Ein Jahr Ebola-Bekämpfung in Westafrika: Kritisches Fazit von MSF

Une réflexion est en cours pour tirer des leçons de l’épidémie actuelle afin de permettre une meilleure gestion des épidémies futures.

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Eine kritische Analyse von MSF zeigt, wie unzureichend die internationale Antwort auf die Krise war, und warnt davor, den Ausbruch vorschnell für beendet zu erklären.

Der heute veröffentlichte Bericht mit dem Titel „Pushed to the limit and beyond“ basiert auf Interviews mit zahlreichen Mitarbeitern von Médecins Sans Frontières/Ärzte ohne Grenzen (MSF), die im Ebola-Einsatz waren. Bereits im März 2014 hatte die Organisation vor einem Ausbruch der Seuche gewarnt, wie es ihn in Bezug auf die geografische Verbreitung noch nie gegeben hatte. Doch die Regierungen der betroffenen Länder gingen zunächst nicht darauf ein. Der Bericht stellt detailliert die Auswirkungen der monatelangen „globalen Koalition der Untätigkeit“ lokaler und internationaler Akteure dar. In dieser Zeit verbreitete sich das Virus völlig unkontrolliert. MSF forderte schliesslich, sowohl zivile als auch militärische medizinische Teams zur Bekämpfung biologischer Gefahren nach Westafrika zu entsenden.
„Der Ebola-Ausbruch wurde oft als ‚perfekter Sturm’ bezeichnet: eine grenzüberschreitende Epidemie in Ländern mit schwachen Gesundheitssystemen, in denen Ebola bislang unbekannt war“, sagt Christopher Stokes, Geschäftsführer MSF in Belgien, von wo aus die Ebola-Projekte koordiniert wurden. „Doch wer das als einzige Erklärung gelten lässt, der macht es sich zu einfach. Dass die Epidemie dermassen ausser Kontrolle geraten konnte, liegt am Versagen zahlreicher Institutionen. Dieses Versagen, das vermeidbar gewesen wäre, hatte schlimme Konsequenzen.“

Überfüllte Behandlungszentren

Angesichts der Untätigkeit der internationalen Gemeinschaft sah sich MSF gezwungen, eine umfangreiche Operation zur Bekämpfung der Seuche zu starten. Dennoch war Ende August das grösste Ebola-Behandlungszentrum der Geschichte in Liberias Hauptstadt Monrovia völlig überfüllt. Die Mitarbeiter mussten schwerkranke Patienten am Eingang abweisen, in vollem Bewusstsein, dass diese vermutlich nach Hause gehen und andere anstecken würden. Im Laufe des vergangenen Jahres waren mehr als 1‘300 internationale und 4‘000 nationale Mitarbeiter von MSF in Westafrika tätig und haben dort fast 5‘000 Ebola-Patienten betreut. Mehr als 2‘300 dieser Patienten haben die Krankheit überlebt.
Selbstkritisch dokumentiert der Bericht auch die Herausforderungen, mit denen MSF zu kämpfen hatte, sowie schwierige Entscheidungen, die die Mitarbeiter angesichts mangelnder Ressourcen und fehlender Behandlungsmöglichkeiten treffen mussten. Innerhalb der Organisation waren die Erfahrungen mit Ebola auf eine relativ kleine Expertengruppe beschränkt. Trotzdem hätte sie früher mehr Ressourcen mobilisieren sollen. Notgedrungen konzentrierten sich die Teams auf Schadensbegrenzung. Es war unmöglich, alles Nötige gleichzeitig zu tun. Die Teams mussten zwischen der Patientenversorgung, der Überwachung der Epidemie, der Organisation sicherer Beerdigungen und Outreach-Aktivitäten priorisieren. „In den schlimmsten Phasen des Ausbruchs konnten die MSF-Teams einfach nicht mehr Patienten aufnehmen oder die bestmögliche Pflege anbieten“, sagt Liu. „Das hat zu erhitzten Debatten und Spannungen innerhalb der Organisation geführt.“

Epidemie ist noch nicht eingedämmt

Es gibt weiterhin viel zu tun. Bevor die Epidemie offiziell als beendet erklärt werden kann, muss jede einzelne Kontaktperson eines Ebola-Infizierten ausfindig gemacht werden. Noch immer ist die Zahl der Neuinfektionen pro Woche höher als in jedem Ausbruch zuvor, und sie ist seit Ende Januar nicht mehr gesunken.
In Guinea steigt die Zahl der Patienten sogar an. Noch immer gibt es Misstrauen und Widerstand gegen die Mitarbeiter von Gesundheitseinrichtungen und Hilfsorganisationen. In Sierra Leone bestehen weiterhin aktive Ansteckungsherde im Westen des Landes. Viele der neuen Patienten stehen auf keiner der Listen bekannter Kontaktpersonen – niemand weiss, wo sie sich angesteckt haben. Auch in Liberia wurde ein neuer Fall bekannt: Nachdem über zwei Wochen zuvor der letzte Patient entlassen worden war, wurde am 20. März ein Patient in Monrovia positiv auf Ebola getestet.

Verheerende Auswirkungen für bereits schwache Gesundheitswesen

In den drei am stärksten betroffenen Ländern haben im vergangenen Jahr fast 500 Gesundheitsmitarbeiter ihr Leben verloren. Dies ist umso verheerender, als diese Staaten bereits vor der Ebola-Krise unter einem gravierenden Personalmangel im Gesundheitssektor litten. Der Zugang zu Gesundheitsversorgung muss dringend wiederhergestellt werden.
Entscheidend für die Zukunft ist die Entwicklung einer globalen Strategie zur Entwicklung von Impfstoffen, Medikamenten und Diagnostika gegen Ebola. „Diese Epidemie hat brutal ein kollektives Scheitern aufgezeigt, für das tausende Menschen mit dem Leben bezahlt haben. Die Mängel reichen von den schwachen Gesundheitssystemen in den betroffenen Ländern bis zur schleppenden Hilfe von internationaler Seite“, ist die Schlussfolgerung des Berichts.

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