„Ohne Dialyse würden unsere Nierenpatienten im Irak sterben“

A l’hôpital de Kirkouk, MSF forme le personnel irakien à des soins bien particuliers: le traitement des insuffisances rénales par la dialyse

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Im Spital von Kirkuk im Norden Iraks werden derzeit ungefähr zwanzig Dialyse-Patienten behandelt. Dies ist jedoch nur ein Bruchteil der Nierenkranken in dieser Region, die eine solche Behandlung benötigen. Dr. Patrick Ruedin, der das MSF-Team vor Ort besuchte, berichtet von seinen Eindrücken.

Es ist noch immer sehr schwierig, im Irak zu arbeiten. Die Sicherheitslage hat sich in den letzten zwei Jahren zwar leicht verbessert, aber sie ist noch immer instabil. Vor diesem sich ständig ändernden Hintergrund versucht MSF, der irakischen Bevölkerung beizustehen. Zu den Tätigkeiten gehört auch die Unterstützung des Spitals von Kirkuk, einer Stadt mitten im Ölfördergebiet Nordiraks, die von kurdischen und arabischen Gruppen umkämpft wird.

Das Gesundheitssystem von Irak liegt nach zwei Kriegen, mehreren Jahren eines Handelsembargos und sieben Jahren Instabilität und Gewalt praktisch am Boden. Die noch existierenden Einrichtungen sind personell stark unterbesetzt, und die Notaufnahmen und Operationssäle sind ständig überlaufen. Wie in anderen Ländern dieser Region nimmt auch hier die Häufigkeit von Beschwerden wie Diabetes, Nierenkrankheiten und Herz-Kreislauf-Krankheiten wieder stark zu. Es ist nicht einfach, in einem derart kriegszerütteten Land etwas gegen diese Krankheiten zu tun.

In Kirkuk schult MSF das einheimische Personal für spezialisierte Behandlungen, insbesondere das Dialyse-Verfahren bei Nierenversagen. Dabei übernimmt ein künstlicher Ersatz – die Dialyse-Maschine – die Funktion des kranken Organs, um das Blut des Patienten von den Giftstoffen zu reinigen. Diese Behandlung ist sehr aufwendig und verlangt eine fachärztliche Aufsicht. Die zuständigen Ärzte müssen von Grund auf geschult werden, damit sie wieder auf dem neusten Stand sind. Dies ist kein unrealistisches Ziel: Vor dem Golfkrieg von 1991 und dem Embargo hatte der Irak ein fortschrittliches Gesundheitssystem. Als Erstes plant MSF nun die Erweiterung der Kapazität auf 80 Dialyse-Patienten, die drei Mal pro Woche behandelt werden.

Patrick Ruedin, der als Arzt in Sierre arbeitet, besuchte im Oktober Kirkuk, um den Behandlungsbedarf abzuklären. Er verfügt über 25 Jahre Erfahrung mit Nierenpatienten und war in den achtziger Jahren bei zahlreichen humanitären Einsätzen im Mittleren Osten und im Tschad dabei.

Wie lange waren Sie jetzt im Irak?

Patrick Ruedin: Eine Woche, einschliesslich zwei Tage in Kirkuk. Ich war schon einmal im Oktober 2009 da, um eine erste Einschätzung der Situation vorzunehmen. Damals wurde das Gebäude, wo normalerweise die Dialyse-Patienten untergebracht sind, gerade renoviert, und die Teams konnten nicht arbeiten. Seit Januar 2010 erhalten ungefähr 20 Patienten diese lebensrettende Behandlung. Wobei man bedenken muss, dass die Bevölkerung um Kirkuk herum etwa eine Million Menschen beträgt. In der Schweiz befänden sich auf dieselbe Anzahl Einwohner etwa 600 Patienten in Dialyse. Daran sieht man, wie viel noch getan werden muss.

Soll sich eine humanitäre Organisation wie MSF in einem derart komplexen Behandlungsbereich überhaupt engagieren?

