Sudan: Drei Millionen Menschen in Khartum ohne lebensrettende Gesundheitsversorgung

Unsere Organisation unterstützt das Umdawanban Spital in Khartum seit Juni 2023, insbesondere in der Geburtsabteilung und der Kinderabteilung. Sudan, Juli 2023.

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Seit Monaten sind die Bewohner:innen von Khartum im Sudan zunehmend von Gesundheitsversorgung abgeschnitten. Wenige medizinische Einrichtungen sind noch funktionsfähig, drei Millionen Einwohner:innen haben kaum Zugang zu lebensrettenden medizinischen Behandlungen.

«Viele Menschen sind aufgrund der anhaltenden Kämpfe bereits aus Khartum geflohen. Es gibt aber immer noch viele, die es sich entweder nicht leisten konnten, zu fliehen oder aufgrund ihres schlechten Gesundheitszustandes oder der Sicherheitslage nicht in der Lage dazu waren und nun grosse Schwierigkeiten haben, lebenswichtige Behandlungen zu erhalten», erklärt Jean-Guy Vataux, unser Einsatzleiter im Sudan.

In Khartum sind derzeit nur eine Handvoll Spitäler in Betrieb, die Preise für lebenswichtige Medikamente steigen weiter an. Unsere Teams sind vor Ort. Im Türkischen Spital nehmen sie täglich über 100 Patient:innen auf, meist Kinder und schwangere Frauen. Viele kommen in einem kritischen und fortgeschrittenen Krankheitsstadium an, nachdem sie das Risiko auf sich genommen haben, ins Spital zu kommen. Der Weg ins nächste Spital dauert manchmal lang, viele gehen kilometerweit zu Fuss und müssen Frontlinien überqueren. Es gibt keine Krankenwägen und nur sehr wenige Transportmöglichkeiten.

«Ein vierjähriges Mädchen wurde in unsere Notaufnahme gebracht, nachdem es in ihrem Haus von einer fehlgeleiteten Kugel in den Bauch getroffen worden war», berichtet Vataux. «Ihre Mutter brachte sie in drei andere Spitäler, bevor sie schliesslich im Türkischen Spital chirurgisch behandelt werden konnte.»

Wir haben auch vier Kinder aufgenommen, die mit einer nicht explodierten Rakete gespielt hatten. Sie hatten keine Ahnung, dass es sich um ein gefährliches Objekt handelte, bis es in ihren Händen explodierte. Sie wurden sofort ins Spital gebracht, und zwei von ihnen mussten dringend eine Bauchoperation durchführen lassen.

Jean-Guy Vataux, unser Einsatzleiter im Sudan

Im Spital von Umdawanban fehlt Oxytocin, das für viele Frauen während der Wehen unerlässlich ist. Einer der dortigen Mitarbeiter beschreibt dramatische Szenen in der Kinderstation. Kinder mit chronischen Krankheiten wie Diabetes, die kein Insulin erhalten, befinden sich oft in einem kritischen Zustand und sind dem Tod nahe, wenn sie schliesslich das Spital erreichen. Vataux: «Bevor wir hier zu arbeiten begannen, hatten die Kinder keinen Zugang zu medizinischer Versorgung und damit keine Überlebenschance. Heute sterben weniger Kinder, aber unser medizinisches Team im Spital ist leider auf ein Minimum reduziert. Und es gibt immer noch zu wenig Medikamente für Mütter und Kinder, die an chronischen Krankheiten wie Bluthochdruck, Schilddrüsenproblemen oder Epilepsie leiden. Medikamente sind sowohl für unsere Mitarbeiter:innen als auch für das Gesundheitsministerium schwer zu beschaffen.»

Auch im Bashair Teaching Hospital im Süden von Khartum ist die Lage ähnlich, wie unser dortige medizinische Koordinator, Slaymen Ammar, erklärt: «Das Team hier hat in den letzten sechs Monaten über 6100 Untersuchungen in der Notaufnahme durchgeführt. Als eines der wenigen funktionierenden Spitäler im Bundesstaat Khartum ist es für viele Menschen die Lebensader, aber uns fehlt es langsam am nötigsten. So sind beispielsweise die Vorräte an medizinischen Handschuhen und Antiseptika zur Wundreinigung so gering, dass selbst die einfachste medizinische Versorgung zu einer Herausforderung wird.»

Ich erinnere mich an ein einjähriges Kind, das durch die Explosion einer Bombe verletzt wurde und seinen Vater verloren hatte. Es befand sich in einem kritischen Zustand, aber es hat uns alle überrascht, als es sich nach zwei Monaten intensiver Pflege in der Traumatologieabteilung erholte. Als das Kind aus dem Spital entlassen wurde, hatte die Mutter - nun Witwe - nirgendwo hinzugehen und verbrachte drei Tage damit, einen Weg zu finden, um von Khartum nach Darfur zu gelangen und sich mit ihren Verwandten zu vereinen.

Slaymen Ammar, unser medizinischer Koordinator

Unsere Teams stehen vor grossen Herausforderungen, um die medizinische Versorgung aufrechtzuerhalten. Zu den grössten gehören die administrativen Beschränkungen für Reisegenehmigungen für Mitarbeitende.

«Während unsere Teams weiterhin mit einem schrecklichen Zustrom an Verletzten fertig werden müssen, haben die Einreisebeschränkungen für humanitäres Personal nach Khartum monatelang verhindert, dass mehr Menschen lebensrettende Behandlungen für Wunden und Therapien für vermeidbare Krankheiten erhalten», betont Einsatzleiter Vataux. «Seit die Gewalt Mitte Dezember den Bundesstaat Jazirah erfasst hat, ist der Bedarf an medizinischer Versorgung in Khartum weiter gestiegen. Viele Gesundheitseinrichtungen in Wad Madani, der Hauptstadt des Bundesstaates, sind nicht mehr funktionsfähig. Viele Menschen kehrten daher nach Khartum zurück. Erstmalig seit 90 Tagen hat unsere Organisation die Erlaubnis erhalten, nach Wad Madani zurückzukehren. Wir fordern die sudanesischen Behörden dringend auf, uns den Zugang zu den Bundesstaaten Jazirah und Khartum regelmässig zu erleichtern, damit wir den stetig wachsenden Bedarf der Bevölkerung decken können.»