Wir sind seit 20 Jahren in Gaza tätig. Unsere palästinensischen und internationalen Mitarbeitenden leisten medizinische Versorgung und unterstützen das Gesundheitssystem, das unter einem chronischen Mangel an Personal und Material leidet. Vor Kriegsausbruch behandelten unsere Teams in drei Spitälern und mehreren Kliniken insbesondere Menschen mit Verbrennungen und Traumata. Ausserdem betreiben wir seit 2018 ein Programm für rekonstruktive Chirurgie. Inzwischen ist unser Handlungsspielraum jedoch stark eingeschränkt.
Gaza: unsere Antworten auf Ihre Fragen
Häufig gestellte Fragen zu unserer Arbeit in Gaza und zu unserem Engagement für Unparteilichkeit und Neutralität.
Am 7. Oktober 2023 überfiel die Hamas Israel und verübte brutale Massaker an der Zivilbevölkerung. In den darauffolgenden Tagen bot Ärzte ohne Grenzen / Médecins Sans Frontières (MSF) den israelischen Spitälern ihre Unterstützung an, diese lehnten jedoch ab.
Israel reagierte mit massiven Luft- und Bodenangriffen auf den dicht besiedelten Gazastreifen. Grosse Teile der bewohnten Gebiete, vor allem im Norden und im Zentrum, wurden nahezu vollständig zerstört. Gleichzeitig riegelte Israel den Gazastreifen mit seinen rund zwei Millionen Einwohner:innen ab. Schon in den Jahren vor dem 7. Oktober waren 80 Prozent der Bevölkerung auf humanitäre Hilfe angewiesen, da Israel und Ägypten seit 2007 eine Blockade über Gaza verhängt hatten. Vom 2. März bis 20. Mai 2025 blockierte Israel sämtliche Hilfslieferungen in den Gazastreifen. Die Hilfen, die seither in den Gazastreifen gelassen werden, sind völlig unzureichend. Sie sollen lediglich den Anschein vermitteln, die Blockade sei beendet.
Ärzte ohne Grenzen hat den Krieg, der die Lebensgrundlagen in Gaza systematisch zerstört, umfassend dokumentiert.
Auf der Online-Plattform gazainsidethewar.com haben wir Informationen und Aussagen von Augenzeug:innen zusammengetragen, die unsere Teams zwischen dem 7. Oktober 2023 und dem 1. Februar 2025 gesammelt haben. Der Fokus liegt dabei auf den Angriffen auf das Gesundheitssystem und auf die humanitären Einsatzkräfte.
Letzte Aktualisierung: 18. August 2025
Da unsere Teams bereits vor Ort waren, konnten wir unmittelbar nach Beginn der israelischen Offensive am 7. Oktober Hilfe leisten. Wir stellten medizinisches Material bereit, behandelten weiterhin so gut es ging Menschen mit Verbrennungen und Traumata, führten unser Programm für rekonstruktive Chirurgie fort und boten den überlasteten Spitälern in Gaza unsere Unterstützung an. Aufgrund der intensiven israelischen Luftangriffe konnten sich unsere Teams allerdings schon bald kaum mehr frei bewegen und somit auch die Bedürfnisse vor Ort nicht ermitteln oder gezielt Hilfe leisten. In den folgenden Monaten haben wir immer wieder auf den Verlauf der Gefechte, die Angriffe auf Gesundheitseinrichtungen und den Hilfsbedarf der Bevölkerung reagiert und unsere Einsätze angepasst.
Mehr als 1000 palästinensische Kolleg:innen arbeiten weiterhin im Rahmen unserer Projekte im Gazastreifen. Ausserdem sind im Schnitt rund 30 internationale Mitarbeitende vor Ort, die medizinische Hilfe leisten.
Unsere Entscheidung, die Situation im Gazastreifen als Genozid zu bezeichnen, ist wohlüberlegt und stützt sich auf die Beobachtungen, die unsere Mitarbeitenden vor Ort seit knapp zwei Jahren machen, und die Informationen, die sie in dieser Zeit gesammelt haben.
