Philippinen: Drei Monate nach Taifun Haiyan

Déchargement de 300 tonnes de tentes, matériaux de construction et autres fournitures pour le projet en Guiuan.

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Hilfsmassnahmen sind in vollem Gange, doch Wiederaufbau wird länger brauchen als erwartet.

Vor drei Monaten, am 8. November 2013, hat der Taifun Haiyan die Philippinen erschüttert – 16 Millionen Menschen waren betroffen. Die Nothilfe-Teams von Médecins Sans Frontières / Ärzte ohne Grenzen (MSF) vor Ort berichten, dass trotz der Hilfsmassnahmen, die in vollem Gange sind, der Wiederaufbau länger brauchen wird als erwartet.
„Der Müll, der direkt nach dem Taifun die Strassen überschwemmt hat, ist bereits fast vollständig aufgeräumt“, so Foura Sassou Madi, Einsatzleiterin in Tacloban, wo MSF ein aufblasbares Krankenhaus errichtet hat. „Elektrizität und Wasser sind verfügbar, die Geschäfte, Betriebe und Schule sind geöffnet. Manche Wohnhäuser werden wiederaufgebaut und temporäre Unterkünfte stehen für jene zur Verfügung, die durch den Taifun obdachlos geworden sind.“
„Obwohl die Menschen versuchen, wieder ihr normales Leben zu führen, beginnen sie zu begreifen, dass ‚normal‘ nicht mehr existiert“, erklärt Alexander Buchmann, Notfall-Koordinator in Guiuan, wo MSF ein Krankenhaus mit 60 Betten führt. „In Guiuan gibt es niemanden, der nicht vom Taifun betroffen war. Menschen haben ihre Häuser, ihre Arbeit, ihre Angehörigen verloren – diese Wunden werden lange Zeit brauchen, um zu heilen.“

Medizinische Hilfe weiterhin notwendig

In den drei Monaten, die MSF auf den Philippinen bisher tätig war, haben sich die medizinischen Bedürfnisse verändert. Das Team von MSF in Guiuan berichtet, dass sich nach einem akuten Anstieg der Fälle direkt nach dem Taifun die Lage mittlerweile stabilisiert hat. „Es besteht noch immer ein Zusammenhang zwischen manchen der Fälle, die wir behandeln, und dem Taifun“, erklärt Buchmann. „Die Menschen hier sind stark den Elementen ausgesetzt, daher haben wir viele Fälle von Atemwegsinfektionen und Hautentzündungen. Es kommen auch Patienten zu uns mit chronischen Krankheiten, die ihre Medikamente verloren haben. Die Patienten brauchen auch eine Behandlung für alltägliche Gesundheitsprobleme – die Menschen hören nicht auf, krank zu werden, nur weil ihr Leben von einer Naturkatastrophe auf den Kopf gestellt wurde.“
Das Team von MSF in Tacloban behandelt auch Menschen, die sich verletzen, während sie versuchen, ihre Häuser wiederaufzubauen: „Wir versorgen sehr viel Schnittwunden an Händen und Füssen durch Nägel und Wellblech“, erklärt Notfallärztin Dr. Emma Clark in Tacloban. „Wir behandelten auch zwei PatientInnen mit schweren Verbrennungen – sie hatten Wellblech getragen, das mit herabhängenden Stromkabeln in Berührung kam.“

Verletzungsgefahr auf Schutthalden und in Notunterkünften

Eltern bringen ihre Babies und Kinder zur Behandlung von Atemwegsentzündungen und Magen-Darm-Erkrankungen – eine Folge der Lebensumstände in überfüllten Evakuierungszentren und Hausgemeinschaften. Kinder verletzen sich auch beim Spielen auf Schutthalden und Baustellen. Jede Woche behandelt das Team in Tacloban ausserdem zwei bis drei Kinder, die unabsichtlich Kerosin getrunken haben, das viele Menschen für Beleuchtungsmittel und zum Kochen verwenden.
„Vergangene Woche hatten wir einen entsetzlichen Fall“, erklärt Dr. Clark. „Eine fünfköpfige Familie, die in einem Zelt lebt, kam mit schweren Verbrennungen zu uns – eine Kerosinlampe war umgefallen. Ein Baby und seine junge Schwester erlagen wenig später ihren Verletzungen. Stellen Sie sich vor, diese Familie zu sein – erst verlieren Sie alles wegen eines Taifuns und drei Monate später auch noch zwei Familienmitglieder.“

