„Aufgrund der Folgen von akuter Mangelernährung verlieren hier jedes Jahr dutzende Mütter ihre Kinder“

Prise en charge de la malnutrition sévère dans la bande sahélienne, Tchad, 2010

3 Min.

Angesichts der Ernährungskrise in der Region Hadjer Lamis im westlichen Tschad hat MSF zahlreiche ernährungstherapeutische Noteinsätze veranlasst. Einer davon findet in Massakoury statt. Dieser Ort ist mehr als zwei Autostunden von N’Djamena, einer der wichtigen Städte des Landes entfernt, wo MSF ein ernährungstherapeutisches Zentrum eingerichtet hat. Dr. Benoit Kayembe, medizinischer Koordinator dieses Projektes, erzählt uns etwas mehr darüber.

Die Ernährungslage ist in der gesamten Sahelzone im Tschad, die sich von den Regionen Hadjer Lamis und Kanem über Batha und Guéra erstreckt, alarmierend. Die Gründe hierfür liegen bei zwei Dürrejahren, einer Heuschreckenplage, einem Mangel an Trinkwasser und an Zugang zu medizinischer Versorgung. In dieser Region ist das Gesundheitssystem unzufriedenstellend und in manchen Gegenden sogar inexistent.

Können Sie uns die medizinische Lage beschreiben?
Am besten kann ich Ihnen das Ausmass der Ernährungslage mit der Geschichte von Radia beschreiben. Sie ist eine junge Mutter von 20 Jahren, die ihren kleinen, einjährigen Jungen Ousman zu uns gebracht hat. Weil er unter akuter schwerer Mangelernährung litt, wurde er sofort in unser Programm aufgenommen. Radia hat bereits drei Kinder durch diese Krankheit verloren, obwohl  Behandlungsmöglichkeiten vorhanden sind. Hier verlieren jedes Jahr dutzende Mütter ihre Kinder aufgrund der Folgen von akuter Mangelernährung.

Seit Beginn der Aktivitäten vor mehr als  drei Wochen haben wir über 1'000 mangelernährte Kinder in unsere Programme aufgenommen. Etwa hundert von ihnen mussten stationär eingewiesen werden.

Wie sieht das Programm aus?
Derzeit haben wir in Massakoury ein stationäres therapeutisches Ernährungszentrum. Dort werden mangelernährte Kinder behandelt, die unter mit der Krankheit einhergehenden medizinischen Komplikationen, wie Atemwegsinfektionen, leiden. Ausserdem haben wir 15 weitere therapeutische Ernährungszentren, in denen die Kinder im Umkreis von Massakoury ambulante Behandlung erhalten. Die meisten unserer Begünstigten leben fünf Autostunden von N’Djamena entfernt. Damit die Patienten einen leichteren Zugang zur Behandlung erhalten, sind ambulante Einrichtungen entscheidend. Kinder mit schwerer Mangelernährung und medizinischen Komplikationen werden anschliessend von den MSF-Teams für eine bessere Betreuung an das stationäre therapeutische Ernährungszentrum in Massakoury weitergeleitet.

Wie werden diese Kinder versorgt?
Kinder, die ambulant behandelt werden, erhalten eine systematische medizinische Behandlung und eine wöchentliche Ration „Plumpy'nut“. Dabei handelt es sich um ein gebrauchsfertiges therapeutisches Nahrungsmittel auf Erdnuss- und Milchbasis. Es ist reich an Mineralien und Vitaminen, die für die Behandlung der Kinder notwendig sind.

Kinder, die in Massakoury stationär behandelt werden, sind sehr schwach. Sie können weder trinken noch schlucken und sind manchmal sogar bewusstlos. In diesem Fall erhalten sie zusätzlich zur medizinischen Versorgung therapeutische Milch. Sobald sie sich erholen, wird ihnen Plumpy'nut gegeben. Wenn es ihr Zustand dann zulässt, werden die Kinder von einem ambulanten therapeutischen Ernährungszentrum weiter betreut.

MSF ruft weitere Akteure auf, in der Region Präsenz zu zeigen.
Es gibt zwar Akteure, die in diesen Regionen des Tschads präsent sind, aber das gilt nicht für alle betroffenen Gegenden. Eine stärkere Präsenz ist also notwendig, damit den beinahe zwei Millionen Menschen geholfen werden kann, die Schätzungen zufolge im Tschad in den kommenden Monaten Ernährungshilfe benötigen.
Wenn die internationale Gemeinschaft nicht schnell reagiert, gerät dieses Land an den Rand einer schlimmen Ernährungskatastrophe.

MSF ist derzeit in den Regionen Batha, Guéra, Hadjer Lamis, Salamat, Quaddai, sowie in der Hauptstadt N’Djamena präsent und plant eine Evaluation in der Gegend von Massaguet, wo die Lage genauso schlimm zu sein scheint, wie in Massakory.

Wie sehen die lokalen Behörden die Lage?
Die nationalen, regionalen und lokalen Behörden erkennen, dass die Ernährungslage aufgrund schlechter Ernten in Verbindung mit Trockenheit und Heuschreckenplagen in den vergangenen zwei Jahren schlimm ist. Die Ernten sind von sehr schlechter Qualität, die Preise auf den Märkten steigen und die Viehzüchter verkaufen ihr Vieh, um von dem Geld Nahrungsmittel für ihre Familie kaufen zu können.

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