Zentralafrikanische Flüchtlinge: Jede dritte Familie verlor ein Familienmitglied

Réfugiés centrafricains au Cameroun, juillet 2014

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Eine Untersuchung von MSF zeigt, welcher Gewalt die verfolgten Zentralafrikaner in ihrem Land und auf der Flucht ausgesetzt waren.

Eine von MSF im Nachhinein durchgeführte Befragung zeigt, dass zwischen November 2013 und April 2014 2'599 Mitglieder von zentralafrikanischen Familien, die sich in Sido, im Süden des Tschad, niedergelassen hatten, ums Leben kamen. Dies im Zuge der Repressalien gegen muslimische Minderheiten in der Zentralafrikanischen Republik. Bei den Menschen, die vor ihrer Abreise oder während der Flucht in den Tschad starben, waren 91 Prozent der Todesfälle auf Gewalt zurückzuführen. Die Flüchtlinge, die weiterhin nach Kamerun strömen, sind nach ihrer wochenlangen Reise erschöpft, traumatisiert und in einem kritischen Ernährungszustand.
Seit Ende des Jahres 2013 sind Hunderttausende Menschen vor den Gewalttaten in der Zentralafrikanischen Republik geflohen und haben im Tschad oder in Kamerun Zuflucht gesucht. Als die tschadische Regierung im Dezember ihre Landsleute per Militärkonvois evakuieren liess, schlossen sich Tausende muslimische Zentralafrikaner an, die in ihrem Land verfolgt wurden.

Gewalt als Haupttodesursache

Zwischen dem 26. März und 8. April 2014 führte Médecins Sans Frontières / Ärzte ohne Grenzen (MSF) eine Studie zur Mortalität durch und befragte dazu 3'449 zentralafrikanische Familien, die sich in Sido, im Süden des Tschad, niedergelassen hatten. Die Untersuchung ergab, dass im Zeitraum zwischen November 2013 und April 2014 2'599 Menschen ums Leben gekommen waren.
Anlässlich einer Pressekonferenz, die diesen Morgen am Hauptsitz von MSF in Paris stattfand, hat die Organisation die Ergebnisse dieser Studie sowie persönliche Berichte unter dem Namen «Zentralafrikanische Flüchtlinge im Tschad und in Kamerun: Koffer und Sarg» veröffentlicht. Dieses Dossier macht deutlich, welchem Ausmass der Gewalt diese Menschen in ihrem Heimatland, aber auch während ihrer Flucht ausgesetzt waren.
Bei den Menschen, die vor ihrer Abreise in den Tschad ums Leben kamen, waren 96 Prozent der Todesfälle auf einen Gewaltakt (Messer- oder Stichverletzung, Granatsplitter) zurückzuführen; bei den Menschen, die während ihrer Flucht starben, waren es 78 Prozent. 33 Prozent der Familien haben mindestens einen Familienangehörigen verloren, 28 Prozent mindestens zwei.

Kritischer Ernährungszustand der Flüchtlinge

Die Zentralafrikaner, die nach monatelanger Flucht Kamerun erreichen, sind erschöpft und traumatisiert. Ihr Gesundheits- und Ernährungszustand ist besorgniserregend. Fast jedes zweite Kind leidet an Mangelernährung.
Innerhalb von wenigen Monaten haben praktisch sämtliche Muslime des westlichen Teils der Zentralafrikanischen Republik ihr Land verlassen. Einige tausend Muslime leben weiterhin in Enklaven – eingekreist von bewaffneten Gruppen, aber unter dem Schutz von internationalen Truppen –, jedoch unter prekären Bedingungen und ohne Perspektive für die Zukunft.

Tschad hat Grenze geschlossen

Auch heute ist die Flucht nach Kamerun oder in den Tschad für diese Bevölkerungsgruppen – sowohl für Opfer der Anti-Balaka-Milizen als auch der Ex-Seleka-Rebellen – mit grossen Gefahren und Risiken verbunden. Einmal dort angekommen, sind die Schwierigkeiten noch nicht vorbei: Im Mai dieses Jahres hat die tschadische Regierung beschlossen, ihre Grenzen zu schliessen, auch für Flüchtlinge aus Zentralafrika.
MSF arbeitet seit 1997 in der Zentralafrikanischen Republik. Mehr als 2'300 Personen sind für die fünf operationellen MSF-Sektionen in medizinisch-chirurgischen Projekten in über 15 Städten im Einsatz. Die Organisation ist auch in den Flüchtlingslagern im Süden des Tschad und im Osten Kameruns vor Ort.

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