Freihandelsabkommen mit Indien: Erschwingliche Medikamente für Millionen Menschen gefährdet gemäss geleaktem Text

Eines unserer Teams organisiert und ordnet die Medikamente einer mobilen Klinik. Südsudan, September 2023.

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Das Freihandelsabkommen mit Indien, das die Schweiz im Rahmen der EFTA verhandelt, könnte den Zugang zu erschwinglichen Medikamenten für Millionen gefährden. Ein gestern durchgesickertes Dokument enthüllt, dass das Abkommen geistige Eigentumsrechte beinhalten könnte, die über internationale Vorgaben hinausgehen. Diese würden Indien zwingen, seine nationalen Vorgaben zu überarbeiten, die bis anhin die Gesundheit der Menschen priorisieren. Ärzte ohne Grenzen, Public Eye und das Delhi Network of Positive People schlagen Alarm.

Die Annäherung eines Freihandelsabkommen zwischen Indien und der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA) – bestehend aus Island, Liechtenstein, Norwegen und der Schweiz – sorgt für Aufregung. Sollte der endgültige Text die gestern geleakten Passagen zum geistigen Eigentum enthalten, könnte dies den Zugang zu erschwinglichen Medikamenten für Millionen weltweit ernsthaft gefährden.

Seit 2006 verhandeln Indien und die EFTA über ein Freihandelsabkommen. Nach einer fünfjährigen Pause wurden die Gespräche in den letzten Wochen wiederbelebt und stehen laut dem Eidgenössischen Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung kurz vor dem Abschluss. Die Schweiz, Heimat vieler multinationaler Pharmaunternehmen, und Indien, ein wichtiger Hersteller von Generika, zielen darauf ab, die Verhandlungen über das Kapitel zum geistigen Eigentum (IP) des EFTA-Handelsabkommens vor April 2024 abzuschliessen. Besorgniserregend ist, dass die nun geleakten IP-Vorschläge über die Anforderungen internationaler Handelsregeln hinausgehen und Indien dazu zwingen könnten, seine nationalen Patente und Arzneimittelzulassungsgesetze zu ändern.

Eine der Hauptsorgen ist der Vorschlag, eine zusätzliche IP-Barriere namens «Datenausschliesslichkeit» einzuführen, da dies die Zulassung generischer Versionen neuer Medikamente oder neuer Formulierungen für einen zu festzulegenden Zeitraum verzögern könnte, selbst wenn das Medikament nicht patentiert ist. Dies würde generische Hersteller zwingen, entweder die Exklusivitätsperiode abzuwarten oder kostspielige klinische Studien zu wiederholen. In Fällen, in denen ein neues Medikament patentiert ist, könnte die Datenausschliesslichkeit Zwangslizenzen blockieren, die generischen Herstellern erteilt werden könnten, um Medikamente zu niedrigeren Preisen herzustellen.

Dr. Farhat Mantoo, Geschäftsführer von Ärzte ohne Grenzen/Médecins Sans Frontières (MSF) Südasien, betont die Bedeutung Indiens als Lieferant von Generika für die globale Gesundheit:

Millionen von Leben hängen davon ab, dass Indien die Gesundheit der Menschen an erste Stelle setzt und weiterhin generische Medikamente weltweit liefern kann. Wir haben die indische Regierung in einem Schreiben an den Premierminister aufgefordert, die Aufnahme schädlicher geistiger Eigentumsbestimmungen in die Verhandlungen mit der EFTA weiterhin abzulehnen. Wenn akzeptiert, werden diese IP-Bestimmungen drastische Konsequenzen für den Zugang zu Medikamenten und die Gesundheit der Patient:innen in Indien und darüber hinaus haben.

Geschäftsführer von Ärzte ohne Grenzen Südasien

Insbesondere für Ärzte ohne Grenzen könnten diese möglichen Änderungen der indischen Patent- und Arzneimittelgesetze erhebliche Auswirkungen auf die künftige Versorgung mit neuen lebensrettenden Medikamenten haben. Denn als humanitäre Hilfsorganisation ist Ärzte ohne Grenzen ist auf qualitätsgesicherte Impfstoffe und Medikamente aus Indien angewiesen, um die von uns betreuten Menschen zu behandeln.

Weitere Informationen sowie die Statements von Public Eye und dem Delhi Network of Positive People finden Sie in English hier: Access Campaign.

*Text des Abkommens in Englisch.