Afghanistan: Wir verurteilen Arbeitsverbot von Frauen für NGOs

Infirmière Enfant Janvier 2022, Hôpital de Boost

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Ärzte ohne Grenzen/Médecins Sans Frontières (MSF) verurteilt das Arbeitsverbot für Frauen in Nichtregierungsorganisationen (NGOs) in Afghanistan. In einem Land, dessen Bevölkerung grösstenteils von humanitärer Hilfe abhängig und mit hoher Arbeitslosigkeit und grassierender Armut konfrontiert ist, spielen Mitarbeiterinnen eine entscheidende Rolle für die humanitäre Hilfe.

«Mehr als 51 Prozent unseres medizinischen Personals sind Frauen», sagt Filipe Ribeiro, Landeskoordinator von Ärzte ohne Grenzen in Afghanistan. «Wir sprechen hier von fast 900 Ärztinnen, Pflegefachfrauen und anderen Fachleuten, die sich jeden Tag darum bemühen, Menschen in Afghanistan die bestmögliche Versorgung zukommen zu lassen. Ohne sie kann die Arbeit von Ärzte ohne Grenzen nicht geleistet werden. Diese neueste Richtlinie ist nur ein weiterer Schritt in einem systematischen Versuch, die Präsenz von Frauen aus der Öffentlichkeit zu verdrängen – zum Schaden aller.»

Die Folgen dieses jüngsten Dekrets werden vor allem Frauen und Kinder am härtesten treffen, für die es noch schwieriger wird, eine medizinische Behandlung zu bekommen. Bis auf Weiteres werden alle unsere Aktivitäten aufrechterhalten, da unsere Kolleginnen weiterhin ungehindert in den von Ärzte ohne Grenzen und dem Gesundheitsministerium verwalteten Gesundheitseinrichtungen arbeiten können. Dabei muss es auch bleiben, denn ein Arbeitsverbot für Frauen würde vielen Menschen den Zugang zur Gesundheitsversorgung verwehren. «Über 90 Prozent unseres medizinischen Personals im Entbindungskrankenhaus von Khost sind weiblich. Sie helfen jeden Monat bei der Entbindung von 1800 Babys. Wenn diese Politik vollständig umgesetzt wird, wird noch mehr Müttern der Zugang zu pränataler und postnataler Behandlung verwehrt. Sie könnten dann nirgends mehr hingehen», sagt Ribeiro.

Wir brauchen mehr Ärztinnen, nicht weniger

Nach der Schliessung der Sekundarschulen für Mädchen im März 2022 gab das Ministerium für Hochschulbildung Anfang dieses Monats auch die Entscheidung bekannt, Frauen vom Besuch privater und öffentlicher Universitäten auszuschliessen. Dies wird die Situation langfristig verschlimmern. «In Khost haben wir schon jetzt Schwierigkeiten, alle notwendigen Stellen zu besetzen, einschliesslich der Gynäkologinnen, die in der gesamten Region äusserst rar sind. Wir brauchen mehr Ärztinnen, nicht weniger», sagt Ribeiro.

Frauen auf diese Weise auszuschliessen, verstösst gegen jeden Grundsatz der Menschlichkeit und der medizinischen Ethik, dem sich die Angehörigen der Gesundheitsberufe verpflichtet fühlen. «Wenn Frauen daran gehindert werden, in Gesundheitseinrichtungen zu arbeiten und wenn Frauen nur von Frauen behandelt werden können, dann wird es für sie praktisch unmöglich sein, Zugang zur Gesundheitsversorgung zu erhalten. Infolgedessen wird kein Gesundheitsdienstleister, einschliesslich Ärzte ohne Grenzen, in der Lage sein, medizinische Leistungen in Afghanistan zu erbringen», so Ribeiro. 

Damit grundlegende Dienstleistungen für alle Geschlechter zur Verfügung stehen, müssen sie von allen Geschlechtern erbracht werden. Deshalb setzen wir uns in Afghanistan weiterhin dafür ein, allen Menschen, die medizinische Hilfe benötigen, zu helfen, indem wir unsere derzeitigen Teams in ihrer jetzigen Zusammensetzung beibehalten.

Ärzte ohne Grenzen betreibt sieben Projekte in Helmand, Kundus, Herat, Khost, Kabul, Kandahar und Bamiyan, wobei der Schwerpunkt auf der sekundären Gesundheitsversorgung liegt. Mehr als 1700 medizinische Fachkräfte arbeiten für die Organisation in Afghanistan, davon 894 Frauen und 835 Männer. Im Jahr 2022 waren die Teams von Ärzte ohne Grenzen für über 250 000 ambulante Konsultationen, 42 000 stationäre Aufnahmen, 71 000 Aufnahmen in Notaufnahmen, 11 000 chirurgische Eingriffe und 35 000 Entbindungen verantwortlich. In den ambulanten therapeutischen Ernährungszentren wurden 5000 Kinder aufgenommen, in den stationären therapeutischen Ernährungszentren 7000 Kinder. Ausserdem wurden 9500 Masernpatient:innen behandelt, 22 000 Konsultationen für medikamentenempfindliche Tuberkulose durchgeführt, 2000 medikamentenempfindliche Tuberkulosepatient:innen in Behandlung genommen und 80 medikamentenresistente Tuberkulosepatient:innen in Behandlung genommen