Was es im Kampf gegen Tropenkrankheiten wirklich braucht

Il faudra bien plus que des dons de médicaments pour gagner la bataille.

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Der internationale Präsident von MSF, Unni Karunakara, ist erfreut über die Anstrengungen von Bill Gates und der Pharmaindustrie im Kampf gegen mehrere vernachlässigte Krankheiten. Um den Kampf zu gewinnen, braucht es jedoch mehr als Medikamentenspenden.

Das Durchführen einer Lumbalpunktion unter Feldbedingungen ist eine nervenaufreibende Angelegenheit. Mit einer Nadel in die Wirbelsäule von einem Patienten zu stechen, um Rückenmarksflüssigkeit zu entnehmen, ist sowohl schmerzvoll als auch mit Risiken verbunden – und dies ist lediglich die Perspektive des Arztes.
Dennoch ist dies ein Verfahren, das unsere Ärzte jeden Tag als Teil von Routinetests beim fortgeschrittenen Stadium der Schlafkrankheit durchführen müssen. Als ich für das Programm zur Behandlung der Schlafkrankheit von MSF in der Demokratischen Republik Kongo zuständig war, konnte ich beobachten, dass manchmal bereits die Aussicht auf eine derartige Untersuchung für die Patienten zu viel war und sie lieber die Flucht ergriffen, als sich der Prozedur zu unterziehen.
MSF begrüsst daher die am 30. Januar in London gemachten Zusagen. Diese beinhalten die Absicht, die Schlafkrankheit bis zum Jahr 2020 auszurotten, sowie weitere neun so genannte vernachlässigte Krankheiten zu eliminieren oder zu bekämpfen.
MSF behandelt in ihren Projekten die Schlafkrankheit sowie weitere lebensbedrohliche Krankheiten, die auch in London Gegenstand der Diskussion waren – unter ihnen die Chagas-Krankeit und Kala Azar. Und obwohl wir uns über die Aufmerksamkeit freuen, die diesen Krankheiten jetzt geschenkt wird, sind wir doch gleichzeitig besorgt darüber, dass die Konferenz ein zu simples Bild davon vermittelt, wie wir diese Krankheiten endgültig loswerden können.
Die Fortführung und Ausweitung von Arzneimittelspenden durch die Pharmaindustrie werden Teil der Lösung sein, um einige der betrachteten Krankheiten zu bekämpfen und um viel menschliches Leid zu lindern. Allerdings wird diese Strategie nicht die Schwierigkeiten bewältigen, andere – mit grösseren Herausforderungen verbundene Krankheiten wie die Chagas-Krankheit, Kala Azar oder die Schlafkrankheit – zu behandeln. Um diesen lebensbedrohlichen Krankheiten wirksam zu begegnen, ist die Verteilung von Medikamenten allein nicht ausreichend: Wir müssen zum einen in hohem Masse in nationale Früherkennungs- und Behandlungsprogramme und zum anderen in die Entwicklung neuerer und verbesserter Diagnostik und Medikamente investieren.
Einer Umfrage aus dem Jahr 2011 zufolge wurden von der Pharmaindustrie insgesamt 20,2 Millionen US-Dollar in die Erforschung und Entwicklung vernachlässigter Krankheiten investiert, die Gegenstand der Diskussion bei der Konferenz waren. Dies mag sich zunächst nach viel anhören, allerdings belaufen sich laut den grossen Pharmafirmen bereits die Ausgaben für die Entwicklung eines einzigen Medikaments auf 1,3 Milliarden US-Dollar.
Bevor man sich jedoch Gedanken über die Ausrottung der Schlafkrankheit machen kann, sollten wir uns zunächst den Herausforderungen widmen, denen wir bei der Behandlung der Krankheit gegenüberstehen. Inzwischen verzichten wir weitgehend auf das schreckliche Melarsoprol zur Behandlung – ein Arsenderivat, das dem Patienten injiziert wird und derart ätzend ist, dass es die Kunststoffspritzen angreift. Aber sogar einige der verbesserten Medikamente, die wir gegenwärtig verwenden, können nur durch mehrere Infusionen verabreicht werden, die speziell ausgebildetes Personal und normalerweise ein Spital erfordern – beides eher Luxus an den meisten Orten an denen die Schlafkrankheit auftritt.
Um einen wirklich bedeutenden Fortschritt bei der Behandlung dieser Krankheit zu erzielen, wären Medikamente erforderlich, die oral eingenommen werden und an einfachen Gesundheitsstationen ausgegeben werden können. Die gute Nachricht ist, dass sich bei einer innovativen Produktentwicklungs-Partnerschaft – der Initiative für Medikamente gegen vernachlässigte Krankheiten (Drugs for Neglected Diseases-Initiative - DNDi) – derzeit zwei erfolgversprechende Medikamente in der Entwicklung befinden, die die notwendigen Eigenschaften haben könnten. Die Initiative wird unter anderem von der britischen Regierung unterstützt.
Neue Diagnostika und Medikamente werden zukünftig gewiss helfen. In der Zwischenzeit jedoch sind die einzig realistische Option zur Behandlung der Schlafkrankheit spezielle mobile Teams, die in betroffene Regionen reisen, um Test- und Behandlungsprogramme durchzuführen. Denn die meisten Patienten leben in entlegenen Regionen in fragilen Staaten wie der Demokratischen Republik Kongo, der Zentralafrikanischen Republik oder im Südsudan. Trotz dieser schwierigen Rahmenbedingungen und geringer finanzieller Ausstattung haben diese mobilen Teams Grosses geleistet. Im Jahr 2010 wurden weniger als 7’200 Fälle der Schlafkrankheit gemeldet, Tendenz sinkend. Dennoch sind die Behandlungsprogramme zurzeit in Gefahr: Belgien als Hauptfinanzierer des Behandlungsprogramms der Schlafkrankheit in der DR Kongo hat bekannt gegeben, seine Unterstützung ab 2013 zurückzuziehen.
Auch die Programme zur Früherkennung bleiben dramatisch unterfinanziert – wahrscheinlich liegt die Anzahl der tatsächlichen Fälle dreimal höher als diejenigen, die erfasst werden. Erfahrungen aus der Vergangenheit zeigen, dass die Anzahl der Fälle ohne adäquate Früherkennungs- und Behandlungsprogramme wieder drastisch steigen könnte.
Wenn wir also diese Krankheit wirklich eliminieren wollen, benötigen wir ausreichend finanzierte Behandlungsprogramme, die Früherkennung und Überwachung miteinschliessen, eine anhaltende Unterstützung von innovativen Partnerschaften wie der DNDi, um neuere und verbesserte Medikamente und Diagnostika bereitzustellen, sowie bessere Strategien, um bezahlbare Medikamente für Patienten in armen Ländern zu entwickeln. Die Behörden müssen dabei eine Führungsrolle übernehmen und ihre Anstrengungen hinsichtlich der Entwicklung und Aufrechterhaltung dieser Programme intensivieren.
Aber solange wir diese zahlreichen Herausforderungen nicht angehen, die deutlich weitreichender sind, als es die Konferenz in London suggeriert, werden wir noch eine ganze Weile auf das Ende von Krankheiten wie Kala Azar, Chagas oder der Schlafkrankheit warten müssen, die so lange noch weiterhin Tausende Menschen peinigen.

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