Eswatini: 5 Fakten über unsere Projekte in der Region Shiselweni

Ein MSF-Krankenpfleger erklärt einem Patienten die Tuberkulosebehandlung in der Region Shiselweni. Eswatini, September 2020.

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Nach 16 Jahren vor Ort bereitet sich Ärzte ohne Grenzen/Médecins Sans Frontières (MSF) darauf vor, die Region Shiselweni zu verlassen. Das Projekt in Nhlangano geht zu Ende. Um das Fortbestehen des erfolgreichen HIV- und Tuberkulose-Programms in Shiselweni sicherzustellen, arbeiten unsere Teams im Land auch weiterhin eng mit dem Gesundheitsministerium Eswatinis zusammen.

Bernhard Kerschberger leitet den Einsatz vor Ort. Er blickt auf unsere Arbeit seit 2007 zurück und fasst die medizinischen Projekte in Eswatini in fünf wichtigen Fakten zusammen.

1. HIV- und Tuberkulose-Therapien

Mit der Entwicklung von HIV- und Tuberkulose-Therapien und dem verbesserten Zugang zu Informationen hat das Gesundheitswesen der Region Shiselweni bedeutende Fortschritte verzeichnet.

Der Bereich des Gesundheitswesens, der sich in den vergangenen Jahren besonders entwickelt hat, ist die Behandlung und das Management von HIV und Tuberkulose (TB). Als unsere Teams 2007 in die Region Shiselweni kamen, gab es nur drei Spitäler, in denen eine Behandlung für diese Krankheiten angeboten wurde. Heute verfügen Kliniken in der ganzen Region über die nötigen Therapien.

Neben der erhöhten Verfügbarkeit von Medikamenten hat sich auch das Verständnis dieser Krankheiten bei der Bevölkerung verbessert. Früher zirkulierten viele Mythen rund um HIV und TB, doch heute haben die Menschen Zugang zu fundierten Informationen und verstehen, wie man diese Krankheiten vermeiden bzw. mit ihnen leben kann. So müssen viele Betroffene ihre HIV-Infektion nicht länger geheim halten, während manche sogar offen darüber sprechen, wie sie mit dem Virus leben.
Ein weiterer wichtiger Faktor für den Behandlungserfolg ist die Therapietreue. In der Vergangenheit war das Nichteinhalten des Therapieplans eine häufige Todesursache, wobei dieses Verhalten oft auf die Schwierigkeit zurückzuführen war, dass die einzunehmenden Medikamente bei der älteren Generation mit mehr Nebenwirkungen verbunden waren. Mit der Entwicklung neuer, wirksamerer Medikamente mit weniger Nebenwirkungen hat sich die Therapietreue stark verbessert.
Insgesamt hat das Gesundheitswesen in der Region Shiselweni in vielerlei Hinsicht Fortschritte verzeichnet, und die Verfügbarkeit wirksamer Medikamente mit geringen Nebenwirkungen hat massgeblich dazu beigetragen.

2. Schulung von Gesundheitspersonal

Zu unseren Haupttätigkeiten in der Region Shiselweni gehörte die Schulung von Gesundheitspersonal im Bereich HIV- und TB-Diagnostik und -Behandlung. Dabei lag das Augenmerk besonders auf schwer zu erreichenden Risikogruppen und einem Ansatz, der die Bedürfnisse der Patient:innen in den Mittelpunkt stellt.

Als wir 2007 die Arbeit in der Region Shiselweni aufgenommen haben, lag unser Hauptfokus auf der Dezentralisierung der Gesundheitsdienstleistungen. Dazu schulten wir Gesundheitspersonal für die Diagnose und Behandlung von HIV und TB sowie die Kommunikationsarbeit über Stigmatisierung und Prävention bei den Risikogruppen. Gemeinsam mit den lokalen Gesundheitsbehörden arbeiteten wir daran, besonders gefährdete Personen zu identifizieren und zu erreichen, von denen viele in abgelegenen Gebieten lebten und stundenlange Fussmärsche bis zur nächsten Gesundheitseinrichtung in Kauf nehmen mussten.

