«Ich will Frieden zurück in meine Heimat bringen»

Anna, jeune réfugiée érythréenne de 21 ans.

3 Min.

In Sizilien betreut MSF Menschen, die auf dem gefährlichen Seeweg über das Mittelmeer nach Europa kamen. Eine davon ist die 21-jährige Anna aus Eritrea.

Mehr als 35‘000 Migranten haben zwischen Januar und Mitte Mai 2015 versucht, über das Mittelmeer nach Europa zu gelangen. Vergangenes Jahr waren es mehr als 170‘000 Menschen, die auf dieser gefährlichen Route die italienische Küste erreicht haben.

Grundversorgung für Ankömmlinge

Viele der Menschen, die von maroden und überfüllten Booten gerettet werden, kommen auf der italienischen Insel Sizilien an. Am Hafen von Pozzallo in der südlichen Provinz Ragusa empfängt am Anlegeplatz ein medizinisches Team von Médecins Sans Frontières/Ärzte ohne Grenzen (MSF) die Ankömmlinge. Unsere Einsatzkräfte arbeiten an der Seite von Teams des italienischen Gesundheitsministeriums. Die Ärzte, Pflegefachkräfte und kulturellen Mediatoren führen Gesundheitskontrollen bei den ankommenden Menschen durch und bieten medizinische Grundversorgung an – sowohl in den Stunden nach ihrer Ankunft als auch während ihres Aufenthalts im Erstaufnahmezentrum.
Im Jahr 2014 untersuchten die Teams von MSF in Italien 26‘081 neu angekommene Migranten und führten 2‘594 ärztliche Sprechstunden sowie 700 psychologische Erstgespräche durch. Im ersten Quartal des Jahres 2015 wurden bereits 1‘349 Gesundheitskontrollen und 566 Untersuchungen durchgeführt.
Im sekundären Aufnahmezentrum der Provinz Ragusa warten Migranten auf den Bescheid ihres Asylantrages. Dort leistet ein psychologisches Team von MSF psychosoziale Hilfe für die Menschen. Die beiden Psychologen bieten sowohl anlassbedingte Beratungsgespräche als auch langfristige Unterstützung an. Wer unter schwerwiegenden psychischen Problemen leidet, wird an einen Psychiater überwiesen.

Flucht nach Äthiopien mit 16 Jahren

Als die heute 21-jährige Anna erstmals versuchte, Eritrea zu verlassen, war sie noch ein Kind. Sie wurde jedoch verhaftet; im Gefängnis fesselte und schlug man sie. Nach ihrer Entlassung begann Anna, am ‚perfekten Plan‘ für ihre Flucht aus Eritrea zu arbeiten. «Aus Eritrea zu entkommen, ist kein einfaches Unterfangen. Wer das Risiko auf sich nimmt, riskiert, exekutiert zu werden.»
Im Alter von nur 16 Jahren schaffte es Anna, die Grenze ins benachbarte Äthiopien zu überqueren. Dort blieb sie fünf Jahre, während sie auf die Erlaubnis wartete, zu ihrer Mutter in Israel reisen zu dürfen. Doch ihr Antrag wurde abgelehnt. Deshalb entschloss sie, Äthiopien zu verlassen und die lange und gefährliche Reise nach Europa auf sich zu nehmen.
Der härteste Teil war der Sudan, sagt Anna heute. Nachdem sie 13 Stunden lang ohne Pause zu Fuss unterwegs gewesen war, wurde sie von einem Kleintransporter mitgenommen, auf dem sich bereits 25 andere Menschen drängten. In der Wüste wurde der Transporter von Menschenhändlern angehalten – sie zwangen alle, sich auszuziehen, damit sie nach Geld und Wertgegenständen suchen konnten. Sie stahlen alles, was auch nur den geringsten Wert besass. Von manchen Reisenden nahmen sie sogar die Schuhe mit, die ab da ihren Weg barfuss fortsetzen mussten.
Anna hält eine Bibel fest umklammert, während sie erzählt. «Ich hatte grosse Angst. Ich wusste nicht, ob ich es schaffen würde. Ich betete viel, und ich vertraute auf Gott.»

Auf dem Mittelmeer fing das Boot Feuer

In der sudanesischen Hauptstadt Khartoum traf Anna auf einige Bekannte, mit denen sie gemeinsam nach Libyen weiterreiste. An der Mittelmeerküste schaffte sie es, an Bord eines Holzboots zu gelangen – gemeinsam mit 300 anderen. Nur wenige Stunden nach dem Start fing das Boot an zu brennen. Die Passagiere konnten das Feuer mit Wasserkübeln löschen, doch der Motor konnte nicht mehr repariert werden. Jemand rief die Seenotrettung; neun Stunden später kam ein Rettungsschiff und brachte die Menschen in den Hafen von Pozzallo in Sizilien.
Nun sitzt Anna im Aufnahmezentrum in Pozzallo. Wie die meisten anderen Menschen aus Eritrea, die hier sind, spricht sie ein paar Worte Italienisch. Dank des kulturellen Mediators Negash von MSF kann sie uns jedoch ihre Geschichte in ihrer Muttersprache Tigrinya erzählen.

«Ich will studieren und Frieden in meine Heimat bringen»

«Ich bin am Leben und vertraue Gott», so Anna. «Ich weiss nicht, wohin ich gehen werde – vielleicht nach Belgien, vielleicht nach England – doch ich weiss, was ich tun werde: Ich will Politikwissenschaften studieren. Dann werde ich eines Tages Frieden zurück in mein Heimatland bringen. Ich habe ein sehr starkes Bedürfnis, zurück nach Eritrea zu gehen.»

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