Der Fuss von Arop Magut neben den Fotos der Puffotter, die ihn gebissen hat. Arop wurde im MSF-Spital in Agok behandelt.
Der Fuss von Arop Magut neben den Fotos der Puffotter, die ihn gebissen hat. Er wurde im MSF-Spital in Agok behandelt. Agok, Südsudan
© Fanny Hostettler/MSF

Schlangenbisse: Noch immer ein vernachlässigtes medizinisches Problem

Jedes Jahr werden weltweit rund 2,7 Millionen Menschen von Giftschlangen gebissen. 100 000 Betroffene sterben an den Folgen, 400 000 tragen dauerhafte Entstellungen oder Behinderungen davon. Hochwirksame Medikamente für die Behandlung von Bisswunden gibt es, doch die meisten Bissopfer haben keinen Zugang dazu.

Symptome

Unmittelbar nach dem Schlangenbiss

  • Atemlähmung
  • Atemnot oder Ersticken
  • Gerinnungsstörungen 
  • Nierenversagen
  • schwere Gewebeschäden, die eine Amputation erforderlich machen

Wird eine Schlangenbisswunde nicht umgehend behandelt, ist eine schwere Vergiftung die Folge. Diese kann bereits nach wenigen Stunden tödlich enden oder gravierende, dauerhafte Behinderungen verursachen. Jedes Jahr sterben vierzigmal mehr Menschen durch Schlangenbisse als durch Landminen; die Zahl der Betroffenen, die danach dauerhaft behindert sind, ist sogar mindestens sechzigmal so hoch.

Stellen Sie sich einmal vor, wie es ist, von einer Schlange gebissen zu werden. Gift und Schmerzen breiten sich im Körper aus, Panik kommt auf. Ihnen wird bewusst, dass Sie sterben können – und dass Medikamente oder das nötige Geld für eine Behandlung fehlen.

Dr. med. Gabriel Alcoba, Schlangenbiss-Experte bei MSF

Behandlung

Nach Schlangenbissen schaffen so genannte Antivenine Abhilfe. Bisher gelten sie als die einzig wirksame Behandlungsmethode. Antivenine neutralisieren Toxine, verhindern bzw. bekämpfen die schädlichen Auswirkungen des Schlangengifts – und retten dadurch Leben. Auch Infusions- und Beatmungsgeräte werden für die Behandlung dringend benötigt, doch genau wie die hochwirksamen Antiseren sind sie dort, wo sie am dringendsten gebraucht werden, oft nicht verfügbar. Eine Studie aus dem Jahr 2010 hat ergeben, dass nur rund zwei Prozent der Bissopfer in Afrika südlich der Sahara Zugang zu hochwertiger medizinischer Versorgung haben. Zwar sind verschiedene Gegengifte im Umlauf, die meisten davon sind jedoch ineffektiv, von schlechter Qualität oder sogar gesundheitsschädlich. Auch wirken sie nicht gezielt gegen regional häufig vorkommende Schlangenarten. Die wirksamen Antiseren sind für viele Bissopfer keine Option, weil sie schlichtweg zu teuer sind. Meistens müssen Betroffene die Behandlung selbst bezahlen – und die kann sich auf mehrere hundert Dollar belaufen.

Wer ist betroffen?

Vor allem arme Menschen sind von Schlangenbissen betroffen. Bauern, die barfuss auf ihren Feldern arbeiten, sind besonders gefährdet, ebenso wie Menschen in abgelegenen Gebieten mit begrenztem Zugang zu Gesundheitsversorgung und -aufklärung. Kinder haben ein erhöhtes Risiko, nach einem Schlangenbiss zu sterben oder eine Behinderung davonzutragen.

Engpass beim Gegengift – ein Teufelskreis 
Durch die geringe Nachfrage nach Antiveninen bleiben Skaleneffekte aus, die Herstellung ist wenig lukrativ. Weil sich das Geschäft nicht rentiert, stoppen Pharmaunternehmen die Produktion ihrer Medikamente oder steigen erst gar nicht in den Markt ein – mit verheerenden Folgen: Die Preise für die wenigen noch verfügbaren und hochwirksamen Antiseren bleiben für viele unbezahlbar. 

2017 hatte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) Schlangenbisse auf die Liste der vernachlässigten Krankheiten gesetzt. Auch wurden Antivenine in die Modell-Liste der unentbehrlichen Arzneimittel aufgenommen. Regierungen betroffener Länder sollen so dazu angeregt werden, die Medikamente in ausreichender Menge zu beschaffen.