Diese Neuerungen umzusetzen, brachte jedoch auch einige Herausforderungen mit sich. Der Prozess zur Einführung dieser innovativen Ansätze verlangte viel Geduld, während gleichzeitig darauf geachtet werden musste, Verzögerungen bei der Bereitstellung ausreichender HIV- und TB-Tests und -Medikamenten zu vermeiden. Für uns stehen die Bedürfnisse der Patient:innen an oberster Stelle. Das kann mitunter zu abrupten Veränderungen bei den Behandlungsprotokollen und der Erbringung medizinischer Leistungen führen. Diese Veränderungen an alle Anspruchsgruppen zu kommunizieren, stellte sich als Herausforderung heraus.
Unter dem Strich können wir sagen, dass unsere Bemühungen zur Dezentralisierung der Gesundheitsdienstleistungen in Eswatini erfolgreich waren. Patient:innen in entlegenen Gebieten haben nun Zugang zu Diagnose und Behandlung sowohl für HIV als auch für TB. Ausserdem haben wir mit unseren Informationskampagnen mit Mythen über diese Krankheiten aufgeräumt, wodurch die Rolle von Prävention und Therapie besser verstanden wird.

Durch die Zusammenarbeit mit den lokalen Gesundheitsbehörden und die strikte Orientierung an den Bedürfnissen der Patient:innen konnten wir das Gesundheitswesen nicht nur in der Region Shiselweni sondern in ganz Eswatini positiv beeinflussen.

3. Schnelle Umsetzung

Die Geschwindigkeit, mit der sich unser Projekt in der Region entwickelt hat, ist beeindruckend. Innovative und umfassende Therapien konnten wir schneller als viele andere Partnerorganisationen umsetzen.

Wenn ich mir die Entwicklungen der letzten Jahre so anschaue, kann ich einfach nur staunen. Dank der innovationsförderlichen Kultur von Ärzte ohne Grenzen/Médecins Sans Frontières (MSF) konnten wir Veränderungen schneller als erwartet herbeiführen. Ein Beispiel hierfür ist unser Einsatz im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie. Während viele Organisationen noch mit der Planung ihrer Einsätze befasst waren, waren wir die erste und einzige medizinische Organisation, die ein häusliches Betreuungsprogramm für TB-Patient:innen einführte, wodurch die Gefahr einer Ansteckung mit dem Virus für diese Patientengruppe, die häufig weite Strecken bis zu den Gesundheitszentren zurücklegen musste, verringert werden konnte.

An diesem Innovationsmuster hielten wir über all die Jahre fest. Wir waren in der Lage, umfassende und zeitige Behandlungen für Menschen mit HIV, HIV-Selbsttests, Videobeobachtung der Einnahme von TB-Medikamenten sowie neue Diagnose- und Behandlungsansätze bei sexuell übertragbaren Krankheiten einzuführen.

Dabei wurden diese Neuerungen zunächst in der Region Shiselweni entwickelt und anschliessend auf das ganze Land ausgeweitet. Von anderen als Referenz für Wandel und gute Praktiken angesehen zu werden, während wir all diese Initiativen stets an den Patientenbedürfnissen ausrichteten, erfüllte mich mit grossem Stolz.

4. Weiterführung und Adaption der Tätigkeiten in der Region Manzini

Unsere Teams verlegen ihre Tätigkeiten nun nach und nach aus Shiselweni in die Region Manzini. Geplant ist dabei, die enge Verbindung zum Gesundheitsministerium aufrechtzuerhalten, um neue Bedürfnisse anzugehen.

Um den Übergang von Shiselweni nach Manzini so reibungslos wie möglich zu gestalten, haben wir ein schrittweises Vorgehen gewählt. Wir arbeiten eng mit den lokalen Gesundheitsbehörden und anderen Anspruchsgruppen zusammen, um sicherzustellen, dass die Initiativen, die wir im Laufe der Jahre umgesetzt haben, auch weiterhin für bedürftige Patient:innen funktionieren. Als Organisation wissen wir, dass sich die Bedürfnisse der Zielgruppen ständig verändern, und wir sind bestrebt, unsere Programme immer wieder neu auszurichten, um diesen Veränderungen gerecht zu werden.

