Demokratische Republik Kongo: Das symbolträchtige MSF-Spital Bon Marché schliesst seine Tore

Le service de pédiatrie a été le dernier à être transféré.

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Die Aktivitäten des Spitals, das 2003 inmitten schwerster kriegerischer Auseinandersetzungen in Bunia eröffnet wurde, sind den kongolesischen Behörden übergeben worden. Einzig die Betreuung von Opfern sexueller Gewalt wird noch weitergeführt.

Im Juni 2010 wurden die letzten Patienten des Spitals Bon Marché in das Hauptspital von Bunia verlegt, wo sich die Lage inzwischen wieder normalisiert hat. Dies wäre vor sieben Jahren noch undenkbar gewesen. Als MSF 2003 in der Stadt im Osten der Demokratischen Republik Kongo (DRK) ankam, tobte ein heftiger Bürgerkrieg zwischen den beiden lokalen Ethnien. Weil das städtische Spital von der einen Kriegspartei kontrolliert wurde,  blieb den Opfern der anderen Partei der Zugang verwehrt. Zudem wurden keinerlei chirurgische Behandlungen mehr durchgeführt.
Angesichts dieser Situation beschloss MSF, sich in einer neutralen Zone nahe dem Flughafen zu platzieren, wo bereits Flüchtlinge unter dem Schutz der UNO-Blauhelme ihr Lager aufgeschlagen hatten. Rasch wurde eine ehemalige Lagerhalle namens „au Bon Marché“ von den Ärzten zu einer Krankenstation umfunktioniert. Und so entstand das gleichnamige Spital.
„Wir wurden zu Brüdern“
„Ständig waren Schüsse zu hören, die Verletzten kamen von überall her und wir mussten alle am selben Ort unterbringen. Es gab Menschen, die ihren Namen änderten, um nicht erkannt zu werden. Im Spital lagen Angehörige beider Stämme nebeneinander. Wenn jemand nach der Anästhesie Wasser brauchte, musste er seinen Bettnachbar um Hilfe bitten. Wir wurden zu Brüdern!“ erinnert sich ein ehemaliger kongolesischer Mitarbeiter.
Zu den hektischsten Zeiten zählte Bon Marché 300 Betten und beschäftigte 400 Angestellte, wobei sowohl ausländisches als auch einheimisches Ärzte- und Pflegepersonal zusammenarbeitete. Das Spital war ein neutraler Ort, der unabhängig der ethnischen Zugehörigkeit allen zugänglich war. Im ersten Jahr wurden 1500 chirurgische Eingriffe durchgeführt. Nebst Kriegsverletzten befanden sich auch viele Kinder und Vergewaltigungsopfer unter den Patienten.
Schrittweise Übergabe der medizinischen Aktivitäten
Obwohl in Bunia seit 2004 wieder Ruhe eingekehrt ist, fällt es der kongolesischen Armee und der UN-Mission nicht leicht, die Kontrolle über den kriegsversehrten Distrikt Ituri zurück zu gewinnen. Die militärischen Operationen fordern weiterhin zahlreiche zivile Opfer. Während dieser Zeit dient Bon Marché als Ausgangspunkt für die MSF-Einsätze ausserhalb von Bunia. Das Spital konnte inzwischen um die Bereiche Pädiatrie, interne Medizin sowie Geburtshilfe erweitert werden. Zudem müssen immer weniger chirurgische Eingriffe aufgrund von Gewalteinflüssen durchgeführt werden.
Seit 2007 kann dank der verbesserten Sicherheitslage die Übergabe der Aktivitäten des Spitals an die lokalen Behörden ins Auge gefasst werden. Zur Gewährleistung des bestmöglichen Pflegestandards durch das Hauptspital von Bunia ist allerdings eine Übergangsphase von drei Jahren nötig. Während dieser Zeit wird das Personal der Gesundheitsbehörden von MSF unterstützend begleitet, um es auf einen möglichen Patientenansturm nach der Schliessung von Bon Marché vorzubereiten.
Die Pädiatrie ist die letzte Abteilung, die übergeben wird. MSF wird die im Spital von Bunia hospitalisierten Kinder jedoch noch bis Mitte 2011 weiter betreuen. Die Frauen- und Familienklinik wird auf dem Gelände des Spitals Bon Marché weitergeführt. Sie ist ein Zufluchtsort für Opfer sexueller Gewalt, deren Zahl immer noch sehr hoch ist. Die kongolesische Nichtregierungsorganisation SOFEPADI hat inzwischen die Leitung dieser Klinik übernommen und wird dabei von MSF unterstützt.
MSF weiterhin in den Distrikten Ituri, Haut-Uélé und Bas-Uélé tätig
„Trotz der Schliessung von Bon Marché bleibt MSF in Bunia und Ituri aktiv. Aufgrund der bevorstehenden Präsidentschaftswahlen 2011 ist diese Region alles andere als stabil“, betont Marc Poncin, Programmverantwortlicher in der DRK. MSF betreut Flüchtlinge rund um die Stadt Gety im Süden von Ituri, einer Region, in der es noch häufig zu Auseinandersetzungen zwischen Milizen und Regierungstruppen kommt.
In den weiter nördlich gelegenen Distrikten Haut-Uélé und Bas-Uélé betreut MSF seit Ende 2008 die Opfer der LRA (Lord Resistance Army). Der Terror der ugandischen Rebellenorganisation hat diese schwer zugängliche Region lahm gelegt. Der Bedarf an medizinischer Versorgung ist gross, doch der Zugang zu den Patienten bleibt schwierig. Das MSF-Programm zur Behandlung der Schlafkrankheit in dieser Region, das aufgrund der unsicheren Lage unterbrochen worden war, konnte 2010 wieder fortgesetzt werden.

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