und Büros geplündert wurden, und wir haben die neue Regierung aufgefordert, Verantwortung für diese Verluste zu übernehmen. Wir sind fest entschlossen, zu unseren regulären Aktivitäten zurückzukehren und unsere Nothilfe auszuweiten.

Wie reagieren internationale Agenturen und andere humanitäre Akteure?

Von einigen Ausnahmen abgesehen ist die Reaktion entmutigend. Die Plünderungen und die Unsicherheit haben einige UN-Organisationen und NGOs gezwungen, ihre Aktivitäten zu reduzieren. Es sieht nicht so aus, als ob sie jetzt, wo sie am dringendsten gebraucht werden, auf ihr bisheriges Niveau zurückkehren.
Wir appellieren an diejenigen Agenturen, die sich zuvor verpflichtet hatten, Medikamente gegen Malaria, HIV und Tuberkulose bereitzustellen, ihre Aktivitäten fortzusetzen, und wir fordern ein grösseres Engagement von NGOs und UN-Agenturen im Land, um angemessen auf die aktuelle Krise und die akuten Bedürfnisse der Bevölkerung zu reagieren. Auch frühere Zusagen von Gebern und der internationalen Gemeinschaft müssen in der Zentralafrikanischen Republik unbedingt eingehalten werden.

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