HIV-Behandlung: Unterstützung innerhalb der Gemeinschaft entscheidend

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Seit der ersten Welt-Aids-Konferenz in Durban im Jahr 2000 konnten in Südafrika grosse Fortschritte erzielt werden. In anderen Ländern haben jedoch immer noch viel zu viele Menschen keinen Zugang zu einer HIV-Behandlung.

Anlässlich der Welt-Aids-Konferenz, die vergangenen Juli in Durban stattfand, rief Médecins Sans Frontières/Ärzte ohne Grenzen (MSF) zur Schaffung und Umsetzung eines Aktionsplans auf, um die grossen Lücken bei der Verfügbarkeit von HIV/Aids-Medikamenten zu schliessen. In gewissen Ländern in West- und Zentralafrika hat nach wie vor weniger als ein Drittel aller Betroffenen Zugang zur benötigten Behandlung. Neue Daten von MSF aus Südafrika deuten darauf hin, dass es Initiativen auf Gemeinschaftsebene braucht, um HIV-positive Menschen zu einem Test zu bewegen und sie bei der lebenslangen Behandlung zu unterstützen.

HIV-Tests zu Hause

Die Situation in mehreren Ländern in West- und Zentralafrika erinnert an die Aids-Konferenz im Jahr 2000, als MSF sich für eine breitere Verfügbarkeit von erschwinglichen antiretroviralen Medikamenten in Südafrika einsetzte. Tatsächlich führen dort heute mehr Menschen auf Behandlung denn je ein Leben bei guter Gesundheit. Unterstützung innerhalb der Gemeinschaft und erschwingliche Arzneimittel sind erwiesenermassen entscheidend, damit die Betroffenen die antiretrovirale Therapie durchziehen.
Bevor überhaupt Tests durchgeführt und den HIV-Infizierten eine Behandlung angeboten werden kann, braucht es Massnahmen auf Gemeinschaftsebene, welche die Menschen zum Testen bewegen, ehe sie krank werden. In der südafrikanischen Provinz KwaZulu-Natal (KZN) hat MSF ein Pilotprojekt durchgeführt, bei dem lokale Gesundheitsarbeiter von Tür zu Tür gingen und die Leute bei sich zu Hause testeten. Diese Strategie hat sich als äusserst erfolgreich erwiesen, insbesondere um Menschen zu erreichen, die sich zum ersten Mal testen lassen wie Studenten, junge Frauen mit einem erhöhten Risiko für eine HIV-Infektion und junge Männer, die sonst eher keine Gesundheitseinrichtung aufsuchen würden. Dieses Verfahren kann sogar kostengünstiger sein, als wenn in einer Klinik getestet würde.

Laienmitarbeiter spielen eine Schlüsselrolle

«Bei der Behandlung von HIV/Aids findet ein Dominoeffekt statt: Die Tests finden dort statt, wo die Menschen leben und arbeiten, wobei die gesamte Gemeinschaft miteinbezogen wird. Dadurch wird sichergestellt, dass Menschen mit einem positiven Testergebnis auf Behandlung gesetzt werden und bei der Einhaltung der Therapie Unterstützung erhalten», erklärt Musa Ndlovu, stellvertretender Projektleiter bei MSF in KwaZulu-Natal. «Die lokalen Gesundheitshelfer, alles Laienmitarbeiter, spielen dabei eine Schlüsselrolle. Sie halten alles zusammen und verbessern sowohl die Qualität der Pflege als auch den Zugang dazu. Es ist deshalb wichtig, dass die Regierungen sicherstellen, dass überall genügend solcher Laienmitarbeiter angestellt werden, die für die Tests, die Behandlungsaufnahme und die benötigte Unterstützung bei der Therapieeinhaltung zuständig sind.»

Die Richtlinien und Praktiken zur Anstellung von Laienmitarbeitern sind sehr unterschiedlich. Fest steht hingegen, dass ihr Fehlen spürbare Auswirkungen hat. Nachdem im Jahr 2015 in Gesundheitseinrichtungen in KZN unter zwei Malen Laienmitarbeiter abgezogen worden waren, ging die monatliche Durchschnittszahl von durchgeführten HIV-Tests in von MSF unterstützten Einrichtungen in Eshowe und Mbongolwane um 25 respektive 13 Prozent zurück. Auch die Zahl der Menschen, die 2015 mit einer Behandlung begannen, nahm um 20 Prozent ab.

In Zentral- und Westafrika erhält nur jeder vierte HIV-Infizierte eine Behandlung

Die Umsetzung solcher stark in der Gemeinschaft verankerten Massnahmen könnte dabei helfen, die Abdeckung in West- und Zentralafrika zu erweitern. Unter den dort lebenden 6,5 Millionen HIV-Infizierten hat nur eine von vier Personen Zugang zu Behandlung. Fast ein Drittel aller Aids-bedingten Todesfälle weltweit werden in dieser Region verzeichnet. Zur Erreichung des weltweit beschlossenen und im Juni von allen UNO-Staaten befürworteten Ziels, bis 2020 30 Millionen HIV-Positive in Behandlung zu haben, müssen weitere 13 Millionen Menschen erreicht werden, wovon ein Drittel in West- und Zentralafrika lebt.
In einem von MSF unterstützten Spital in Kinshasa in der Demokratischen Republik Kongo ist ein Viertel der HIV-Infizierten bei der Einweisung schon zu krank, um noch gerettet zu werden. 39 Prozent dieser Menschen sterben innerhalb von 24 Stunden nach ihrer Ankunft im Spital. Erschreckende Zahlen auch aus der Zentralafrikanischen Republik: Obschon das Land eine HIV-Prävalenzrate unter fünf Prozent haben soll, sind im Spital in Berberati, in dem MSF tätig ist, dennoch 84 Prozent der Todesfälle auf HIV/Aids zurückzuführen. In den Orten Ndele, Kabo und Batangafo im Norden des Landes berichten die MSF-Teams von einer HIV-Infektionsrate von 33 Prozent.
«Die HIV-Situation in West- und Zentralafrika erinnert an die Zustände vor zehn Jahren in Südafrika, als keine Behandlung erhältlich war und die Menschen einfach starben», sagt Dr. Eric Goemaere, Koordinator der HIV/Tuberkulose-Abteilung in Südafrika. «Es gibt Lösungen, um diese riesige Lücke zu schliessen. Wenn wir das weltweite Ziel mit den 30 Millionen in Behandlung auch nur annähernd erreichen wollen, muss in West- und Zentralafrika noch einiges geschehen. Der Zugang zu dieser lebensrettenden Behandlung darf nicht davon abhängig sein, wo die betroffenen Menschen leben. Wir können diese Menschen nicht hängen lassen.»
MSF versorgt seit 2000 HIV-Infizierte mit antiretroviralen Medikamenten und unterstützt gegenwärtig fast 247‘000 Menschen in 19 Ländern bei ihrer Behandlung.

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