Unsere Teams erleben unmittelbar, wie die israelische Armee und Regierung gezielt und systematisch die Lebensgrundlagen der Bevölkerung in Gaza zerstören. Dazu gehören die politisch motivierte Blockade humanitärer Hilfe, durch die die Bevölkerung von Lebensmitteln, Wasser, Medikamenten und anderen Hilfsgütern abgeschnitten ist, das Aushungern der Bevölkerung als Mittel kollektiver Bestrafung, die Angriffe auf Gesundheitseinrichtungen, Zivilpersonen und lebenswichtige zivile Infrastruktur, Zwangsvertreibungen innerhalb des Gazastreifens sowie die politische und militärische Instrumentalisierung humanitärer Hilfe durch die Gaza Humanitarian Foundation (GHF). Niemand wird verschont. An den Verteilzentren der GHF werden Palästinenser:innen angegriffen. Das ist die Realität in Gaza, die unsere Teams Tag für Tag dokumentieren. All dies lässt nur einen logischen Schluss zu: Israel will die palästinensische Bevölkerung in Gaza vernichten. Wir sehen es als unsere moralische und humanitäre Pflicht an, klar und unmissverständlich Stellung zu beziehen. Deshalb sagen wir: Was in Gaza geschieht, ist ein Genozid.
Die humanitäre Lage in Gaza ist katastrophal: über 61 000 Menschen wurden getötet, 150 000 verletzt und nahezu 90 Prozent der Spitäler sind zerstört. Es ist das erste Mal, dass wir solch ein schweres Ausmass an Mangelernährung in Gaza erleben. Diese Hungersnot ist beabsichtigt. Sie könnte beendet werden, wenn die israelischen Behörden umfangreiche Hilfslieferungen zulassen würden.
Neutralität darf angesichts eines Genozids nicht als Vorwand dienen. Schweigen tötet. Untätigkeit ist keine Option. Ärzte ohne Grenzen fordert daher die Schweiz auf, mit allen ihr zur Verfügung stehenden politischen, diplomatischen und wirtschaftlichen Mittel Druck auf die israelische Regierung auszuüben.
Wir appellieren an die Menschen, unseren öffentlichen Aufruf zu unterzeichnen.
Unsere Forderungen:
- Der Genozid in Gaza muss aufhören!
- Wasser, Lebensmittel, Unterkünfte und medizinisches Material müssen in grossem Umfang in die Region gelangen!
- Patient:innen, medizinisches Personal und Gesundheitseinrichtungen müssen geschützt werden!
- Medizinische Evakuierungen aus dem Gazastreifen müssen ermöglicht werden!
- Ein dauerhafter Waffenstillstand muss umgehend in Kraft treten!
Am 5. Juni 2025 hatten wir den Bundesrat bei einer Aktion in Genf bereits zum Handeln aufgefordert. Humanitäre Hilfe darf nicht instrumentalisiert werden, sondern muss unparteiisch erfolgen. Angesichts der Dringlichkeit der Situation und als Depositarstaat der Genfer Konventionen trägt die Schweiz hierfür Verantwortung und muss entschieden handeln.
Unser Aufruf ist eine Reaktion auf die dramatische Lage in Gaza. Seit dem 7. Oktober 2023 arbeiten unsere medizinischen Teams in Gaza unermüdlich unter extremen Bedingungen. Wir leisten Hilfe, dokumentieren das Geschehen und müssen dabei mitansehen, wie Zivilpersonen und Spitäler angegriffen werden und die humanitäre Hilfe blockiert wird. Mittlerweile sind alle Grenzen überschritten. Am 5. Juni 2025 haben wir daher mit über 150 Mitarbeitenden auf dem Place des Nations in Genf in einer symbolischen Aktion eine rote Linie gebildet, um den Verstoss gegen das humanitäre Völkerrecht in Gaza anzuprangern. Wir wollten damit ein Zeichen setzen gegen die zunehmende Instrumentalisierung humanitärer Hilfe und gegen die Untätigkeit der Schweizer Regierung angesichts dieser Katastrophe. Wir haben Bundesrat Ignazio Cassis dazu eingeladen, sich mit unseren Teams vor Ort über das auszutauschen, was sie täglich in Gaza erleben, und zwar jenseits von Zahlen und politischen Kontroversen.
