Sudan: «Die Situation ist katastrophal – Patient:innen werden auf dem Boden und in Gängen behandelt»

Im South Hospital in El Fasher: Viele Menschen wurden während der Kämpfe verletzt. April 2023, Sudan.

Sudan4 Min.

Das von Médecins Sans Frontières / Ärzte ohne Grenzen (MSF) unterstützte South Hospital in El Fasher ist eines der wenigen, die im Norden Darfurs noch geöffnet sind. Seit dem Ausbruch der bewaffneten Auseinandersetzungen in der Region und im Rest des Landes am Samstag, den 15. April, haben unsere medizinischen Teams 279 verletzte Patienten versorgt, von denen 44 gestorben sind.

Ein Lagebericht aus dem Sudan von Cyrus Paye, unserem Projektkoordinator in El Fasher.

«In El Fasher finden derzeit schwere Kämpfe statt. Wir hören nach wie vor Schüsse von unserem Gelände aus. Aufgrund der Schiessereien und des Beschusses ist die Lage sehr unsicher - es gibt sehr viele Opfer unter Zivilist:innen.

In dem von uns unterstützten South Hospital haben wir seit Beginn der Kämpfe am Samstag 279 Verwundete aufgenommen. Tragischerweise sind 44 davon gestorben. Die Lage ist katastrophal. Die meisten der Verwundeten sind Zivilist:innen, die von verirrten Kugeln getroffen wurden. Viele von ihnen sind Kinder. Sie haben Knochenbrüche, Schusswunden oder Granatsplitter in den Beinen, im Bauch oder in der Brust. Viele brauchen Bluttransfusionen. Es sind so viele Patient:innen, dass sie auf dem Boden in den Gängen behandelt werden müssen, weil es einfach nicht genug Betten gibt, um die grosse Zahl der Verwundeten unterzubringen.

Bis zum vergangenen Wochenende verfügte das South Hospital über keine chirurgischen Kapazitäten. Es handelt sich eigentlich um eine Geburtsklinik, die wir seit letztem Jahr unterstützen, um die hohe Müttersterblichkeitsrate in der Region zu senken. Doch seit Beginn der Kämpfe mussten wir das Spital umfunktionieren, um die Behandlung der Verwundeten zu ermöglichen.

Alle anderen Spitäler in der Stadt mussten schliessen, weil in der Nähe gekämpft wurde oder das Personal sie aufgrund der heftigen Kämpfe nicht erreichen konnte. Chirurg:innen aus diesen Spitälern arbeiten nun im South Hospital und konnten einige Operationen durchführen. Allerdings geht ihnen das chirurgische Material schnell aus. Wir konnten am Dienstag, als sich die Kämpfe beruhigten, ein bisschen Nachschub in das Spital bringen. Aber wenn wir nicht mehr Hilfsgüter nach Darfur bringen können - und weiterhin so viele Verwundete ins Spital kommen - reichen die medizinischen Vorräte nur noch für drei Wochen.

Innerhalb des Sudan gibt es derzeit keinerlei Transportmöglichkeiten. Die Flughäfen im ganzen Land sind seit Beginn der Kämpfe geschlossen, und auf den Strassen wird gekämpft. Wir können also keine weiteren Hilfsgüter nach Nord-Darfur - oder ins Land - bringen. Der Tschad hat seine Grenze geschlossen. Wenn sich die Lage nicht ändert und humanitäre Helfer:innen keinen Zugang erhalten, wird es noch mehr Tote geben.

Cyrus Paye, Projektkoordinator in El Fasher

Derzeit können die beiden eingerichteten Operationssäle den ununterbrochenen Zustrom von Trauma- und Gynäkologie-Notfallpatient:innen nicht bewältigen. In der Entbindungsstation sind derzeit zwei Frauen pro Bett untergebracht. Früher wurden alle Notkaiserschnitte - in der Regel drei bis fünf pro Tag - und mehr als 30 normale Entbindungen in einem Zeitraum von 24 Stunden in einem benachbarten Spital durchgeführt. Jetzt finden all diese Entbindungen im South Hospital statt, und zwar zur gleichen Zeit wie die Notoperationen der Verwundeten. Wir haben ausserdem gerade erfahren, dass gestern Abend die Kinderklinik, in die wir bisher Neugeborene überwiesen haben, komplett geplündert wurde. Dadurch können wir Neugeborene mit Sepsis oder Frühgeborene nirgendwohin mehr hinweisen. Im South Hospital gibt es keine Brutkästen, wodurch es schwierig wird, diese Kinder dann am Leben zu erhalten.

Das derzeitige Team ist überfordert. Sie arbeiten rund um die Uhr. Wir prüfen alle Möglichkeiten, erfahrene Unfallchirurg:innen ins Land zu bringen, die dann die anderen unterstützen, wenn es die Situation zulässt, aber – wie bei den medizinischen Hilfsgütern – ist dies derzeit nicht möglich.

Cyrus Paye, Projektkoordinator in El Fasher

Es ist extrem wichtig, dass wir Zugang zu allen Gesundheitseinrichtungen im ganzen Land erhalten. Nur so können wir Menschenleben retten. Den Gesundheitseinrichtungen gehen die Vorräte aus, und das Personal kann nicht zur Arbeit kommen. Gesundheitspersonal, Helfer:innen und Rettungskräfte sind durch die Kämpfe immobil geworden. Aus diesem Grund sterben Menschen. Nur ein Zugang zu den Gesundheitseinrichtungen wird das ändern. Dies und eine Garantie der Kriegsparteien, dass sie Zivilist:innen verschonen!»