Fünf Jahre Malta-Deklaration und Libyen-Deal: Europäische Unterstützung für illegale Rückführungen von Geflüchteten muss enden

Libyen, 08.2021

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Vor fünf Jahren haben die EU und Italien entscheidende Migrationsabkommen beschlossen, die eine massive Unterstützung der libyschen Küstenwache vorsehen. Ärzte ohne Grenzen/Médecins Sans Frontières (MSF) fordert die EU-Institutionen auf, die illegale Rückführung von Geretteten nach Libyen zu stoppen.

«Als direkte Folge europäischer Hilfe hat die libysche Küstenwache in den vergangenen fünf Jahren Zehntausende Schutzsuchende völkerrechtswidrig nach Libyen zurückgezwungen», sagt Jana Ciernioch, Expertin für Flucht und Migration bei Ärzte ohne Grenzen. «Unsere Teams dort sehen täglich, wie die geretteten Menschen in Internierungslager gebracht werden, in denen sie Ausbeutung und Gewalt ausgesetzt sind. Der UN-Menschenrechtskommissar spricht in einem Bericht sogar von möglichen Verbrechen gegen die Menschlichkeit, denen Schutzsuchende in Libyen ausgesetzt sind.»

Am 2. Februar 2017 hat die italienische Regierung mit Unterstützung der EU ein Migrationsabkommen mit Libyen geschlossen, einen Tag später verabschiedete ein EU-Gipfel die «Malta-Deklaration». Beide Abkommen bilden die Grundlage für die Abschottungspolitik der EU im zentralen Mittelmeer. Italien hat seitdem 32,6 Millionen Euro für finanzielle und technische Hilfe, Militärschiffe und Ausrüstung für die libysche Küstenwache aufgewandt. 

Allein im Jahr 2021 hat die libysche Küstenwache in Folge der europäischen Unterstützung mehr als 32 000 Geflüchtete völkerrechtswidrig aus internationalen Gewässern nach Libyen zurückgebracht – dreimal so viele wie im Vorjahr. Die Schutzsuchenden werden dort willkürlich eingesperrt und sind systematischer Ausbeutung, Zwangsarbeit, Folter und sexueller Gewalt ausgesetzt. Ärzte ohne Grenzen und Seenotrettungsorganisationen haben auch immer wieder beobachtet, dass die libysche Küstenwache bei ihren Einsätzen Menschenleben gefährdet. Mehrere Personen sind dabei auch ums Leben gekommen. Mehr als 1500 Menschen sind 2021 im zentralen Mittelmeer ertrunken – ein alarmierender Anstieg von über 50 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.

Statt eine legale und sichere Alternative zur Fahrt über das Mittelmeer zu schaffen, haben die EU und Italien einen Deal mit Libyen geschlossen, der Libyen zu dem Ort macht, an dem Migrant:innen und Asylsuchende gefangen gehalten werden.

Juan Matias Gil, Landeskoordinator von Ärzte ohne Grenzen für Libyen und auf dem Mittelmeer

«Gleichzeitig finanzieren und unterstützen sie in Libyen ein System von Ausbeutung und Missbrauch. Wir fordern die italienische Regierung und die EU-Institutionen dringend auf, jegliche direkte und indirekte politische und materielle Unterstützung für ein System zu beenden, das Schutzsuchende nach Libyen zurückbringt und dort einsperrt.» 

Ärzte ohne Grenzen ist seit 2015 im zentralen Mittelmeer im Einsatz. Teams der Organisation haben auf insgesamt acht verschiedenen Schiffen, teilweise zusammen mit Partnerorganisationen, mehr als 80 000 Menschen aus Seenot gerettet. Aktuell betreibt die Organisation die «Geo Barents», die seit ihrem ersten Auslaufen im Mai 2021 1903 Menschen gerettet hat. Teams der Organisation leisten auch medizinische Hilfe für Geflüchtete und Migrant:innen in Libyen.