Diabetes: Wenn Behandlung auch zu Hause möglich ist

Nyanjima Mayot, agée de 12 ans, souffre du diabète. Elle fait partie du programme d'insuline à domicile offert par MSF.

Südsudan4 Min.

Nyanjima ist eine von vielen Diabetikerinnen, die mit solchen Schwierigkeiten zu kämpfen haben. Um das Leben dieser Patienten zu vereinfachen, hat das MSF-Team in Agok ein Insulin-Programm für die Behandlung zu Hause eingeführt.

Nyanjima – das Mädchen, das Ärztin werden will

Von der Hauptstrasse zwischen Agok und Abyei führt eine schlammige Piste zum Dorf Wodchay. An einem der Wege im Dorf liegt die Hütte von Nyanjima Mayot. Nyanjima ist ein stilles zwölfjähriges Mädchen mit sanfter Stimme. Die Freude ist ihr deutlich anzusehen, als ein Team von Médecins Sans Frontières/Ärzte ohne Grenzen (MSF) aus dem Spital in Agok im Dorf auftaucht. Das Team besteht aus einer für Schulungen zuständigen Pflegefachfrau sowie einer Pflegehelferin, die über zehn Kilometer gefahren sind, um den Gesundheitszustand ihrer Patienten zu kontrollieren.
Nyanjima ist das fünfte von sechs Geschwistern und sie leidet an Diabetes. Im Jahr 2013 brach Nyanjima eines Morgens in der Primarschule Ganga in Abo-tok mitten im Unterricht zusammen. Sofort wurde sie zur nächsten Krankenstation gebracht, wo sie versorgt wurde und bald wieder bei Bewusstsein war. Zwei Tage später wurde Nyanjima erneut ohnmächtig, und ihre Eltern wurden angewiesen, sie ins MSF-Spital in Agok zu bringen. «Die Diagnose von Nyanjima lautete auf Diabetes mellitus Typ 1, und sie erhielt sogleich Insulin», erklärt die MSF-Pflegefachausbilderin Saviour Dombojena.

Trennung der Familie

Bei Diabetes vom Typ 1 sind tägliche Insulininjektionen nötig; wegen des weiten Wegs von ihrem Zuhause zum Spital war es für Nyanjima jedoch nicht möglich, jeden Tag zur Behandlung kommen. Ihre Mutter hatte keine andere Wahl, als mit Nyanjima nach Agok zu gehen, wo diese behandelt wurde, und die Geschwister beim Vater zu lassen. Nyanjimas Mutter war für den Lebensunterhalt der Familie zuständig, und diese Aufgabe wurde jetzt dem Vater übertragen. Er hatte jedoch Mühe, allein für die Familie zu sorgen. Nyanjimas Mutter musste deshalb nach Hause zurückkehren und Nyanjima in der Obhut einer Verwandten in Agok lassen.
Mit dieser Situation war Nyanjima allerdings nicht sehr glücklich. Einen grossen Teil des Tages verbrachte sie im Spital. Sie ging nicht mehr zur Schule, ihre Familie fehlte ihr und sie fühlte sich immer einsamer.
Familienzusammenführung dank Behandlung zu Hause
Nyanjima ist eine von vielen Diabetikerinnen, die mit solchen Schwierigkeiten zu kämpfen haben. Um das Leben dieser Patienten zu vereinfachen, hat das MSF-Team in Agok ein Insulin-Programm für die Behandlung zu Hause eingeführt.
«Die Menschen kamen aus Dörfern und Städten, die mehrere Tagesreisen entfernt lagen, zu uns in die Behandlung», erzählt Dombojena. «Viele Familien wurden auseinandergerissen und andere mussten sich in Agok eine zusätzliche Unterkunft suchen. Wegen der schlechten Wirtschaftslage konnten viele sich dies überhaupt nicht leisten.»
Das Programm zur Insulin-Behandlung zu Hause wurde im Juli 2015 lanciert, nachdem eine Studie gezeigt hatte, dass einige Arten von Insulin eine bestimmte Zeit lang ohne Kühlung aufbewahrt werden können. Dies ist ein bedeutender Fortschritt für den Südsudan, wo die Temperaturen mehr als 45 Grad erreichen können und die Kühlung von Arzneimitteln eine grosse Herausforderung darstellt, da viele Gegenden keine Stromversorgung haben.

Schulungen zur Verabreichung von Insulin

MSF beschloss deshalb, die Patienten und das Pflegefachpersonal zu schulen, damit die Patienten sich das Insulin selber verabreichen können und nicht mehr jeden Tag das Spital aufsuchen müssen.
«Wir haben ihnen gezeigt, wie man ein Blutzucker-Messgerät bedient, wie man die Ernährung umstellt und wie man sich Insulin injiziert», fährt Dombojena fort. «Unter medizinischer Aufsicht mussten sie dann in Theorie und Praxis unter Beweis stellen, dass sie in der Lage sind, sich Insulin zu verabreichen, bevor sie schliesslich nach Hause entlassen wurden.»
MSF bietet kostenlos Insulin, Behandlungen und Schulungen an. Die Diabetiker kommen einmal pro Monat ins Spital, um ihr Insulin abzuholen und sich untersuchen zu lassen. Sie werden aber auch ermuntert vorbeizukommen, wenn sie ungewöhnliche Beschwerden haben.
Heute nehmen 19 Patienten am Behandlungsprogramm zu Hause teil. So können die Patienten ihren gewöhnlichen Tätigkeiten nachgehen und Reisekosten sparen, und die Familien müssen sich nicht auf unbestimmte Zeit trennen.
Für Nyanjima bedeutet es, dass sie wieder bei ihrer Familie leben kann, da sie nicht mehr jeden Tag ins Spital fahren muss. Mittlerweile kann sie sich das Insulin unter Aufsicht der Mutter selber injizieren.
Nyanjima ist froh, dass sie wieder bei ihren Geschwistern und bei ihren Eltern sein kann. Sie geht auch wieder zur Schule und hofft, dereinst ihren Traum realisieren zu können: Sie will Ärztin werden. «Viele Leute im Dorf müssen leiden, weil sie krank sind», erklärt Nyanjima. «Und ich möchte sie wieder gesund machen», fügt sie strahlend hinzu.
Das MSF-Spital in Agok ist die einzige Einrichtung für weiterführende Behandlungen im Verwaltungsgebiet Abyei für insgesamt 150'000 Menschen. MSF arbeitet seit 1983 in der Region, die mittlerweile offiziell Republik Südsudan heisst, und betreibt hier 17 reguläre medizinische Projekte. 2015 führte MSF im Südsudan annähernd eine Million medizinische Sprechstunden durch.