Sokoto, Nigeria, 27. Oktober 2017
Der 8-jährige Umar und der 15-jährige Adamu im Eingang des postoperativen Bereichs des Sokoto-Noma-Spitals. Die beiden Noma-Patienten erhielten eine rekonstruktiv-chirurgische Behandlung.
© Claire Jeantet - Fabrice Caterini/INEDIZ

Noma, eine vernachlässigte Krankheit

Noma ist eine vernachlässigte Krankheit und betrifft vor allem Menschen in Armut. Es ist eine infektiöse, aber nicht ansteckende bakterielle Erkrankung, die als Zahnfleischentzündung beginnt, so ähnlich wie ein kleines Geschwür im Mund. Die Infektion zerstört sehr schnell Knochen und Gewebe und befällt Kiefer, Lippen, Wangen oder Nase – je nachdem wo die Infektion beginnt.

Es dauert nur wenige Tage bis Noma in den Gesichtern der Überlebenden zu starken Entstellungen führt. Die Entstellungen erschweren es, zu essen, zu sprechen, zu sehen oder zu atmen. Zusätzlich leiden Überlebende unter Stigmatisierung.

An Noma erkranken vor allem Kinder unter sieben Jahren. Armut und ein schwaches Immunsystem sind die Hauptauslöser der Infektion, die zu Noma führen. Kinder mit Mangelernährung, schlechter Zahnpflege und Krankheiten wie Masern oder Malaria sind besonders anfällig.

Menschen, die Noma überleben, haben nur eine Möglichkeit auf ein besseres Leben: Sie müssen sich einer umfangreichen rekonstruktiven Operation unterziehen.

Wie viele Menschen sterben an Noma?

Bis zu 90% der an Noma Erkrankten sterben in den ersten zwei Wochen, wenn sie nicht rechtzeitig mit Antibiotika behandelt werden. Deshalb sind Früherkennung und Sensibilisierung für diese Krankheit, von der jedes Jahr schätzungsweise 140 000 Kinder betroffen sind, so wichtig. Diese Zahlen sind eine Schätzung, die die Weltgesundheitsorganisation (WHO) im Jahr 1994 vorgenommen hat. Die Tatsache, dass diese Daten seit mehr als 25 Jahren nicht mehr aktualisiert wurden, zeigt, wie vernachlässigt diese Krankheit und ihre Überlebenden sind.

Wo kommt Noma vor?

Am weitesten verbreitet ist Noma in einkommensschwachen Gebieten in Afrika und Asien. Noma war früher in Europa weit verbreitet, verschwand aber, als sich die Lebensbedingungen und der Zugang zur Gesundheitsversorgung verbesserten.

Die Krankheit wurde erstmals von Hippokrates im fünften Jahrhundert v. Chr. beschrieben. Die erste medizinische Beschreibung von Noma stammt aus dem Jahr 1595. Damals wurde sie als «Wasserkrebs» bezeichnet. In Europa wurden während des Zweiten Weltkriegs auch Fälle in Konzentrationslagern gemeldet.

Was sind die Symptome?

Noma beginnt mit Gingivitis, einer Entzündung und Blutung des Zahnfleischs. In drei oder vier Tagen bildet sich ein Geschwür und Zahnfleisch und Wange beginnen anzuschwellen. Bevor eine Woche vergangen ist, hat die Krankheit das Wangengewebe so stark zerfressen, dass ein Loch entsteht. In den folgenden Tagen breitet sich die Infektion aus und je nachdem, wo die sie begonnen hat, zerstört sie schnell den Kiefer, die Lippen, die Wangen, die Nase oder die Augen.

Was sind die Folgen?

Viele Menschen, die Noma überleben, sind einem großen Risiko ausgesetzt, an Folgekomplikationen zu sterben. Sie erleben physische und psychische Folgen, die sie von ihren Gemeinschaften isolieren und psychische Gesundheitsprobleme verursachen können. Viele Menschen haben auch Schwierigkeiten beim Sprechen und Essen und sind in ihren Gemeinschaften aufgrund ihrer Gesichtsentstellung mit Stigmatisierung und Diskriminierung konfrontiert. Kinder können aufgrund ihrer sozialen Isolation oder durch die Auswirkungen von Kinderkrankheiten, die mit Noma in Verbindung stehen, wie Masern und Malaria, Entwicklungsverzögerungen erleiden.

Ist Noma vermeidbar und behandelbar?

