Syrien: Als Hebamme rund um die Uhr im Einsatz

Cathy Janssens, jeune sage-femme belge, revient d’une mission dans l’un des hôpitaux de Médecins Sans Frontières en Syrie.

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Die belgische Hebamme Cathy Janssens ist vor Kurzem von einem Einsatz in Syrien zurückgekehrt. Sie berichtet von ihren Erfahrungen.

Ich bin nach Syrien gegangen, um ein Mutter-Kind-Programm in einem der Spitäler von Médecins Sans Frontières / Ärzte ohne Grenzen (MSF) im Land aufzubauen. Vor meiner Ankunft gab es im Spital keine andere weibliche medizinische Fachkraft. Das bedeutete für mich eine grosse Verantwortung und eine riesige Menge Arbeit.
Als ich ankam, waren die geplanten Aktivitäten für schwangere Frauen gerade erst angelaufen, das benötigte Material unterwegs. Nur ein Zimmer und ein einfaches Spitalbett standen mir zur Verfügung – sonst nichts. Ich habe sofort eine Liege für Entbindungen bestellt, aber zunächst musste ich mit dem wenigen auskommen, das vor Ort war. Man kann eine schwangere Frau, die kurz vor der Entbindung ist und vor dem Spital steht, nicht abweisen, und natürlich sind dann schon Frauen gekommen, bevor die spezielle Liege eingetroffen war. Bei unkomplizierten Geburten ist es auch nicht weiter schlimm, wenn ein Teil des Materials fehlt. Aber sobald es zu Komplikationen kommt, braucht man dringend das richtige medizinische Material.

Infusionsbeutel als Wärmflaschen

In den ersten Wochen habe ich verwendet, was da war. Wenn nichts da ist, wird man erfinderisch. Das grösste Problem war der Mangel an Spezialmaterial für die Versorgung von Frühgeborenen. Im Spital war es eisig kalt. Wenn die Temperatur eines Frühgeborenen zu weit sinkt, dann kann Hautkontakt mit der Mutter helfen, es wieder aufzuwärmen. Dazu wird das Baby der Mutter auf die Brust gelegt. Aber in Syrien ist diese Methode wenig bekannt und die Frauen waren damit sehr zurückhaltend. Also mussten wir einfallsreich sein. Wir haben Infusionsbeutel in der Mikrowelle erwärmt und als kleine Wärmflaschen benutzt.

Jemand, der den Frauen zuhört

Uns wurde schnell klar, dass wir auch viele Frauen behandeln mussten, die nicht schwanger waren – die Neuigkeit, dass es eine weibliche Hebamme gab, hatte sich schnell herumgesprochen. Es dauerte nicht lange, und die Frauen strömten zu uns ins Spital. Seit Beginn des Krieges ist es für sie zunehmend schwierig, medizinische Hilfe zu finden, und in dieser Region war unser Spital die einzige Anlaufstelle. Für viele der Frauen, die zu uns kamen, war ich weit mehr als eine Hebamme: Ich war jemand, der ihnen zuhört. Wenn die Frauen nach der Untersuchung wussten, dass sie keine gesundheitlichen Probleme hatten, dann waren sie irgendwie beruhigt, trotz des Konflikts.

Die Schüchternheit war verflogen

Zunächst lag unser Bereich, wo wir die Frauen untersuchten, direkt gegenüber der Notaufnahme. Aber so hatten die Frauen wenig Privatsphäre – und viele der Patienten in der Notaufnahme waren Männer. Ich spürte, dass die Frauen sich so nicht wohl fühlten. Als dann das Material für die Geburtshilfe eintraf, haben wir das Untersuchungszimmer ans andere Ende des Spitals verlegt. Die neue Umgebung war für die Frauen viel besser geeignet, und nur Frauen hatten Zugang. Der Kontakt zu den Patientinnen verbesserte sich dadurch enorm, ihre Schüchternheit war verflogen. Wir haben Frauen gesehen, die vollverschleiert in das Spital kamen und dann nach und nach ihre Bekleidungsschichten ablegten und sich uns öffneten. Das ist einer der Gründe, weshalb ich gerne zurück nach Syrien möchte: Der Kontakt mit den Patientinnen war wunderbar.

Rund um die Uhr im Einsatz

Die Arbeit war aber auch sehr hart. Viele Frauen haben in der Nacht entbunden – und so folgte auf manch langen Arbeitstag noch eine volle Nachtschicht. Tagsüber verbrachte ich die meiste Zeit damit, Patientinnen zu untersuchen. Dabei musste ich häufig zwischendurch auch Geburten unterstützen. Zwei syrische Assistentinnen haben mir geholfen, aber sie hatten keine medizinische Ausbildung, geschweige denn eine gynäkologische Fachausbildung. Also musste ich sie von Grund auf ausbilden und natürlich konnte ich sie nicht alleine lassen. Ich war bei jeder Untersuchung dabei und musste immer wieder hin- und her laufen, wenn zwischendurch eine Geburt einsetzte.
Alles in allem war es viel Arbeit und sehr anstrengend. Aber man findet immer wieder neue Energie. Und die Frauen waren unglaublich dankbar. Sie haben mich in den Arm genommen und gedrückt und sich immer wieder bedankt.

Wenn Kinder die Opfer sind

Am schlimmsten war es, wenn ein Kind in die Notaufnahme gebracht wurde. Es gab Jungen und Mädchen, die erst zwei oder drei Jahre alt waren, die furchtbare Schmerzen hatten und sterben mussten. Andere haben schwere Verletzungen erlitten und werden deswegen ihr Leben lang Behinderungen haben. Es fällt schwer, das hinzunehmen. Vor allem, weil der Konflikt gerade wieder eskaliert.
Ich hoffe sehr, dass ich in den Einsatz nach Syrien zurückkehren kann. Es ist ein schönes Projekt: Das Team ist fantastisch und leistet eine wichtige Arbeit. MSF weitet die Aktivitäten in diesem Spital jetzt sogar weiter aus. Die Syrer, die wir behandeln, sind dafür unendlich dankbar.

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