Das humanitäre Völkerrecht hat seinen Ursprung in der Schweiz. Die erste Genfer Konvention wurde 1864 unterzeichnet. Alle Vertragsstaaten sind verpflichtet, die Genfer Konventionen einzuhalten, und die Schweiz trägt hierfür als Depositarstaat eine besondere Verantwortung.
Wir arbeiten neutral und unparteiisch, das heisst wir unterstützen Menschen abhängig von ihrem Hilfsbedarf und ungeachtet ihrer ethnischen Herkunft, ihres Geschlechts, ihrer religiösen oder politischen Überzeugung. Neutralität bedeutet jedoch nicht, dass wir bei Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder Genozid schweigen. Die Berichterstattung ist Teil unseres sozialen Auftrags.
Unsere Mitarbeitenden im Gazastreifen berichten seit 22 Monaten über die massive Gewalt, systematische Zerstörung, Zwangsvertreibungen und die völlige Missachtung des Lebens der Zivilbevölkerung. Zwölf unserer Kolleg:innen wurden getötet. Israels Kriegsführung kommt einer kollektiven Bestrafung gleich und ist ein klarer Verstoss gegen das humanitäre Völkerrecht. Zu schweigen hiesse, sich mitschuldig zu machen.
Wir arbeiten im Gazastreifen, wie in all unseren Einsatzgebieten, mit dem Gesundheitsministerium zusammen. Um in Konfliktgebieten medizinische Hilfe leisten zu können, müssen wir unsere Aktivitäten mit den lokalen Behörden – unabhängig von deren politischer Zugehörigkeit – koordinieren. Nur so können wir den Zugang zu Patient:innen und Gesundheitseinrichtungen sicherstellen.
Dabei wahren wir strikte Neutralität. Das bedeutet, dass wir im Gazastreifen sowohl mit der von der Hamas geführten Zivilverwaltung als auch mit den israelischen Behörden in Kontakt stehen. Wir sind in über 70 Ländern tätig und stehen in den Konfliktgebieten mit allen involvierten Parteien im Austausch, um die Sicherheit unserer Teams und Patient:innen zu gewährleisten.
Als humanitäre Hilfsorganisation verurteilen wir jede Form von Gewalt gegen Zivilpersonen – unabhängig davon, wer sie verübt. Unser Mitgefühl gilt gleichermassen allen Menschen, deren Angehörige am 7. Oktober 2023 als Geiseln genommen wurden, und allen Menschen, deren Angehörige in Gaza und dem Westjordanland willkürlich festgenommen und gefangen gehalten werden.
Am 18. Oktober 2023 hat Ärzte ohne Grenzen gemeinsam mit anderen Organisationen eine Petition für einen sofortigen Waffenstillstand in Gaza und die Freilassung der Geiseln unterzeichnet. Seither haben wir mehrfach öffentlich die Freilassung aller Geiseln gefordert und an alle Konfliktparteien appelliert, Zivilpersonen zu verschonen und das humanitäre Völkerrecht einzuhalten. Diese Position vertreten wir in unseren öffentlichen Stellungnahmen, Medienbeiträgen und Gesprächen mit politischen sowie diplomatischen Akteuren (MSF Briefing).
Nach dem Massaker der Hamas vom 7. Oktober 2023 haben wir den israelischen Behörden mehrfach unsere Hilfe angeboten. Bei seinem Besuch in Tel Aviv im April 2024 schlug unser Generalsekretär erneut die Unterstützung von Ärzte ohne Grenzen vor, die jedoch wieder abgelehnt wurde.
Als neutrale und unparteiische medizinische Organisation beteiligen wir uns nicht an Verhandlungen zur Freilassung von Geiseln. Das ist die Aufgabe des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz und des Roten Halbmonds. Unser Auftrag ist es, Zivilpersonen zu schützen und Menschen in Not medizinisch zu versorgen.
