Dadaab: Geplante Rückführung darf sich nicht auf Hilfeleistungen auswirken

«Le choix de rentrer doit être volontaire, la décision doit être prise de plein gré. Il ne doit pas être contraint par une réduction de l’aide.»

Kenia4 Min.

Gemäss einer Bestandsaufnahme von MSF wollen vier von fünf Flüchtlingen in den Lagern von Dadaab angesichts der angespannten Sicherheitslage in Somalia nicht zurückkehren.

Die internationale Organisation für medizinische Nothilfe Médecins Sans Frontières/Ärzte ohne Grenzen (MSF) betont, dass ein Abkommen zur freiwilligen Rückführung von Somaliern aus Kenia zwar ein positiver Schritt sein kann, sich aber nicht negativ auf die Hilfeleistungen für die Flüchtlinge auswirken darf.
Das Abkommen wurde am 10. November von der UNO, Kenia und Somalia unterschrieben und skizziert das praktische und juristische Verfahren für die freiwillige Rückkehr von Hunderttausenden von Flüchtlingen nach Somalia, von denen viele in Kenias riesigen Lagern geboren wurden oder bis zu 22 Jahre dort verbracht haben. MSF ist zwar der Ansicht, dass die Reintegration von Flüchtlingen in Somalia Teil einer konkreten und nachhaltigen Lösung ist; doch die Weiterführung der Hilfeleistungen muss weiterhin für alle beteiligten Parteien Priorität haben.
„Niemand wählt ein Leben als Flüchtling. Die meisten Flüchtlinge kommen mit dem, was sie von der Regierung oder Hilfsorganisationen bekommen, kaum zurecht“, so Jean-Clément Cabrol, operationeller Leiter von MSF. „Die Entscheidung, in das Heimatland zurückzukehren, sollte aus freien Stücken erfolgen und nicht mit gekürzten Hilfeleistungen erzwungen werden.“

Bedingungen für Rückkehr nicht gegeben

Die praktische Umsetzung des trilateralen Abkommens wirft laut MSF einige Fragen auf. „Freiwillige Rückführungen implizieren, dass die Menschen sich der Lage innerhalb Somalias vollumfänglich bewusst sind“, meint Cabrol. Die 22 Jahre Erfahrung, auf die MSF in Somalia zurückblickt, legen den Schluss nahe, dass sichere Bedingungen für die Rückkehr der Flüchtlinge nicht gegeben sind. Nach wie vor herrscht in vielen Teilen des Landes eine hohe Unsicherheit, und es gibt immer noch zahlreiche Vertriebene innerhalb des Landes.
„Die Sicherheit und Würde der Rückkehrenden müssen gewährleistet sein“, betont Cabrol. „Die somalische Regierung und ihre Partner müssten garantieren, dass die Rechte der Rückkehrenden respektiert werden und dass sie Unterstützung erhalten. Gleichzeitig muss die Hilfe in Kenias Flüchtlingslagern für diejenigen, die nicht nach Somalia zurückgehen wollen, aufrechterhalten werden.“

Vier von fünf Flüchtlingen wollen nicht nach Somalia zurück

Eine Erhebung, die MSF im August 2013 im Dadaab-Lager Dagahaley unter Patienten durchführte, ergab, dass vier von fünf Personen angesichts der aktuellen Lage nicht nach Somalia zurückkehren möchten – trotz der schwierigen Lebensbedingungen in den Lagern. Fast die Hälfte der in Dagahaley Befragten gaben an, keine Mittel zu haben, um ihre Unterkünfte in der Regenzeit trocken zu halten; eine von zehn Personen hatte keinen Zugang zu Latrinen und eine von vier gab an, sich nicht sicher zu fühlen. „Diese Ergebnisse machen deutlich, wie gering die Versorgung ausfällt“, so Cabrol.
Beschlüsse von Geldgebern zur Kürzung der Beiträge haben direkte Auswirkungen auf die Flüchtlinge in Dadaab. So wurden unlängst die Essensrationen um zwanzig Prozent verringert, was dazu führte, dass die Flüchtlinge weniger als die von der Weltgesundheitsorganisation WHO empfohlene minimale Kalorienzufuhr pro Tag erhalten.

Reduzierte Hilfeleistungen als Druck auf die Flüchtlinge

Es sei deswegen entscheidend, dass die Hilfe für die Flüchtlinge in Kenia beibehalten werde, meint Cabrol weiter. „Eine Reduktion der Hilfeleistungen in den Lagern könnte als Druck auf die Flüchtlinge interpretiert werden, zurück nach Somalia zu gehen – und das ist inakzeptabel.“
Über die Zukunft der Flüchtlinge in Dadaab wird seit Jahrzehnten diskutiert; einfache Lösungen gibt es nicht. Nichtsdestotrotz gibt es Alternativen: Die internationale Gemeinschaft davon überzeugen, mehr Flüchtlinge ins Ausland umsiedeln zu lassen, Flüchtlinge in einem sichereren Gebiet in Lagern von überschaubarer Grösse unterbringen sowie den Flüchtlingen zu mehr Selbstständigkeit verhelfen.

Flüchtlinge mussten schon zu viel leiden

„Diese Menschen sind verletzlich und mussten schon zu viel leiden“, sagt Cabrol. „Wo auch immer sie leben, müssen ihre Sicherheit, ihre Gesundheitsversorgung und ihre Würde gewährleistet sein.“
MSF ist seit zwanzig Jahren in Dadaab tätig. Im Lager Dagahaley ist die Organisation gegenwärtig die einzige Erbringerin medizinischer Versorgung. Monatlich führen die Teams von MSF über 9'000 ambulante Behandlungen durch und nehmen 600 Patienten – sowohl Flüchtlinge als auch Einheimische – im Spital Dagahaley auf.