Kenia: In Mombasa schafft unser Team konkrete Angebote für Jugendliche, junge Erwachsene und Minderheiten

Ein «Peer-Educator» während einem Gespräch mit Jugendlichen in der Bamburi-Klinik. Kenia, Mai 2022.

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Seit Jahren ist ein Team von Ärzte ohne Grenzen/Médecins Sans Frontières (MSF) in der kenianischen Stadt Mombasa im Einsatz. Aus einer von der humanitären Hilfsorganisation durchgeführten Umfrage im Jahr 2021 ging hervor: Für Jugendliche und junge Erwachsene gibt es kaum Gesundheitsangebote, insbesondere für solche mit besonderen medizinischen oder psychologischen Bedürfnissen. Das Team möchte diese Lücke in der Versorgung nun schliessen.

Gewisse Bevölkerungsgruppen sind von Gesundheitsdiensten nahezu ausgeschlossen. Das Gesundheitsministerium nennt sie «key populations». Dazu gehören Sexarbeiter:innen, Obdachlose, Menschen, die Drogen konsumieren, Transgender und nicht-binäre Personen. Auch Männer, die Sex mit Männern haben oder Frauen, die Sex mit Frauen haben, fallen darunter. Diese Gruppen haben in der Regel höhere Gesundheitsrisiken, kämpfen häufiger mit psychischen Problemen – und werden im Vergleich zu anderen stärker ausgegrenzt.

«Für solche Menschen ist es oft schwer, passende medizinische Angebote zu finden», erklärt Marcos Tamariz, unser Projektkoordinator. «Das hat mit Stigmatisierung und Diskriminierung zu tun oder damit, dass Gesundheitsmitarbeitenden das benötigte Wissen und die Erfahrung fehlt. So passiert es häufig, dass die medizinische Versorgung ihren Bedürfnissen nicht entspricht – oder ihnen sogar komplett verweigert wird.»

Besondere Lücken entdeckte unser Team in der sexuellen und reproduktiven Gesundheitsversorgung. Viele Befragte berichteten von Schwangerschaften im Teenageralter, Abtreibungsversuchen und sexualisierter und geschlechtsspezifischer Gewalt. Kaum jemand gab an, eine angemessene Beratung oder Behandlung erhalten zu haben. Auch der Bedarf an psychosozialer Hilfe stellte sich als hoch heraus, die Angebote hingegen als mangelhaft oder nicht existent.

Es ist von entscheidender Bedeutung, dass diese Personengruppen ungehinderten Zugang zu Gesundheitseinrichtungen erhalten. Sie sollen sich professionell beraten und behandeln lassen können – und zwar ganz ohne Angst. ​

Marcos Tamariz, Projektkoordinator

Das Vertrauen gewinnen

In enger Zusammenarbeit mit der Gesundheitsbehörde des Bezirks Mombasa hat Ärzte ohne Grenzen 2021 ein konkretes Angebot für Jugendliche und junge Erwachsene geschaffen. Ziel war es, Menschen im Alter von zehn bis 24 Jahren, die sich ausgegrenzt oder von der Gesundheitsversorgung ausgeschlossen fühlen, den Zugang zu Beratung und Behandlung zu erleichtern.

«Durch meine Arbeit mit Familien, die auf der Strasse leben, hat sich mein Bild von ihnen komplett gewandelt», sagt Barnabas Mwaivu, der Jugendliche als «Peer-Educator» in Ganjoni begleitet. «Sie sind Menschen wie du und ich. Wenn man ihnen mit Respekt begegnet und Interesse zeigt, öffnen sie sich dir.»

Jugendliche willkommen

Unser Team organisiert gemeinsam mit lokalen Organisationen, Gemeindevertreter:innen und jungen Menschen regelmässig Aktivitäten, die sich konkret an Jugendliche richten. In speziell dafür ausgestatteten Räumlichkeiten bieten die Teams von MSF ein breites Spektrum an Gesundheitsdiensten an. Dazu gehören Gesundheitsförderung und Prävention sowie Unterstützung im Bereich reproduktive Gesundheit. Es gibt psychologische und psychosoziale Angebote, medizinische Versorgung für Menschen, die sexualisierte oder geschlechtsspezifische Gewalt erlebt haben und Hilfe bei der Familienplanung. Zudem behandeln unsere Teams Menschen, die sich mit HIV oder Hepatitis angesteckt haben. Das Programm umfasst ausserdem Aktivitäten in den Bereichen Ernährung, Hygiene, wirtschaftliches Empowerment sowie Unterstützung bei rechtlichen Fragen.

«Ich habe häufig mit jungen Müttern zu tun, die auf der Strasse leben», sagt Khadija Khamisi. Als «Peer Educator» teilt sie ihre Erfahrung mit Gleichgesinnten in Ganjoni. «Viele junge Frauen werden ungewollt schwanger. Es ist dringend nötig, das Bewusstsein für sexuelle und reproduktive Gesundheit zu schärfen. Junge Menschen müssen informiert werden und sich so schnell wie möglich behandeln lassen. In unserem Zentrum fühlen sie sich wohl. Denn sie wissen, dass hier absolute Diskretion herrscht.»

Zwei Jahre nach Beginn des Projekts haben Ärzte ohne Grenzen und die Gesundheitsbehörde von Mombasa eine Studie lanciert. Sie richtet sich an junge Menschen im Alter von zehn bis 24 Jahren und hat zum Ziel, möglichst viel Informationen über deren Gesundheit und Wohlbefinden zu sammeln. So können die medizinischen Dienste verbessert und optimal auf die Bedürfnisse dieser Gruppe abgestimmt werden.

 

Ärzte ohne Grenzen bietet in Kenia eine Reihe medizinischer Dienste an. Unsere Teams behandeln chronische Leiden und Infektionskrankheiten, versorgen Geflüchtete und Menschen, die Drogen konsumieren oder Gewalt erlebt haben. Seit Januar 2022 führten die Teams in Mombasa 7087 Konsultationen zur medizinischen Grundversorgung und 164 psychologische Beratungsgespräche durch. Nahezu 8700 erhielten Unterstützung im Bereich Gesundheitsförderung. Unsere Teams schulten Gesundheitsmitarbeitende in Mombasa im Umgang mit Menschen, die sexualisierte oder geschlechtsspezifische Gewalt erlebt haben in Bezug auf Stigmatisierung und Diskriminierung und bildete «Peer Educators» in psychologischer Erster Hilfe aus.