Novartis vs Indien: die Etappen einer gerichtlichen Saga

Novartis vs Inde: les étapes d’une saga judiciaire

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Die Schlussanhörung vor dem Obersten Gerichtshof ist für August 2012 angesetzt.

1994 – Indien unterzeichnet das „Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte am geistigen Eigentum” (TRIPS-Abkommen) der Welthandelsorganisation WTO und verpflichtet sich damit, spätestens ab 2005 Patente für Medikamente zu erteilen.
2003 – Novartis bringt in den USA Imatinib-Mesylat (Handelsname Glivec) als Arzneimittel gegen Blutkrebs zum Preis von 2’600 USD pro Patient und Monat auf den Markt. Bald sind Generika für weniger als 200 USD pro Monat in Indien erhältlich.
2005 – Indien ändert das Patentgesetz in Übereinstimmung mit dem TRIPS-Abkommen, und Medikamente können nun patentiert werden. Laut Gesetz erhalten jedoch nur echte medizinische Innovationen ein Patent. Absatz 3(d) des Gesetzes besagt, dass neue Formen und neue Anwendungen bekannter Substanzen nur patentiert werden können, wenn eine erheblich höhere Wirksamkeit nachweisbar ist.
2005 – Das indische Patentamt beginnt, Anträge für medizinische Patente, einschliesslich der Anmeldung von Imatinib-Mesylat durch Novartis, zu überprüfen. 
Januar 2006 – Der Patentantrag durch Novartis für Imatinib-Mesylat (Glivec) wird von einem indischen Patentamt aus mehreren Gründen abgelehnt, unter anderem gestützt auf Absatz 3(d), da es sich lediglich um eine neue Form einer bekannten Substanz handle.
Mai 2006 – Novartis reicht beim Gerichtshof von Madras zwei Anfechtungsklagen ein. Mit der einen wird die Ablehnung des Patents angefochten. Die andere behauptet, dass Absatz 3(d) des indischen Patentgesetzes im Widerspruch zum TRIPS-Abkommen und zur indischen Verfassung stehe.
Dezember 2006 – Médecins Sans Frontières/ Ärzte ohne Grenzen (MSF) lanciert eine internationale Petition, die Novartis auffordert, den Rechtsstreit fallenzulassen. 450’000 Personen unterschreiben, doch das Unternehmen lenkt nicht ein.
August 2007 – Der Gerichtshof von Madras weist die Klage von Novartis, Absatz 3(d) des indischen Patentgesetzes zu ändern, zurück. Der Gerichtshof von Madras erklärt, „Wirksamkeit“ in Absatz 3(d) bedeute, dass Novartis eine Verbesserung der therapeutischen Wirksamkeit nachweisen müsse. MSF übergibt in Basel die Petition mit fast einer halben Million Unterschriften an Novartis.
August 2007 – Brian Druker, der Wissenschaftler hinter der Entwicklung von Imatinib, schreibt in einem Kommentar: „Der Preis, zu dem Imatinib von Novartis auf der ganzen Welt verkauft wird, gibt mir ein sehr ungutes Gefühl. Pharmaunternehmen, die in die Entwicklung von Medikamenten investieren, sollen gewiss auf ihren Investitionen eine Rendite erzielen. Aber dies bedeutet nicht den Missbrauch dieser exklusiven Rechte durch übertriebene Preise und durch Patentanträge für geringfügige Änderungen, um die Zeit der Monopolpreise auszudehnen. Dies widerspricht dem Sinn des Patentsystems und ist nicht gerechtfertigt angesichts der jahrzehntelangen Investitionen seitens des öffentlichen Sektors, welche die Entdeckung dieser Arzneimittel erst möglich machen.“
Juni 2009 – Der Berufungsausschuss für geistiges Eigentum, der für Beschwerden bei Patentanträgen zuständig ist, weist die Klage von Novartis ab und bestätigt, dass Imatinib-Mesylat deshalb kein Patent verdient, weil das Unternehmen keine signifikante Erhöhung der Wirksamkeit nachweisen konnte, wie dies Absatz 3(d) des indischen Patentgesetzes verlangt.
August 2009 – Novartis wendet sich mit einem neuen Fall an den Obersten Gerichtshof Indiens. Dieses Mal klagt das Unternehmen gegen die Interpretation und Anwendung von Absatz 3(d) durch indische Gerichte und Patentämter.
Die Schlussanhörung vor dem Obersten Gerichtshof ist für August 2012 angesetzt.

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