Noma ist auf jeden Fall vermeidbar, aber nur, wenn die Krankheit selbst und die Behandlungsmassnahmen bekannt sind. Ausgewogene Ernährung, Zahnpflege und Zugang zu medizinischer Versorgung und Impfungen gegen Kinderkrankheiten helfen, Noma zu vermeiden.

Noma ist behandelbar, wenn die Krankheit in den ersten Wochen erkannt und behandelt wird. Mit grundlegender Zahnpflege, Antibiotika und Wundbehandlung können Patient:innen in wenigen Wochen vollständig genesen. Andere Risikofaktoren, wie Mangelernährung oder Masern müssen bei einer Therapie ebenfalls berücksichtig werden.

Wenn Noma behandelbar ist, warum sterben Menschen daran?

Menschen sterben an dieser leicht vermeidbaren und behandelbaren Krankheit aufgrund mangelnden Wissens. Die Früherkennung ist gering und wenn Noma einmal ausgebrochen ist, können sich viele Familien die Antibiotika-Behandlung nicht leisten. Die meisten Menschen mit Noma leben in armen und abgelegenen Gegenden, in denen der Zugang zu medizinischer und zahnmedizinischer Versorgung fast nicht vorhanden ist.

Über Noma ist wenig bekannt. Es entwickelt sich schnell, sodass die Eltern eines Kindes mit Noma die Krankheit meist nicht rechtzeitig erkennen. Sie suchen Hilfe in ihrer Gemeinde oder bei traditionellen Heiler:innen und verlieren dabei wertvolle Zeit und die Möglichkeit, die Infektion richtig zu behandeln.

Der Weg der Patient:innen – von der Infektion bis zur Behandlung

Noma-Patient:innen leben in abgelegenen und extrem armen Gegenden und sind schwer zu finden. Für einige ist es fast unmöglich, eine Klinik oder ein Krankenhaus zu erreichen – sie können Hunderte von Kilometern entfernt sein. Selbst wenn die Menschen leichten Zugang zu lokalen Kliniken haben, haben sie oft nicht das Geld, um die medizinische Versorgung zu bezahlen.

1. Erste Anzeichen 
Das Kind ist müde und will nicht essen. Es verliert an Gewicht, wird jeden Tag schwächer und hat Fieber. Die Eltern können jedoch nicht helfen, wenn sie die Krankheit, die ihr Kind angreift, nicht erkennen können.

2.    Appell an die Gemeinschaft
Sie suchen Rat in ihrer Gemeinde. Wenn niemand weiss, was mit dem Kind passiert, werden oftmals traditionelle Heilmittel vorgeschlagen. Wenn sich die Krankheit dann weiter ausbreitet und mehr sichtbare Wunden erscheinen, wird das Kind oftmals aus Angst vor weiteren Ansteckungen isoliert.

3.    Traditionelle Heiler:innen
Das Kind kann an traditionelle Heiler:innen überwiesen werden, die versuchen, es mit Naturheilmitteln zu behandeln. Sie funktionieren nicht, denn nur Antibiotika können die schnelle Ausbreitung der Krankheit stoppen. Der Zustand des Kindes verschlechtert sich.

4.    Erreichen der nächstgelegenen Klinik
Die Eltern gehen mit ihrem Kind in die nächste Klinik, die mehrere Kilometer von ihrem abgelegenen Dorf entfernt sein kann; Bis sie das Krankenhaus erreichen, können mehrere Tage vergehen. Dort angekommen, stehen sie vor zwei neuen Hindernissen: dem mangelnden Wissen über Noma und den Kosten für die Behandlung. Wenn sie die Antibiotika bezahlen können und die Krankheit richtig diagnostiziert wird, wird das Kind wieder gesund. Wenn nicht, müssen sie nach Hause zurückkehren, ohne dass ihrem Kind geholfen wurde. Dass das Kind innerhalb der nächsten Tage stirbt, ist sehr wahrscheinlich.

5.    Ankunft im Krankenhaus
Wenn es zur Aufnahme in ein Krankenhaus kommt, erhält das Kind Antibiotika und eine Ernährungsbehandlung, um den Zustand zu stabilisieren und Kraft aufzubauen.

6.    Die Behandlung
Die Wunden des Kindes werden verbunden und die Ärzte prüfen, ob das Kind ein Kandidat für eine rekonstruktive Operation ist. Da die Wunden komplex sind und sich mit der Zeit verändern, müssen kleine Kinder warten, bis sie älter sind, bevor sie operiert werden können.