Die israelischen Behörden setzen Hunger in Gaza gezielt als Kriegswaffe ein – mit dramatischen Folgen. Sowohl Patient:innen als auch medizinisches Personal leiden unter Nahrungsmangel. Unsere Teams versuchen verzweifelt, immer mehr mangelernährte Patient:innen zu behandeln, während sie selbst kaum genug zu essen haben. Im September 2024 waren gemäss IPC, dem internationalen Standard zur Überwachung von Ernährungsunsicherheit, bereits 96 Prozent der 2,3 Millionen Menschen in Gaza von akuter Nahrungsmittelunsicherheit betroffen. Im IPC-Bericht vom 12. Mai 2025 heisst es, dass die gesamte Bevölkerung unter hoher akuter Ernährungsunsicherheit leidet, rund eine halbe Million Menschen (jede fünfte Person) sogar unter Hungersnot. Seit Mitte Juni steigt die Zahl der mangelernährten Patient:innen in unseren Kliniken deutlich an. Am 29. Juli waren laut IPC in weiten Teilen des Gazastreifens zwei Hungersnot-Schwellen überschritten: katastrophale Ernährungsunsicherheit und akute Mangelernährung bei Kindern. Besonders gravierend ist die Lage in der Stadt Gaza.
Nach anderthalb Jahren Krieg sind die Lebensgrundlagen der Bevölkerung und das Gesundheitssystem weitgehend zerstört. Die medizinischen und humanitären Bedürfnisse sind enorm. Übertragbare Krankheiten, besonders Hautkrankheiten, breiten sich aus. Durch die Bombardierungen tragen die Menschen traumatische Verletzungen und Verbrennungen davon. Bislang wurden über 118 000 Menschen verwundet. Der Mangel an lebenswichtigen Gütern wie Nahrungsmittel, Wasser und Medikamente führt zu einer hohen Zahl gesundheitlicher Komplikationen und Todesfällen. Die Hilfen, die seit Ende Mai 2025 in den Gazastreifen gelassen werden, sind völlig unzureichend. Sie sollen lediglich den Anschein vermitteln, die Blockade sei beendet.
Die israelischen Streitkräfte genehmigen nur wenige medizinische Evakuierungen nach willkürlichen Kriterien. Viele Verletzte und schwer Erkrankte, etwa Krebspatient:innen, die auf spezialisierte Behandlungen angewiesen sind, müssten dringend evakuiert werden. In den vergangenen Monaten konnten wir lediglich ein Dutzend Patient:innen nach Amman in Jordanien verlegen, wo sie von unseren Teams operiert, physiotherapeutisch betreut und psychologisch unterstützt wurden. Derzeit warten rund 12 000 Menschen auf eine medizinische Evakuierung. Wir appellieren an Israel, die Angriffe auf das Gesundheitssystem in Gaza zu beenden und medizinische Evakuierungen aller lebensbedrohlich verletzten oder erkrankten Menschen, einschliesslich Begleitpersonen, zu ermöglichen. Wir fordern auch andere Staaten auf, Patient:innen aufzunehmen, ihre Behandlung sicherzustellen und eine sichere, freiwillige und würdevolle Rückkehr der Patient:innen und ihrer Begleitpersonen nach Gaza zu gewährleisten.
Unsere medizinischen Daten und Beobachtungen aus zwei Kliniken in Gaza und die Aussagen von Patient:innen deuten darauf hin, dass israelische Streitkräfte und privates US-amerikanisches Sicherheitspersonal an den Verteilstellen der Gaza Humanitarian Foundation (GHF) gezielt Gewalt gegen hungernde Palästinenser:innen verübt haben. Wir fordern die sofortige Auflösung des GHF-Verteilsystems und die Rückkehr zum von den Vereinten Nationen koordinierten Hilfsmechanismus. Die Regierungen, besonders die USA, sowie private Geldgeber:innen müssen jegliche finanzielle und politische Unterstützung für die GHF einstellen. Deren Verteilstellen sind tödliche Fallen. In unserem Bericht «This is not aid. This is orchestrated killing.» zeigen wir auf, dass es sich dabei nachweislich um ein institutionalisiertes System des Aushungerns und der Entmenschlichung handelt.
