Sudan: «Es braucht dringend mehr Hilfe für die Flüchtlinge, sonst droht eine Katastrophe»

Ein Kind trägt Wasserkanister zur nächsten Wasserstelle im Flüchtlingslager Um Rakuba.

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Rund 15000 Menschen, die vor der Gewalt in Äthiopien geflohen sind, haben im Lager Um Rakuba im Sudan Zuflucht gefunden. Hano Yagoub, Notfallkoordinator von Ärzte ohne Grenzen in Gedaref, Sudan, schildert die Lage.

«Als ich Mitte November im Lager Um Rakuba ankam, strömten jeden Tag zahlreiche Menschen herbei. Und es werden immer mehr: ältere Menschen, Kinder, schwangere Frauen, aber die Mehrheit sind junge Menschen zwischen 15 und 25.

Sie erzählen vom unerwarteten Schock, als Kämpfe in ihrer Region ausbrachen, und wie verängstigt sie waren. Sie alle ergriffen umgehend die Flucht in den Sudan. 

Sie hatten keine Zeit, nachzudenken, sie wollten einfach nur fliehen.

Sie konnten nicht einmal mehr ihre Ernte einbringen oder etwas Geld von der Bank abheben. Die meisten nahmen überhaupt nichts mit, ausser den Kleidern, die sie am Leib trugen, hatten sie nichts. Sie haben keine Ahnung, was mit den Sachen geschah, die sie zurückliessen. 

Un réfugié au milieu d’un nuage de poussière.
© Thomas Dworzak/Magnum Photos

Die Menschen waren lange unterwegs. Sie kommen aus verschiedenen Orten und die Reise war für alle beschwerlich. Es ist eine bergige Region, und es mussten viele Hügel und Flüsse überquert werden. Einige reisten im Traktor, doch die meisten waren zu Fuss unterwegs.

Bis jetzt haben rund 52 000 Flüchtlinge den Sudan erreicht, über Hamdayet im Bundesstaat Kassala und das Village Nr. 8 in Gedaref, das an der äthiopisch-sudanesischen Grenze liegt. Sie alle kommen nachher ins Lager Um Rakuba.

Am 16. November eröffnete Ärzte ohne Grenzen im Lager eine Klinik. Nach ihrer langen Reise waren die Menschen erschöpft, litten unter dem Klimawechsel, dem anderen Essen und allgemein unter den neuen Lebensbedingungen.

In den ersten Wochen hatten wir Mühe, mit der grossen Zahl an Menschen fertigzuwerden. Es war eine sehr schwierige Situation für die Flüchtlinge: Es fehlte an Wasser und Nahrung, es gab nicht ausreichend Obdach und die Hygienebedingungen waren schlecht. Mangels Latrinen waren die Menschen gezwungen, ihre Notdurft im Freien zu verrichten.

Dann hat sich die Lage allmählich gebessert und es gibt auch weiterhin jeden Tag kleine Verbesserungen, doch die Lebensbedingungen bleiben schwierig.

Der Hilfsbedarf ist riesig: Es braucht mehr Unterkünfte, Wasser, Nahrung, grundlegende Hilfsgüter und bessere sanitäre Einrichtungen.

Das Lager war ursprünglich für 6000 Menschen konzipiert worden. Zurzeit wird es erweitert und sollte nachher Platz für 30 000 Menschen bieten, doch im Moment ist es für die 15 000 Bewohner*innen sehr eng. Einige leben in Behausungen aus Gras und Holz, andere teilen sich mit mehreren Familien ein Zelt und gewisse finden nichts als einen Baum, unter dem sie schlafen können.

Nun hat der Winter begonnen, was bedeutet, dass es tagsüber sehr heiss wird und die Nächte kalt sind. Die Flüchtlinge brauchen deshalb Unterkünfte, die besseren Schutz vor dem Wetter bieten. 

Das Wasser wird in Lastwagen ins Lager transportiert und dort in grossen Plastiktanks aufbewahrt. Nahrung wird vom Welternährungsprogramm (WFP) verteilt, entweder als fertige Mahlzeiten oder als Lebensmittelrationen, damit die Menschen selbst kochen können. Es gab auch schon einige Hilfsgüterverteilungen, doch längst nicht genug. 

In unserer Klinik geben wir unser Bestes, um uns möglichst gut um die gesundheitlichen Belange zu kümmern.

Unser medizinisches Team bietet medizinische Grundversorgung, sexuelle und reproduktive Gesundheitsleistungen, Schwangerschaftsuntersuchungen und die Betreuung von Geburten an. Viele aus dem Team sind selbst Flüchtlinge. Wir möchten möglichst alle Leistungen der Grundversorgung abdecken, dazu sind Pflegefachleute, Ärzt*innen und Hebammen im Einsatz, darunter etwa zehn internationale Mitarbeitende. 

Wir organisieren auch Spitalüberweisungen und transportieren zum Beispiel schwangere Frauen mit Komplikationen oder Patient*innen in kritischem Zustand in Spitäler in Gedaref oder Dokka. Will man das Spital über das Village Nr. 8 erreichen, kann dies eine ziemliche Herausforderung sein, da bei der Fahrt ein Fluss überquert werden muss und die Fähre häufig ausser Betrieb ist. Manchmal muss man einen ganzen Tag warten, bis sie wieder geflickt ist – was natürlich alles andere als einfach ist, wenn man einen Patienten in lebensbedrohlichem Zustand dabeihat. 

Des réfugiés remplissent leurs jerrycans au point d’eau.
© Thomas Dworzak/Magnum Photos

Unsere Teams helfen auch bei der Wasserversorgung: Sie bringen zusätzliche Lastwagenladungen, chlorieren das Wasser und stellen grosse Plastiktanks zur Verfügung. Ausserdem bauen sie im ganzen Lager Latrinen und Handwaschstationen, damit die Menschen ihre Notdurft nicht mehr im Freien verrichten müssen, was auch katastrophale Folgen für die Umwelt hätte.

In den kommenden Wochen werden noch einmal zahlreiche Menschen von Hamdayet ins Lager gebracht werden. Im Hinblick auf diese enorme Zahl von Flüchtlingen müssen Hilfsorganisationen ihre Anstrengungen weiter vorantreiben. Wird die Hilfe nicht bald aufgestockt, droht eine Katastrophe.»