Dadaab, Kenia: Rückführung der somalischen Flüchtlinge ist unter den aktuellen Bedingungen «unmenschlich und unverantwortlich»

Quatre-vingt-six pour cent des personnes interrogées à Dagahaley ne veulent pas rentrer en Somalie.

Kenia4 Min.

Während die angekündigte Schliessung des grössten Flüchtlingslagers der Welt immer näher rückt, machen sich bereits tausende Flüchtlinge auf den Rückweg in das vom Krieg verwüstete Somalia . MSF ruft die kenianische Regierung und das UNHCR dringend auf, mit der Unterstützung von Geberländern andere Lösungen zu erarbeiten.

In einem heute von Médecins Sans Frontières/Ärzte ohne Grenzen veröffentlichten Bericht mit dem Titel «Von Dadaab nach Somalia: Zurück in die Unsicherheit» sagen über acht von zehn befragten Flüchtlingen aus, dass sie nicht zurückkehren wollen. Als Gründe werden vorwiegend die Angst vor Zwangsrekrutierungen in bewaffnete Gruppen, sexuelle Gewalt und fehlende medizinische Versorgung genannt. MSF hebt in dem Bericht auch die schwerwiegenden medizinischen Folgen hervor, die sich aus einer Rückführung von einem solch massiven Ausmass ergeben würden.
«Es ist unbestritten, dass Flüchtlingslager nicht die beste Lösung sind, um mit einer langwierigen, bereits 25 Jahre andauernden Krise umzugehen», betont Bruno Jochum, MSF-Generaldirektor. «Die Lager jedoch jetzt zu schliessen, ohne gleichzeitig andere langfristige Lösungen anzubieten, zwingt die Flüchtlinge zurück in ein Konfliktgebiet, wo medizinische Versorgung kaum vorhanden ist. Dieser Entscheid ist ein weiterer Schlag für den weltweiten Flüchtlingsschutz; erneut stellen wir ein komplettes Versagen fest, Menschen in Gefahr einen sicheren Zufluchtsort zu bieten. Die UNO selbst erklärte kürzlich, dass in Somalia fünf Millionen Menschen von Hunger bedroht sind. Jetzt noch mehr Flüchtlinge zurückzuschicken, ist sowohl unmenschlich als auch unverantwortlich.»

Somalia: prekärer Mangel an Gesundheitsversorgung

In Dagahaley, einem der fünf Dadaab-Lager, behandelten die MSF-Teams Kinder aus Somalia, die gegen eine Vielzahl von vermeidbaren Krankheiten nicht geimpft waren. Dies zeigt deutlich, dass der über zwanzig Jahre dauernde Krieg das Gesundheitssystem zum Erliegen gebracht hat; selbst die Grundversorgung ist nicht gewährleistet. Schwangere Frauen erhalten kaum Versorgung, was sowohl ihre eigene als auch die Gesundheit ihres Kindes bedroht. Auch Menschen mit chronischen Krankheiten sind gefährdet: Diabetiker, die auf ihr Insulin angewiesen sind, oder Menschen mit Bluthochdruck, die eine kontinuierliche Pflege benötigen.
Doch auch die Versorgung psychisch kranker Menschen ist in Gefahr. In Dagahaley sind 70 Prozent der psychisch kranken Patienten von MSF auf Medikamente angewiesen. «Wenn ein Patient mit einer Psychose seine Behandlung absetzen muss, hat dies auf seine kognitive Funktion und den Entwicklungsprozess einen umgekehrten Effekt. In einem Land zu sein, in dem es praktisch keine psychologischen Hilfeleistungen gibt, wäre für einen solchen Patienten fatal», erklärt Liesbeth Aelbrecht, MSF-Landeskoordinatorin in Kenia.

Aufruf an Kenia, UNHCR und Geberländer: Es braucht dringend andere Lösungen

86 Prozent der befragten Flüchtlinge in Dagahaley möchten nicht nach Somalia zurückkehren. Fast alle – Männer wie Frauen – haben Angst vor der Unsicherheit vor Ort, und sagen, dass das Risiko sexueller Gewalt hoch ist. Ärzte ohne Grenzen stellt daher infrage, wie freiwillig die Rückkehr, die vom UNHCR unterstützt wird, tatsächlich ist.
«Die Ängste, von denen uns die Flüchtlinge erzählen, sind real», sagt Aelbrecht. «Es ist äusserst wichtig, dass jede Rückführung freiwillig ist und die Flüchtlinge darüber informiert sind, welche Bedingungen sie in Somalia antreffen und welche Leistungen vorhanden sind.»
MSF betont erneut, dass mit dem Bau von Dadaab-ähnlichen Lagern jenseits der Grenze nur die Verantwortung weitergegeben wird und der Schutz der Flüchtlinge in den Hintergrund rückt. Es müssen dringend nachhaltigere Lösungen in Betracht gezogen werden wie der Bau von kleineren Lagern in Kenia, vermehrte Umsiedlung in Drittstaaten oder die Integrierung der Flüchtlinge in kenianische Gemeinden. MSF bittet dazu die internationale Gemeinschaft um Unterstützung.
«Es ist inakzeptabel, dass tausende zur Rückkehr in ein Konflikt- und Krisengebiet gedrängt werden –genau die Bedingungen, aus denen sie damals geflohen sind», fasst Aelbrecht zusammen. «Kenia sollte diese Last nicht allein tragen müssen. Die Gelder der Geberländer sollten dazu verwendet werden, im Zufluchtsland nachhaltige Hilfe bereitzustellen – und nicht zur Finanzierung einer de facto erzwungenen Rückführung in ein Kriegsgebiet.»
MSF finanziert die Projekte in Dadaab ausschliesslich aus privaten Spendengeldern; es werden keine Mittel von öffentlichen Institutionen angenommen.
MSF ist seit 1992 in Dadaab tätig und ist derzeit im Lager Dagahaley der einzige Anbieter von medizinischer Versorgung. Die Organisation betreibt ein Spital mit 100 Betten und zwei Gesundheitsposten, wo ambulante Sprechstunden, psychologische Betreuung, chirurgische Eingriffe sowie Schwangerenvorsorge und HIV- und TB-Behandlungen angeboten werden. 2015 wurden insgesamt 182‘351 Sprechstunden abgehalten und 11‘560 Patienten stationär betreut.