EU gefährdet mit Investitionsschutz-Klauseln Zugang zu bezahlbaren Medikamenten aus Indien

Si l’Union européenne obtient gain de cause, l’accès à des versions génériques bon marché de nouveaux médicaments nécessaires pour enrayer le VIH/sida sera fortement compromis.

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Zürich/Brüssel, 7. April 2011 – Die medizinische Nothilfeorganisation Médecins Sans Frontières / Ärzte ohne Grenzen (MSF) kritisiert anlässlich der Wiederaufnahme der Verhandlungen über das EU-Indien-Freihandelsabkommen Pläne der EU, welche die Produktion bezahlbarer Medikamente in Indien einschränken könnten.

„Die EU will Pharmaunternehmen die Möglichkeit geben, juristisch gegen die patientenfreundliche Gesundheitspolitik Indiens vorzugehen“, erklärt Oliver Moldenhauer, Koordinator der Medikamentenkampagne von MSF in Deutschland. Als medizinische Nothilfeorganisation ist MSF auf Indien angewiesen, weil sie einen Grossteil der Medikamente von dort bezieht. „Wir fordern die europäischen Regierungen auf, den Zugang zu lebensnotwendigen Medikamenten für Menschen in Entwicklungsländern nicht immer wieder aufs Neue zu gefährden“, so Moldenhauer.

Die EU drängt darauf, den Schutz geistiger Eigentumsrechte in das Investitionsschutzkapitel im Handelsabkommen zu integrieren. Das würde europäischen Pharmaunternehmen ermöglichen, die indische Regierung zu verklagen, wenn sie ihre Gewinne oder Investitionen durch politische Entscheidungen gefährdet sehen. Entscheidungen der indischen Regierung im Sinne der öffentlichen Gesundheit und im Interesse des Patientenwohls wären damit von einem privaten Unternehmen rechtlich angreifbar. Geklagt werden könnte beispielsweise gegen die Aufhebung eines Patents auf ein wichtiges Medikament oder gegen Preiskontrollen bei einem patentierten Wirkstoff. Die juristischen Prozesse würden dabei in nicht-öffentlichen Verhandlungen privater Schiedsgerichte stattfinden und so nationale Gerichte umgehen.

Diese Pläne stehen im deutlichen Widerspruch zu der gestern verabschiedeten Resolution des Europäischen Parlaments, wonach Investitionspolitik den Zugang zu Medikamenten nicht gefährden darf. „Immer wieder versucht die EU uns einzureden, dass keine ihrer Forderungen den Zugang zu bezahlbaren Medikamenten einschränkt, und immer wieder müssen wir feststellen, dass Wort und Tat nicht zusammenpassen“, sagt Michelle Childs von der Medikamentenkampagne von MSF. „Indische Gerichte haben bisher die öffentliche Gesundheit und den Zugang zu Medikamenten als wichtiger erachtet als Firmengewinne. Diese Prinzipien werden kaum bestehen können, wenn Unternehmen die Möglichkeit haben, vor privaten Schiedskommissionen zu klagen. Wir fordern die EU auf, diese Pläne fallen zu lassen.“

Bevor diese Klauseln ausgehandelt werden, bedarf es einer Zustimmung aller Regierungen der EU-Mitgliedsstaaten zum Verhandlungsmandat der EU-Kommission. „Wir fordern Bundeswirtschaftsminister Brüderle auf, solche Klauseln nicht weiter zu unterstützen und der Kommission kein Mandat zu geben, diese Teilverhandlungen abzuschliessen“, so Moldenhauer.

Indien wird auch als “Apotheke der Armen” bezeichnet. Bezahlbare Medikamente aus Indien spielten in der Vergangenheit eine wichtige Rolle bei der Ausweitung der Behandlung von HIV/Aids auf über fünf Millionen Menschen. Mehr als 80 Prozent der Medikamente, die MSF zur Behandlung von über 170’000 Aidspatienten einsetzt, stammen aus Indien. Auch viele Medikamente gegen Tuberkulose und Malaria bezieht MSF aus Indien.

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