Schleppende Reaktionen gefährden einmalige Gelegenheit im Kampf gegen multiresistente Tuberkulose

«Depuis que j’ai commencé mon traitement en juin 2010, j’ai déjà avalé environ 20 000 pilules et reçu plus de 200 injections douloureuses.»

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Menschen mit multiresistenter Tuberkulose und ihre medizinischen Betreuer fordern weltweit rasches Handeln.

Die medizinische Hilfsorganisation Médecins Sans Frontières / Ärzte ohne Grenzen (MSF) warnte heute, dass die Massnahmen im Kampf gegen die multiresistente Tuberkulose (MDR-TB) dringend gesteigert werden müssen. Hindernisse bei der Erforschung besserer Medikamente müssen abgebaut und die Behandlungsmöglichkeiten ausgeweitet werden. Ansonsten werden die Raten von MDR-TB weltweit weiterhin zunehmen, und eine historische Gelegenheit für die Verbesserung der miserablen Heilungsraten wird verpasst.
Die Behandlung muss mithilfe von zwei neuen Medikamenten deutlich verkürzt, effizienter und weniger toxisch gemacht werden. Diese Forderung erheben unter anderem auch MDR-TB-Patienten und medizinisches MSF-Personal aus der ganzen Welt in einem heute publizierten öffentlichen Manifest.

Lesen Sie das „Teste mich. Behandle mich.“-Manifest und lernen Sie die Unterzeichnenden kennen auf http://tbmanifest.msf.ch/
„Wir warten seit einem halben Jahrhundert auf neue, effiziente Tuberkulose-Medikamente. Müssen wir denn noch einmal 50 Jahre warten, bis die historische Gelegenheit ergriffen wird und die verbesserte Behandlung der multiresistenten Tuberkulose eingeführt wird?“, fragt Dr. Erkin Chinasylova, MSF-Arzt für TB in Swasiland. „Es ist mehr als dringend, dass wir endlich bessere Medikamente erhalten. Bisher fehlt uns jedoch die Priorisierung, die für die Umsetzung unserer Forderung nötig ist.“
In den MSF-Projekten werden weltweit so viele Menschen mit MDR-TB wie noch nie zuvor betreut. Die Medikamentenresistenz wird dabei nicht nur bei Patienten festgestellt, die früher schon erfolglos gegen TB behandelt wurden, sondern auch bei neu diagnostizierten Personen mit TB. Das ist ein deutliches Zeichen dafür, dass MDR-TB in den Gemeinschaften, in denen wir arbeiten, eigenständig übertragen wird.
Ohne Behandlung verläuft diese Infektionskrankheit tödlich. Doch auch die Behandlung selber bedeutet für die Patienten zwei Jahre voller quälender Nebenwirkungen, wie etwa Psychosen, Taubheit und ständige Übelkeit. Darüber hinaus müssen sie bis zu acht Monate lang täglich schmerzhafte Injektionen über sich ergehen lassen. Nicht einmal die Hälfte der Patienten wird geheilt.
Nach fast fünf Jahrzehnten ungenügender TB-Forschung und -Entwicklung gibt es seit Kurzem zwei neue Medikamente – Bedaquilin und Delamanid –, die zugelassen wurden beziehungsweise kurz vor der Zulassung stehen. Es braucht jedoch dringend noch mehr Untersuchungen, um herauszufinden, wie diese Medikamente am besten verwendet werden. Denn die Behandlung soll kürzer und effizienter werden und der wachsenden Zahl der MDR-TB-Patienten so rasch wie möglich zur Verfügung stehen. Diese und andere Forderungen wurden von Menschen mit MDR-TB-Behandlung und ihren Pflegenden aus aller Welt im „Teste mich. Behandle mich.“-Manifest aufgestellt. Alle sind aufgerufen, ihre Aufforderung zu dringender Hilfe zu unterstützen.
„Es ist das Jahr 2013 und ich lebe nun im vierten Jahr mit TB, obwohl ich eigentlich im vierten Studienjahr an der Universität sein sollte“, erzählt Phumeza Tisile, eine 22-jährige Frau aus Khayelitsha in Südafrika, die von MSF gegen ihre multiresistente TB behandelt wird. Sie ist eine der Unterzeichnenden des Manifests. „Seit dem Beginn meiner Behandlung im Juni 2010 habe ich etwa 20’000 Tabletten geschluckt und über 200 tägliche schmerzhafte Injektionen erhalten. Wegen dieser Medikamente bin ich nun taub. Ich wünschte, ich könnte einfach einen Monat lang jeden Tag zwei Tabletten schlucken und so geheilt werden.“
Die Zahl der Menschen, die weltweit gegen MDR-TB behandelt werden, ist unerhört tief: Nicht einmal einer von fünf Patienten erhält die nötige Behandlung. Um diese Diskrepanz zu bekämpfen, ist mehr politische und finanzielle Unterstützung der internationalen Gemeinschaft nötig.
„Ausgerechnet dann, wenn TB zur weltweiten Priorität werden sollte, erleben wir einen gegenläufigen Trend, der TB weniger Dringlichkeit einräumt. Das können wir nicht akzeptieren“, sagte Dr. Manica Balasegaram, Leiter der MSF-Medikamentenkampagne.
Der Globale Fonds zur Bekämpfung von Aids, Tuberkulose und Malaria hat bisher etwa 90 Prozent der internationalen Mittel im Kampf gegen TB gestellt. Kürzlich hat er jedoch den Anteil für diese Krankheit verkleinert. Bevor später in diesem Jahr bei einem wichtigen Treffen über die Aufstockung entschieden wird, muss der Fonds ausreichend finanziert sein, damit die Länder die nötige Unterstützung für einen verstärkten Einsatz gegen MDR-TB erhalten. Die Aussicht auf bessere Behandlungen sollte die betroffenen Länder darin bestärken, ihre Bemühungen in der Erkennung und Behandlung von MDR-TB schon heute auszuweiten, damit stabile Programme bereit stehen, sobald die neuen Medikamente eingeführt werden.
Sie finden MSF-Infografiken über TB zu Behandlungsdauer, Nebenwirkungen, Zugang zu Behandlung etc. auf http://tbmanifest.msf.ch/
Die multiresistenten Formen der TB stellen eine vernachlässigte globale Gesundheitskrise dar: Die Weltgesundheitsorganisation schätzt, dass es 2011 630‘000 Fälle von MDR-TB gab. MSF begann schon 2001, Patienten mit MDR-TB zu behandeln. 2011 behandelte die Organisation 1’300 Menschen mit MDR-TB in 21 Ländern.

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