Als Depositarstaat der Genfer Konventionen spielt die Schweiz eine zentrale Rolle bei der Förderung des humanitären Völkerrechts. Im Juni 2025 forderten wir von der Schweizer Regierung mehr Entschiedenheit im Umgang mit der GHF-Zweigstelle in Genf: Sie sollte die Angriffe auf Zivilpersonen nachdrücklich verurteilen, sich gegen die Militarisierung humanitärer Hilfe stellen und für die Aufhebung der Blockade Gazas eintreten. Im Juli 2025 ordnete der Bund schliesslich die Auflösung der GHF-Zweigstelle in Genf an.
Hier können Sie den gesamten Bericht «This is not aid. This is orchestrated killing.» auf Englisch nachlesen:
Der Abwurf von Hilfsgütern über dem Gazastreifen und die wenigen hundert Lastwagen mit Lebensmitteln, die seit dem 19. Mai in den Gazastreifen gelassen wurden, sind kaum mehr als ein symbolischer Akt. Ärzte ohne Grenzen konnte lediglich vier Lastwagen mit medizinischen Hilfsgütern einführen. Die Einfuhr von zuvor bewilligtem dringend nötigem Material wurde von den israelischen Behörden verweigert. Vor dem Krieg fuhren täglich 500 Lastwagen nach Gaza. Strassen, Lastwagen, Lebensmittel, Medikamente – alles ist vorhanden, um humanitäre Hilfe nach Gaza zu bringen. Es fehlt jedoch an der Bereitschaft der israelischen Behörden, die Einfuhr durch beschleunigte Zollverfahren, die Genehmigung umfangreicher Hilfslieferungen und eine koordinierte, sichere Verteilung zu erleichtern. Nur so kann die Hungersnot bekämpft werden. Luftabwürfe sind bekanntermassen ineffizient und gefährlich. Sie umfassen weit weniger als die 20 Tonnen Hilfsgüter, die man mit einem einzigen Lastwagen transportieren kann. Zurzeit sind zwei Millionen Menschen in einem winzigen Gebiet zusammengepfercht, das nur 12 Prozent des Gazastreifens ausmacht. Bei Luftabwürfen werden zwangsläufig Menschen verletzt oder gezwungen, militarisierte Zonen zu betreten und erneut ihr Leben für Nahrung zu riskieren.
Wenn wir die Schweiz auffordern, ein sofortiges Ende der Massenmorde in Gaza zu verlangen, erinnern wir sie an die Verantwortung, die sie als Depositarstaat der Genfer Konventionen trägt. Die Grundprinzipien von Ärzte ohne Grenzen beruhen auf medizinischer Ethik, Unabhängigkeit, Neutralität und Unparteilichkeit – wir leisten Hilfe ausschliesslich nach Bedarf, unabhängig von ethnischer Herkunft, Religion, politischer Überzeugung oder Schuldfrage.
Neutralität bedeutet für uns, keine Partei zu ergreifen – aber auch nicht zu schweigen. Wie James Orbinski bei der Entgegennahme des Friedensnobelpreises 1999 treffend sagte: «Schweigen wird seit langem mit Neutralität verwechselt. (...) Wir sind uns nicht sicher, ob Worte immer Leben retten können, aber wir wissen, dass Schweigen mit Sicherheit töten kann.»
Deshalb können und werden wir nicht schweigen, wenn wir mit ansehen müssen, wie Menschen aufgrund von Hunger, mangelnder medizinischer Versorgung oder gezielten Angriffen auf Zivilisten sterben. Sich zu äussern ist nicht politisch, sondern eine Pflicht, die in unseren humanitären Grundsätzen begründet ist. Wir kritisieren die Schweiz nicht um der Kritik willen – wir appellieren an die Schweiz, ihrer rechtlichen und moralischen Verantwortung mit konkreten Massnahmen gerecht zu werden. Neutralität darf keine Entschuldigung für Untätigkeit sein, sondern muss eine Verpflichtung zum Schutz des humanitären Rechts und der Menschenwürde sein.