Nigeria: Dramatische Lage für 24‘000 Vertriebene

Les besoins de la population sont au-delà de l’imaginable.

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In einem Vertriebenenlager im Bundesstaat Borno bahnt sich eine humanitäre Katastrophe an: Der Gesundheitszustand der mehr als 24‘000 Menschen, die dort Schutz suchen, verschlechtert sich zusehends. Seit Ende Mai sind mindestens 188 Menschen gestorben – das entspricht fast sechs pro Tag. Hauptgründe sind Durchfallerkrankungen und Mangelernährung.

Am 21. Juni konnte sich ein medizinisches Team von Médecins Sans Frontières/Ärzte ohne Grenzen (MSF) für mehrere Stunden einen Überblick der Situation in der Stadt Bama im nordöstlichen Nigeria verschaffen. Rund 24‘000 Menschen haben sich im Vertriebenenlager auf einem Spitalgelände niedergelassen; von den 15‘000 dort lebenden Kindern sind 4‘500 im Alter von unter fünf Jahren.
Die Zustände, die unsere Teams während dieser paar Stunden antrafen, waren desaströs. 16 schwer mangelernährte Kinder, die sich in akuter Lebensgefahr befanden, wurden sofort in das therapeutische Ernährungszentrum in der Hauptstadt Maiduguri überwiesen. Eine rasche Erhebung des Ernährungszustandes von mehr als 800 Kindern zeigte, dass 19 Prozent unter akuter schwerer Mangelernährung leiden – der gefährlichsten Form.

Menschen mussten Gräueltaten miterleben

«Zum ersten Mal gelang es unseren Teams, Bama zu erreichen – doch wir wussten bereits, dass der Bedarf an Hilfe riesig ist», erklärt Ghada Hatim, MSF-Einsatzleiterin in Nigeria. «Wir behandeln in medizinischen Einrichtungen in Maiduguri mangelernährte Kinder und können in den Gesichtern unserer Patienten sehen, welche Gräueltaten sie mit ansehen mussten.»
Seit dem Jahr 2014 sind rund eine Million Menschen durch die Gewalt im Bundesstaat Borno aus ihrer Heimat vertrieben worden. Den meisten von ihnen fehlt es an ausreichend Nahrung, sauberem Wasser und einer angemessenen Gesundheitsversorgung.

1‘233 Gräber in der Nähe des Lagers entdeckt

Während der Bedarfserhebung in Bama zählte das MSF-Team in der Nähe des Lagers insgesamt 1‘233 Gräber. Sie wurden alle im vergangenen Jahr ausgehoben. Viele davon – insgesamt 480 – sind Kindergräber.
«Bama ist von der Aussenwelt weitgehend abgeschnitten», so Hatim. «Uns wurde erzählt, dass dort Erwachsene und Kinder verhungert sind. Laut den Berichten, die unsere Teams von Vertriebenen hörten, werden täglich neue Gräber ausgehoben. Wir erfuhren, dass an manchen Tagen mehr als 30 Menschen an Hunger und Krankheit gestorben sind.»
Seit dem 23. Mai sind im Vertriebenenlager mindestens 188 Menschen gestorben – das sind fast sechs pro Tag –, viele aufgrund von Durchfallerkrankungen und Mangelernährung.

Evakuierung von kranken Frauen und Kindern

Vom 13. bis 15. Juni veranlassten die nigerianischen Behörden und eine lokale Nichtregierungsorganisation die Evakuierung von 1‘192 Menschen aus Bama, die medizinische Hilfe benötigten. Diese Gruppe, die hauptsächlich aus Frauen und Kindern bestand, wurde in Maiduguri in einem «Pflegelager» für Vertriebene untergebracht. Die Teams von MSF untersuchten dort 466 Kinder: 66 Prozent waren abgemagert, und von diesen litten wiederum 39 Prozent unter einer schweren Form von Mangelernährung. Ausgehend von dieser Erhebung wurden 78 Kinder sofort in das Ernährungszentrum von MSF überwiesen. Das Zentrum hat eine Kapazität von 86 Betten zur stationären Betreuung von mangelernährten Patienten.
MSF ist seit Mai 2014 in Maiduguri im Bundesstaat Borno tätig. Wir unterstützen zwei Spitäler, zwei Kliniken und zwei Gesundheitszentren in den Lagern, wo sich Vertriebene kostenlos untersuchen lassen können. Während der vergangenen Monate hat MSF umfangreiche Aktivitäten gestartet, um in einigen Lagern Trinkwasser bereitzustellen und für akzeptable hygienische Bedingungen zu sorgen. Auch wurde ein epidemiologisches Überwachungssystem eingeführt, so dass bei Bedarf schnell auf Krankheitsausbrüche reagiert werden kann. 2015 hat MSF mehr als 116‘000 Sprechstunden abhalten, 1‘330 Geburten begleitet und 6‘000 mangelernährte Kinder versorgt.