Rede von Dr. Joanne Liu Internationale Präsidentin von MSF UN-Sicherheitsrat

«La résolution 2286 adoptée unanimement il y a cinq mois a manifestement échoué à changer quoi que ce soit sur le terrain».

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Die aktuelle Kriegsführung kennt keine Grenzen mehr. Es ist eine Abwärtsspirale. Der unerbittliche Sturmangriff auf Aleppo durch syrische und russische Truppen in den letzten Tagen belegt dies: Evakuierungen sind nicht möglich, und die Leichen liegen beerdigt auf der Strasse.

Exzellenzen, sehr geehrte Damen und Herren,
letzte Woche wurde die Welt Zeuge eines brutalen Angriffs auf einen Hilfskonvoi der UNO und des Syrisch-Arabischen Halbmondes sowie auf ein Spitalbei Aleppo.
"Immer, wenn wir denken, es geht nicht mehr schlimmer, dann sinkt die Messlatte der Verdorbenheit noch ein Stück tiefer." sagte Generalsekretär Ban Ki Moon sagte:
Das ist in der Tat so.
Die aktuelle Kriegsführung kennt keine Grenzen mehr. Es ist eine Abwärtsspirale. Der unerbittliche Sturmangriff auf Aleppo durch syrische und russische Truppen in den letzten Tagen belegt dies: Evakuierungen sind nicht möglich, und die Leichen liegen beerdigt auf der Strasse.
Am dritten Mai hat der Sicherheitsrat einstimmig die Resolution 2286 verabschiedet.
Sie haben sich als Mitglieder des Sicherheitsrates dazu verpflichtet, die Zivilbevölkerung sowie medizinische Einrichtungen, die diese zum Überleben benötigt, zu schützen.
Sie haben die Resolution als Folge der Zerstörung des Al-Quds-Spitals in Aleppo durch die syrischen Regierungstruppen und ihre Verbündeten verabschiedet. Dies war zu dem Zeitpunkt der jüngste Angriff einer erschütternden Serie von Angriffen.
Fünf Monate später hat die Resolution deutlich versagt: Vor Ort hat sich nichts geändert.
Dieses Versagen spiegelt einen Mangel an politischem Willen wider – seitens der Mitgliedstaaten, die in Koalitionen am Konflikt beteiligt sind, und seitens derer, die die Angriffe ermöglichen.
Wir können nicht länger warten.
Kommen Sie Ihren Verpflichtungen nach.
Seit die Resolution verabschiedet wurde, war MSF Zielscheibe weiterer schrecklicher Angriffe.
Anfang August wurde unser Spitalin Abs im Jemen bei einem Luftangriff der von Saudi-Arabienangeführten Koalition zerstört. Neunzehn Menschen wurden getötet, unter den Opfern waren Patienten und Gesundheitspersonal.
Die GPS-Koordinaten dieses vollständig funktionierenden Spitalswurden den kriegsführenden Parteien, einschliesslich des saudi-arabischen Militärs, bekanntgegeben
Das spielte keine Rolle.
Es war der vierte derartige Angriff auf Einrichtungen von MSF im Jemen in weniger als einem Jahr – insgesamt wurden 32 Menschen getötet und 51 verletzt. Unser Team musste aus dem Norden des Landes abgezogen werden, wodurch nun eine grosse Anzahl von Menschen nur mehr eingeschränkten Zugang zu medizinischer Versorgung hat, der durch saudi-arabische Flächenbombardements weiter reduziert wurde. Die von Saudi-Arabien geführte Militärkoalition und ihre Gegner sind so fahrlässig, ihre Zusagen so unverbindlich, dass dieser Krieg wirklich hervorsticht.
Viele Angriffe werden als Fehler abgetan, die im Nebel des Krieges begangen wurden.
Wir lehnen das Wort „Fehler“ ab.
In Syrien hören die Angriffe nie auf. Ärzte in Aleppo müssen die schwächsten Patienten von den Beatmungsmaschinen nehmen, damit andere eine Chance bekommen. Beatmungsmaschinen sind aber eigentlich für die schwächsten Patienten gedacht. Dies ist wirklich verzweifelte medizinische Hilfe.
Unsere syrischen Kollegen sitzen fest. Sie werden dort sterben, sagen sie uns, mit ihren Patienten. Wenn sie an der Reihe sind.
Wir beklagen die fehlende Kontrolle über die Kampfhandlungen. Diese Anarchie ist eine  Wahl. Der Wahnsinn hat Methode.
Sowohl im Jemen als auch in Syrien sind vier der fünf ständigen Mitglieder dieses Sicherheitsrats in die Angriffe verwickelt.
In einer Zeit, in der der Kampf gegen den Terror die Kriegsführung bestimmt, wurde eine Lizenz zum Töten ausgegeben.
Wir fordern Sie – erneut– auf, diese Lizenz aufzuheben.
Heben Sie sie auf, unabhängig davon, ob Ihre Feinde die medizinische Behandlung erhalten, die Sie angreifen, oder nicht.
Denn die Nichtbeachtung medizinischer Unparteilichkeit wird neuer Standard in der Kriegsführung. Militärische und humanitäre Bedürfnisse müssen aufeinander abgestimmt werden.
Angriffe auf Spitälerund medizinisches Personal sind eine nicht verhandelbare  rote Linie. Also solche muss sie in allen militärischen Handbüchern und Regelwerken– klar und verständlich – festgeschriebenwerden.
Zu oft reichen nicht verifizierte Informationen oder unklare Behauptungen, denen zufolge ein Spitaleine „Kommandozentrale“ sei, aus, um einen Angriff zu starten.
Damit dies aufhört, muss es Rechenschaft für die Handlungen geben.
Es müssen glaubwürdige Untersuchungen durchgeführt werden.
Und zwar nicht nur vonseiten der Täter.
Ich halte diese Rede fast genau ein Jahr, nachdem Streitkräfte der USA das -Spitalvon MSF in Kundus, Afghanistan, zerstört haben. Wir warten immer noch auf eine unabhängige Untersuchung, die klären soll, wie 42 Patienten, Spitalangestellte und betreuende Angehörige getötet wurden, während sie medizinisch behandelt wurden oder behandelten.
Wir appellieren an Sie, den Empfehlungen des Generalsekretärs unverzüglich zuzustimmen und sie umzusetzen – vor allem die Forderung nach unabhängigen und effizienten Untersuchungen.
Wir fordern, dass der Generalsekretär einen UNO-Sonderbeauftragten ernennt, der Angriffe auf medizinische Einrichtungen, Gesundheitspersonal und Patienten dokumentiert und darüber Bericht erstattet.
Die Straffreiheit muss ein Ende haben. Nur politischer Druck und Rechenschaft können das bewirken.
Kurz: Sorgen Sie dafür, dass Ihre Resolution umgesetzt wird.
Beenden Sie die Angriffe auf Spitäler.
Beenden Sie die Angriffe auf Gesundheitspersonal.
Beenden Sie die Angriffe auf Patienten.
Vielen Dank.

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