Gesundheitssystem noch nicht vollständig stabilisiert

Währen der vergangenen Monate hat MSF seine Programme an die lokalen Bedürfnisse angepasst: In den Gebieten, wo sich das Gesundheitssystem bereits erholt hat oder andere Organisationen tätig sind, werden die Aktivitäten nach und nach eingestellt – sie bleiben aber dort weiterhin präsent, wo die Hilfe von MSF noch gebraucht wird.
Sowohl in Guiuan als auch in Tacloban wird die Organisation weiterhin Chirurgie, stationäre medizinische Versorgung, psychologische Betreuung und andere medizinische Leistungen anbieten, bis die Kapazität der lokalen Gesundheitsversorgung wiederhergestellt ist.
„Die Arbeit von MSF macht hier in Tacloban immer noch einen grossen Unterschied aus“, erklärt Sassou. „Jeden Tag bilden sich Menschenschlangen vor unserer Ambulanz, wo wir vergangene Woche 2’406 Patienten behandelt haben. Auch in unserer Entbindungsstation oder dem Notfall-OP ist nicht weniger los, und als die Schule wieder geöffnet wurde, haben wir für die Kinder ein neues psychologisches Betreuungsprogramm gestartet. Jeden Tag kommen Menschen zu uns, um medizinische Hilfe zu erhalten, die sie sonst nirgends bekommen.“

Temporäres Krankenhaus in Guiuan für die nächsten fünf Jahre

Diese Woche hat MSF die Genehmigung für den Bau eines temporären Krankenhauses in Guiuan erhalten. Dieses Fertigteil-Krankenhaus wird Patienten aus den Feldspitälern aufnehmen, bis das durch den Taifun zerstörte Krankenhaus in Guiuan wiederaufgebaut werden kann. Sobald das temporäre Krankenhaus aufgebaut ist, wird es an das lokale Gesundheitsministerium übergeben werden.
„Unsere Notfall-Zelte sind keine Langzeitlösung. Im Januar haben sintflutartige Regenfälle die Zelte immer wieder bis an ihre Grenzen gebracht – was die Menschen in Guiuan verständlicher Weise sehr beunruhigt hat, ob wohl ein weiterer Taifun unterwegs ist. Gestern haben wir mit Aufräumarbeiten begonnen um das Areal vorzubereiten, dass für das temporäre Krankenhaus vorgesehen ist – in vier Monaten sollte das Krankenhaus funktionsfähig sein, das für eine Einsatzdauer von fünf Jahren entwickelt wurde. Unsere Patienten in diesem neuen Krankenhaus zu behandeln ist das Beste, was wir derzeit tun können, um die Qualität ihrer Behandlung zu verbessern.“

Überblick über die Hilfsaktivitäten von MSF auf den Philippinen

In den drei Monaten seit Taifun Haiyan haben die Nothilfe-Teams von MSF medizinische Versorgung und psychologische Betreuung geleistet sowie tausende an Hilfspaketen mit lebensnotwendigen Gütern verteilt. Mit Booten, Helikoptern, Flugzeugen und auf den Strassen haben unsere Teams dringend benötigte Hilfe in einigen der am schwersten betroffenen Gegenden der Philippinen angeboten.
Neben Zelten, Kochutensilien, Nahrung und Hilfe für den Wiederaufbau hat MSF zehntausende Menschen mit sauberem Trinkwasser versorgt: Im Umfeld von Guiuan im Osten der Insel Samar, in Tacloban, Ormoc, Santa Fe und Burauen auf der Insel Leyte sowie rund um Estancia und auf der nordöstlichen Inselgruppe der Insel Panay.
Während dieser drei Monate haben die Nothilfe-Teams von MSF 81’261 ambulante Behandlungen durchgeführt, 1’630 Patienten stationär im Spital aufgenommen, 516 chirurgische Eingriffe vorgenommen, die Geburt von 589 Kindern begleitet sowie 94’033 humanitäre Hilfsgüter verteilt inklusive Paketen mit Material für provisorische Unterkünfte, Zelte, Moskitonetze, Hygiene-Kits und Kochsets.
Die Notfall-Teams in Guiuan sind derzeit mit der Prävention des Dengue-Fiebers beschäftigt sowie mit Wasseraufbereitung und der Errichtung sanitärer Anlagen. Bisher haben sie 85 Quellen gereinigt und 372’000 so genannte „Aqua-Tabs“ verteilt die den Menschen sauberes Trinkwasser ermöglichen. Auf der Inselgruppe nordöstlich der Insel Panay haben wir an 11'000 Familien Nahrungsmittel verteilt. Im selben Gebiet wurden 14’999 Kinder gegen Masern und 4’654 gegen Polio geimpft.

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