Interview: Hilfe für Flüchtende in Libyen

MSF intervient depuis quelques mois dans trois centres de détention placés sous l’autorité du Département combattant les Migrations Illégales.

Libyen3 Min.

Seit Juli 2016 leistet MSF lebensrettende Ersthilfe für inhaftierte Flüchtlinge und Migranten in Tripolis. Viele von ihnen wurden von kriminellen Netzwerken festgehalten, misshandelt und gefoltert. Zahlreiche kamen dabei ums Leben. Anfang 2017 hat MSF auch in Misrata ein Projekt eröffnet, das derzeit ausgebaut wird. Jean-Guy Vataux ist Landeskoordinator in Libyen. Im Interview spricht er über die Arbeit von MSF im nordafrikanischen Land.

Wie lässt sich die Lage vor Ort und die Arbeit von Médecins Sans Frontières/Ärzte ohne Grenzen (MSF) in den offiziellen Internierungszentren in Misrata beschreiben?

Unsere Teams arbeiten seit ein paar Monaten in drei Internierungszentren in Misrata und Umgebung. Das geschieht offiziell unter der Aufsicht durch die Behörde zur Bekämpfung illegaler Einwanderung (DCIM).
Die Zahl der dort Inhaftierten ändert sich wöchentlich. Die Menschen werden auf See von der libyschen Küstenwache aufgegriffen oder zum Beispiel in Städten und an Kontrollpunkten verhaftet. Manche werden aus Internierungszentren in Tripolis hierher verlegt. Einige von ihnen haben vorher jahrelang in Libyen gelebt und gearbeitet. Es reicht schon aus, positiv auf Hepatitis C getestet zu werden, um als Migrant in Libyen im Gefängnis zu landen.
Die Teams von MSF organisieren vor allem medizinische Konsultationen in den Internierungszentren. Der Grossteil der gesundheitlichen Probleme unserer Patientinnen und Patienten sind Folgen der Lebensbedingungen in den Zentren und der Gewalt, die die Menschen auf ihrem Weg erlebt haben. Sie leiden unter Hautkrankheiten, Krätze, Durchfall, Atemwegsinfekten, Muskelschmerzen, Wunden und auch psychologischen Problemen. Patienten mit schwereren Verletzungen, zum Beispiel mit Knochenbrüchen, überweisen wir an spezialisierte Einrichtungen. Zudem verteilen wir Hygieneartikel und andere Hilfsgüter.
Auch wenn wir dadurch die Lebensbedingungen in den Zentren etwas verbessern können, sollte man das Hauptproblem nicht vergessen: Die Menschen werden eingesperrt und warten auf eine mögliche Abschiebung. Währenddessen müssen sie einen undurchsichtigen Prozess durchlaufen, indem nicht einmal ihre Grundrechte gewahrt werden.

Laut der Internationalen Organisation für Migration (IOM) werden in Libyen rund 7’100 Menschen in 27 Internierungszentren festgehalten, die von der Behörde zur Bekämpfung illegaler Einwanderung geleitet werden. Die meisten von ihnen befinden sich in Tripolis. Was ist mit den anderen Migranten, Flüchtlingen und Asylsuchenden im Land?

Die IOM geht von mehr als 380’000 in Libyen lebenden Migranten aus. Es ist tatsächlich so, dass nur ein relativ geringer Teil der in Libyen lebenden Migranten und Flüchtlinge in den offiziellen Zentren festgehalten wird.
Manche von ihnen sind nach Libyen gekommen, um hier zu arbeiten, denn das Land war für Menschen aus den Nachbarländern einst ein wirtschaftliches El Dorado. Andere arbeiten hier, um sich die Fahrt über das Mittelmeer zu finanzieren. Die Arbeitsbedingungen kommen an vielen Orten jenen von Zwangsarbeit gleich und es ist nicht selten, dass Menschen wiederholt inhaftiert werden.
Andere wiederum sind erst am Anfang ihrer Reise durch Libyen. Der Weg durch die libysche Wüste und ihr Zwangsaufenthalt in «inoffiziellen» Zentren – das heißt, in Häusern und Lagerhallen, die von kriminellen Netzwerken betrieben werden – werden von jenen, die sie überlebt haben, als unerträglich beschrieben. Wir können ihnen dort nicht helfen.
2016 sind insgesamt etwa 5’000 Menschen im Mittelmeer ertrunken; bis Juni 2017 sind es bereits rund 2’000 Menschen. Wie viele sterben, bevor sie überhaupt an der Küste ankommen, weiss man nicht. Es ist eine unsichtbare Tragödie.

Was macht MSF, um den Menschen zu helfen?

Diesen Monat haben wir in Misrata eine mobile Klinik eröffnet, um den Migranten und Flüchtlingen zu helfen, die hier arbeiten. So können wir ihnen kostenlose und vertrauliche medizinische Hilfe bieten. Ärztliche Diskretion ist entscheidend in einem Umfeld wie diesem, in dem manche Erkrankungen zur Verhaftung und zur Ausweisung führen können. Gleichzeitig arbeiten wir weiter in den Internierungszentren.
Auf die Frage, wie wir den Menschen während der schlimmsten Phasen der Reise helfen können, haben wir noch keine Antwort. Zurzeit verhandeln wir noch, um Zugang zu den Menschen im Inland zu bekommen. Es wird sich zeigen, welche Art von Hilfe zugelassen wird. Unsere Bemühungen könnten auch scheitern. Dann müssen wir uns Alternativen überlegen.
MSF ist seit 2011 in Libyen. Im kriegszerrütteten Land fehlt es an Medikamenten und Personal. MSF unterstützt öffentliche Gesundheitseinrichtungen finanziell und hilft beispielsweise bei der Überwachung von Infektionskrankheiten und bei der Erstversorgung von Patienten in Notaufnahmen. Ausserdem betreibt MSF ein Projekt zur medizinischen und psychologischen Betreuung für Kinder und Familien, die vor Kämpfen aus Bengasi flüchten mussten.