In den letzten Jahren haben wir einen wachsenden Bedarf an Dienstleistungen im Bereich der sexuellen Gesundheit festgestellt, dazu gehören auch Tests und Behandlungen für sexuell übertragbare Krankheiten sowie Familienplanung. Wir sind uns auch der zunehmenden sexualisierten und geschlechtsspezifischen Gewalt bewusst. Diese hängt häufig mit Armut zusammen und hat sich insbesondere aufgrund der wirtschaftlichen Schwierigkeiten im Zuge der Covid-19-Pandemie verstärkt. Die Betreuung und Unterstützung der Betroffenen dieser Gewalt ist uns ein grosses Anliegen.

Unser Ziel ist es nach wie vor, Menschen, die medizinische Hilfe am nötigsten brauchen, hochwertige Gesundheitsversorgung bereitzustellen. Wir werden unsere enge Zusammenarbeit mit den lokalen Behörden fortsetzen, um zu gewährleisten, dass unsere Programme mit den Bedürfnissen der Menschen Schritt halten.

5. Miteinbezug der lokalen Bevölkerung

Unsere Mitarbeitenden, die aus der Lokalbevölkerung rekrutiert wurden, darunter auch Menschen mit HIV, wurden zu einem wichtigen Teil unseres Teams und leisteten schon früh einen wichtigen Beitrag im Kampf gegen Stigmatisierung.

Einer der lohnendsten Aspekte unserer Arbeit war die Einstellung und Ausbildung von Menschen aus der Lokalbevölkerung, die offen mit HIV leben. Wir erkannten das Potenzial dieser Menschen bei der Bekämpfung des Stigmas, das HIV umgibt, und ihre Vorbildfunktion für andere Patient:innen. So schulten wir sie in der Beratung, und als «Expert:innen durch Erfahrung» konnten sie anderen Patient:innen Unterstützung anbieten.

Sie wurden zu einem wichtigen Teil unseres Teams und spielten eine zentrale Rolle im Aufbau einer persönlichen Beziehung zu den Patient:innen. Viele von ihnen blieben jahrelang bei uns und wurden zu den stillen Helden unseres Programms. Sie standen nie im Rampenlicht, bildeten gleichzeitig aber das Rückgrat unseres verstärkt patientenorientierten Ansatzes, der seinen Ursprung in der Lokalbevölkerung hatte.

Auch in der Region Manzini hoffen wir, diesen Ansatz aus Shiselweni übernehmen zu können und weiterhin solche «Expert:innen aus Erfahrung» für ihre Beratungsrolle zu schulen. Für uns ist dieser Ansatz entscheidend dafür, dass die Patient:innen die Unterstützung erhalten, die sie brauchen, und unsere Programme in der lokalen Gemeinschaft verwurzelt bleiben.

«Meine Botschaft an unsere Teams und Partner:innen ist in erster Linie: Danke! Keine dieser Initiativen wäre ohne solch gute und konstruktive Zusammenarbeit möglich gewesen. Oft habe ich den Satz gehört: ‹Humanitäre Arbeit bedeutet, das zu tun, wozu andere nicht bereit sind, damit sich die Dinge zum Positiven wenden.› In Eswatini habe ich das in Aktion gesehen. Konkret habe ich gesehen, dass wir schneller als viele andere Partnerorganisationen waren, wodurch wir Patient:innen rascher eine wirksame und umfassende Gesundheitsversorgung anbieten konnten. So werden Leben gerettet.»

Bernhard Kerschberger, Einsatzleiter von Ärzte ohne Grenzen in Eswatini

Das Projekt in Nhlangano wurde im Jahr 2022 von der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit DEZA, Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten EDA, mitfinanziert.