Bergkarabach, Armenien: Ärzte ohne Grenzen bietet Vertriebenen psychologische Unterstützung

Unsere Teams beraten Menschen, die aus Bergkarabach geflohenen sind, zu psychischer Gesundheit und bieten psychologische Erstversorgung an. Goris, Südarmenien, 28. September 2023.

Armenien / Aserbaidschan2 Min.

Am 19. September griff Aserbaidschan mehrere Orte in Bergkarabach an. Die selbsternannte Republik ist staatsrechtlich Teil von Aserbaidschan, wurde jedoch mehrheitlich von Armenier:innen bewohnt. Vierundzwanzig Stunden später verkündeten alle Parteien einen Waffenstillstand. Seitdem sind bereits mehr als 100 000 Bewohner:innen über den seit zehn Monaten blockierten Latschin-Korridor nach Armenien geflohen.

Die vertriebenen Menschen brauchen unter anderem auch dringend psychologische Unterstützung. Am 28. September begann Ärzte ohne Grenzen / Médecins Sans Frontières (MSF) entsprechende Aktivitäten in einem Empfangszentrum in Goris in Armenien. Innerhalb weniger Tage haben unsere zwei Psycholog:innen mehr als 200 psychologische Konsultationen abgehalten.

Wir haben es mit Menschen zu tun, die alles verloren haben.

Narine Danielyan, unsere medizinische Expertin in Goris

«Unser Ansatz umfasst mehrere Aspekte: Vertrauensbildung, Wohlergehen, Stabilisierung von Menschen in akuter Not, praktische Hilfe, Wiederherstellung sozialer Bindungen und Bereitstellung von Hilfsmitteln zur Bewältigung der Situation. Wir bringen sie auch in Kontakt zu weiteren Hilfsangeboten», erklärt Narine Danielyan, unsere medizinische Expertin in Goris.

Viele der Menschen sind erschöpft, tragen mehrere Taschen bei sich und benötigen spezifische Unterstützung – oder einfach ein offenes Ohr für ihre Sorgen und Erlebnisse. Die meisten leiden an psychosomatischen Problemen. Unsere Mitarbeitenden beobachten bei den Patient:innen Stress, Zukunftsängste, Schock, Verleugnung, Angst, Wut, Kummer, Schlafstörungen sowie körperliche Symptome wie Magen- oder Kopfschmerzen. Das ist jedoch nur die Spitze des Eisbergs in Bezug auf das Leid, das auf die Menschen langfristig zukommen dürfte.

Eine unserer Psychologin berät eine Person, die aus Bergkarabach geflohen ist. Goris, Südarmenien, 28. September 2023.

Eine unserer Psychologin berät eine Person, die aus Bergkarabach geflohen ist. Goris, Südarmenien, 28. September 2023.

© MSF

«Eine Frau kam zu uns und sagte immer wieder, dass sie sofort nachhause gehen wollte und unsere Hilfe brauchte», erzählt Danielyan. «Fast alle, mit denen wir sprechen, haben eine nahestehende Person verloren. Die meisten von ihnen sind am Boden zerstört und psychisch schwer angeschlagen.»

Unsere psychologischen Teams betreuen weiterhin Menschen, die in Hotels oder Unterkünften in der Nähe des Empfangszentrums in Goris untergebracht sind. Unsere Teams prüfen unterdessen, ob unsere Hilfe noch in anderen Bereichen benötigt wird. Der Fokus liegt insbesondere auf der allgemeinen Gesundheitsversorgung, der Weiterführung der Behandlung von Menschen mit chronischen Krankheiten sowie der Vorbeugung von Atemwegsinfektionen.