Die Zahl der behandelten Patienten ist tatsächlich nicht sehr hoch. Ohne Behandlung würden sie aber sterben. Man kann die Dialyse als Elite-Behandlung sehen, während es zugleich viel dringendere Bedürfnisse gibt. Aber dem Irak fehlen nun einmal die Mittel, um diesen medizinischen Spezialbereich wieder aufzubauen. Die Spitäler brauchen nur ein bisschen Anstosshilfe. So hat MSF mich als Nephrologen angefragt, da sie selbst keine internen Experten auf diesem Gebiet haben, und es hat sich eine spannende Partnerschaft entwickelt. Wir haben gerade zehn Dialyse-Maschinen nach Kirkuk geschickt, die davor in Schweizer Spitälern im Einsatz waren. MSF hat wichtige Schulungen im Bereich der Hygiene und der Krankenpflege durchgeführt und koordiniert die technische Wartung der Wasserversorgung und der Dialyse-Ausrüstung.

Wie sieht die weitere Zusammenarbeit mit dem Spital in Kirkuk aus?

Das irakische Gesundheitspersonal muss noch besser ausgebildet werden, damit in diesem Spezialgebiet auch wirklich die bestmögliche Behandlung angeboten werden kann. Als Facharzt für Nierenkrankheiten und Präsident der Humanitären Kommission der Schweizerischen Gesellschaft für Nephrologie bleibe ich weiterhin der Garant für die Qualität der medizinischen Arbeit in Kirkuk. Ich bin auch die Verbindungsperson zwischen den irakischen und den Schweizer Spitälern, insbesondere über die Abteilung für Nephrologie des Genfer Universitätsspitals, wo ich als Berater und Professor an der medizinischen Fakultät tätig bin. Wir wollen den Kontakt jetzt auch über das Internet weiter intensivieren. Diese Art von Zusammenarbeit ist besonders für umfassende Analysen wichtig. Zur Reinigung des Bluts von Patienten benötigt man hochreines Wasser, und eine Dialyse-Maschine braucht etwa 30 Liter pro Stunde. Eine genaue Wasseranalyse kann im Irak aber nicht durchgeführt werden, nicht einmal in Schweizer Spitälern ist dies möglich, dafür sind spezielle Labors nötig.

Welche Sicherheitsvorkehrungen wurden für Ihre Reise in den Irak getroffen?

Mein Aufenthalt war nur kurz, und ich habe keine besonderen Spannungen bemerkt. Für die Fahrt zum Spital im Stadtzentrum braucht man etwa 15 Minuten. MSF setzt keine bewaffneten Sicherheitsleute ein, da die Organisation nicht für eine Konfliktpartei gehalten werden will. In der Stadt befinden sich viele verschiedene bewaffnete Gruppen, aber die Lage scheint gerade ruhig zu sein. Im Spital arbeiten die verschiedenen Bevölkerungsgruppen Seite an Seite miteinander, ohne irgendwelche Probleme. Auch deshalb ist es wichtig, dieses Spital zu unterstützen, da es Menschen aus verschiedenen Gemeinschaften zusammenbringt und so die jüngsten Spannungen im Irak heilen hilft.

Trotz des schwelenden Konflikts im Irak, der es für humanitäre Organisationen schwierig macht, im Land zu arbeiten, versucht MSF weiterhin, der irakischen Bevölkerung eine medizinische Versorgung zu bieten. Seit 2006 betreibt MSF überall im Irak sowie in den Nachbarländern wie Jordanien und Syrien zahlreiche Hilfsprogramme.
Als internationale medizinische Nothilfeorganisation bemüht sich MSF um eine kostenlose medizinische Behandlung für Menschen, die unter Naturkatastrophen, bewaffneten Konflikten, Seuchen oder allgemein einem erschwerten Zugang zu Gesundheitsdiensten leiden. MSF bietet neutrale und unparteiische Hilfe, ungeachtet von Herkunft, Religion, Geschlecht und politischer Überzeugung. MSF ist eine unabhängige gemeinnützige Organisation und wurde 1971 gegründet. Heute ist MSF eine internationale Bewegung, die in 65 Ländern rund um den Globus aktiv ist.
MSF nimmt auch für die Projekte im Irak keine Gelder von Regierungen, religiösen Vereinigungen oder internationalen Organisationen an, sondern stützt sich für die Arbeit an der Seite der Ärmsten einzig auf private Spenden von Menschen aus der ganzen Welt.

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